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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Tag der Apostel Petrus und Paulus, 29.06.2017

Predigt zu Matthäus 16:13-19, verfasst von Hans-Otto Gade

Liebe Gemeinde!

Irgendwann im Mittelalter. Wir schreiben den 29. Juni, Tag der Apostel Petrus und Paulus. Der Magistrat der Stadt Buxtehude versammelt sich früh morgens im Rathaus. Von dort ziehen die Ratsherren gefasst und schweigend in die nur wenige Schritte entfernte alt-ehrwürdige Kirche des Heiligen Petrus, die St. Petri-Kirche, wie wir sie heute nennen.

Mit dieser ihrer Kirche sind die Ratsherren eng verbunden, sie üben gleichzeitig auch das Amt der Kirchenvorsteher aus, denn im Mittelalter war die Bürgergemeinde = Christengemeinde.

Die Ratsherren ziehen durch das Turmportal in die Kirche zum Hauptaltar. In der feierlichen Messe werden die Ratsherren erneut auf ihr Amt und ihre Verantwortung vor Gott verpflichtet. In jedem Jahr erneut am Tag der Apostel Petrus und Paulus, am 29. Juni.

Diese Verpflichtung der Ratsherren am Tag der Apostel Petrus und Paulus hat es auch in anderen Städten gegeben – sofern sie eine Kirche hatten, die dem Hl. Petrus oder Paulus gewidmet waren.

 

Ein anderer Ritus – Jahrhunderte später:

In den Jahren nach 1991 reist eine Gruppe aus Buxtehude so etwa 15 mal mit einem gecharterten Reisebus in die Tschernobyl-Region in den Bezirk Gomel / Belarus. Nach der mehr als 26 stündigen Anreise und dem Einchecken im Hotel führt uns unser erster Weg immer in die Peter- und Pauls-Kathedrale in Gomel. An jedem Tag wird in dieser Hauptkirche um 17.00 Uhr eine Russisch-Orthodoxe Messe gefeiert; drei Stunden dauert dieser Gottesdienst und ein ständiges Kommen und Gehen bewegt den Kirchenraum, in dem die Gottesdienstbesucher stehen oder knien – Bänke gibt es dort nicht.

Der Besuch dieser Messe ist uns wichtig, um Gott zu danken für Bewahrung während der nicht ungefährlichen Anreise. Und auch um ihn um Kraft zu bitten für die bevorstehenden Besuche in den Kinderkrankenhäusern und den Selbsthilfe-einrichtungen der Schilddrüsenkrebs- oder Leukämiekranken Kinder.

 

Eine dritte Beobachtung:

Wir schreiben das Jahr 2002. Die Pastorinnen und Pastoren des Kirchenkreises Buxtehude reisen nach Rom zu theologischen Gesprächen in den Vatikan.

Selbstverständlich kommt auch die Kultur nicht zu kurz. Wir besuchen einige der vielen Sehenswürdigkeiten der Ewigen Stadt und so auch das Forum Romanum. In einer Ecke dieses Forums finden wir den Weg in den Mamertinischen Kerker. Dort sollen im Jahre 65, zuzeiten des Kaisers Nero, die beiden Apostel Petrus und Paulus inhaftiert worden sein, bevor sie wegen ihres Glaubens sterben mussten.

In diesem Gefängnis steht ein Altar zur Erinnerung und zu Ehren der beiden Apostel. Das Antependium, der Altarbehang, verwundert: Dort ist ein schwarzes Kreuz abgebildet, das auf dem Kopf steht: Einer Legende nach soll Petrus den Wunsch geäußert haben, nicht wie Jesus Christus gekreuzigt zu werden, sondern kopfüber.

 

Petrus und Paulus – die beiden großen Apostel der Christenheit. In dem Namen dieses Festtages und in den Namen der einen oder anderen Kirche vereint wie ein einträchtiges Brüderpaar.

Die Wirklichkeit sah anders aus: Petrus beharrt auf der Verbreitung des Glaubens an Jesus Christus nur unter den „Beschnittenen“, also unter den Juden. Für ihn war Jesus Christus gestorben und auferstanden ausschließlich für die Juden vor allem in Israel. Alle anderen Menschen sollten außen vor bleiben.

Paulus war es, der mit anderen Christen den Glauben an Jesus Christus außerhalb Israels verbreiten will. Nach harten Diskussionen – nachzulesen in der Apostelgeschichte – einigen sich die Apostel: Petrus und die Jünger Jesu missionieren die Juden in Israel, Paulus und seine Mitarbeitenden missionieren die so genannten Heiden in Kleinasien, der heutigen Türkei.

Eines Tages erreicht Paulus im Traum ein Ruf eines Mannes aus Griechenland: Komm herüber und hilf uns!

Paulus reist nach Griechenland und öffnet damit dem Glauben an Jesus Christus den Weg nach Europa. Letztlich also haben wir es Paulus zu verdanken, dass wir Christen sind!

 

Der Predigttext für diesen Festtag steht im Matthäus-Evangelium Kapitel 16:

13 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?

14 Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.

15 Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?

16 Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!

17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

19 Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

 

Petrus steht im Zentrum dieses Textes. Zunächst spricht er ein Bekenntnis aus und darauf folgt eine Verheißung, eine Vollmacht Jesu:

 

Simon Petrus sprach: Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!

 

Im Gegensatz zur Volksmeinung bekennt Simon Petrus – sozusagen stellvertretend für die Jüngerschar: Du bist nicht irgend ein Prophet, sondern du bist Gottes Sohn, du bist der Messias, auf den das Volk der Juden schon seit Jahrhunderten wartet!

 

Auf dieses Bekenntnis folgt die Verheißung Jesu und seine Vollmacht, sozusagen stellvertretend für ihn, für Christus, auf Erden zu handeln:

 

Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.

Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

 

Binden“ und „Lösen“ meint, die Lehre vom Gekreuzigten und Auferstandenen für verbindlich und nicht verbindlich, für verboten oder für erlaubt zu erklären. Also darüber gleichsam zu richten, was denn die Christus angemessene Lehre sei und was nicht. Bei den vielen Strömungen innerhalb der jungen Christenheit war eine solche Institution dringend erforderlich. Auch Paulus hatte ja in Korinth mit diesem Problem der vielen Strömungen zu kämpfen.

 

Binden“ und „Lösen“ meint aber auch zu entscheiden, wer Zugang zum Himmelreich erhält und wer nicht. Diese Lehr- und Disziplinargewalt hat aber keine selbstständige Autorität, sondern ist immer gegründet in der Vollmacht und im Auftrage Jesu Christi.

 

Petrus, der Fels, als Stellvertreter Jesu Christi auf Erden. Bis heute hin nennen unsere Katholischen Brüder und Schwestern den Papst in Rom, den Nachfolger auf dem Stuhl Petri, Stellvertreter Jesu Christi auf Erden.

Dieser Petrus hat in der Katholischen Christenheit eine sehr große Bedeutung, aber auch für uns Evangelische Christen ist die Verheißung an Petrus von nachhaltiger Wirkung: Bis heute hin „lösen“ wir in der Beichte Menschen von ihrer manchmal sehr schweren Schuld. Dieses Angebot des „Lösens“, dieses Angebot der Beichte wird auch in unserer Evangelischen Kirche bis heute hin oft wahrgenommen. Viele Menschen leiden an ihrer Welt, in ihrer Familie, an sich selbst – und sie leiden an dem, was sie gegenüber Gott und den Menschen falsch gemacht haben.

Manche fühlen sich von dieser Schuld geradezu erdrückt und kommen zu uns Pastorinnen und Pastoren, um sich von ihrer Schuld „lösen“ zu lassen.

 

Als in den Ruhestand getreten bin fragte mich jemand, mit dem ich vor ein paar Jahren ein Beichtgespräch geführt habe, ob ich denn auch im Ruhestand alles für mich behalten wolle und müsse, was er/sie mir im Beichtgespräch gesagt habe.

Ja, das Das Beichtgeheimnis ist unverbrüchlich. Lebenslang. Und wenn ich als Pastor jemanden von seiner Schuld vor Gott „löse“, dann weiß das nur er/sie und ich und unser Allmächtiger und Barmherziger Gott! Niemand sonst.

 

Aber dieser Satz hat noch eine Facette, die oft übersehen wird: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein...

 

Wie ist das mit dem „binden“? Verwehre ich jemanden die Beichte? Verwehre ich einem Menschen den Zugang zum Reich Gottes? Wie soll das in der Praxis aussehen? Dieses „binden“ verstehe ich für mich eher positiv: Ich binde Menschen die zu mir kommen an den Weg, den wir gemeinsam im Beichtgespräch verabredet haben.

 

Von Paulus ist in diesem Predigttext keine Rede. Er wird ja auch nicht in den Evangelien genannt, sondern erst in der Apostelgeschichte als der Christenverfolger, der durch das Erlebnis bei Damaskus zum Missionar wurde.

 

So feiern wir diesen Tag der beiden Apostel in der Erinnerung an den unermüdlichen Missionar Paulus, der letztlich uns in Europa den Glauben gebracht hat,

und an Petrus, der als Nachfolger Jesu Christus auf Erden eine besondere Bedeutung und Vollmacht hat, verliehen durch Jesus Christus.

 

Beide sind ihren Weg gegangen, ihren Weg bis in den Tod. Getragen und gestärkt durch den Glauben, durch das Vertrauen auf den, der seinen Weg für uns alle bis an das Kreuz von Golgatha gegangen ist und letztlich den Tod besiegt hat – Jesus Christus!

Amen

 



Pastor i.R. Hans-Otto Gade
Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

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