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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 16.07.2017

Predigt zu Lukas 5:1-11 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Jens Torkild Bak

Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen – sagt Jesus zum Berufsfischer Petrus dessen Karriere vor einem plötzlichen Wechsel steht. Man kann erwägen, ob Jesus, wenn er es sich etwas besser überlegt hätte, ein anderes Bild für die Missionsaufgabe gewählt hätte, die er Petrus anvertraut. Jedenfalls sind mit der Fischerei nur unglückliche Assoziationen verbunden, wenn man sie als Bild verwendet. Verschiedene Wendungen in der Sprache weisen mit aller wünschbaren Deutlichkeit darauf hin, dass es sich um eine fragwürdige Aktivität handelt, die keine Anerkennung verdient: Wer weiß nicht, was es bedeutet, dass jemanden einem ins Netz geht, oder jemanden an die Angel zu bekommen, Stimmen zu fischen u.sw.

Fürchte dich nicht! Sagt Jesus zu Petrus, und das ist ja richtig, man soll nicht herumlaufen und Angst haben, und auf jeden Fall soll man Gott mehr fürchten als Menschen, haben wir gelernt. Aber in der dänischen Volkskirche bekennen wir uns gerne dazu, dass wir Vorbehalte haben gegen Mission und misstrauisch sind gegen jede Art von Seelenfischerei. Letzteres überlassen wir Freikirchen und sektiererischen Bewegungen, mit denen wir uns nicht gerne vergleichen lassen. Aber was tun wir angesichts der dramatisch sinkenden Taufzahlen unter den eigenen Mitgliedern der Volkskirche, von denen, wie sich zeigt, ein großer Teil ihre Kinder nicht taufen lässt? Nein, eben dies ist die Frage, wenn wir nicht hinausgehen und missionieren wollen, wenn „Missionieren“ zu einem Schimpfwort wird.

Vor einigen Jahren fanden Archäologen unmittelbar südlich vom Dom in Ribe den ältesten christlichen Friedhof Dänemarks mit Gräbern, die bis auf die Mitte des neunten Jahrhunderts zurückreichen. Sie betrachteten das als einen Beweis dafür, dass Ansgar wirklich in der Stadt gewesen war und hier Mission betrieben hatte. Aus diesem Anlass beschloss der Neue Carlsberg Fond, Ribe eine Statue von Ansgar zu schenken, und übertrug diese Aufgabe einem postmodernistischen Bildhauer, Hein Heinsen. Das Ergebnis ist eine seltsame Figur. Der Ansgar von Hein Heinsen hat einige tolle Klauen bekommen, die eine Schulter ist halb gespalten, und aus dem Rücken wächst etwas, was einem Kreuz gleicht. Es hatte seinen Preis, zu den Dänen vorzudringen und sie zu Christen zu machen. Wir können dankbar dafür sein, dass da einer von außen kam und die Arbeit für uns machte. Wer würde es heute auf sich nehmen, uns Dänen zu Christen zu machen, wenn wir es nicht schon wären?

Kein Wunder, dass Simon Petrus Angst bekommt und – ganz vorausschauend, dass dieser etwas mit ihm vorhat und dass es wohl nicht nur um Fisch geht – Jesus darum bittet, fortzugehen. Diese Reaktion kennt man übrigens von zahlreichen anderen biblischen Berichten über Menschen, die einen göttlichen Ruf erhielten, eine Aufgabe, die sie lösen sollten. Ihre unmittelbare Reaktion ist Furcht und Ablehnung, indem sie auf ihre Geringheit verweisen.

Weh mir, ich vergehe Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk mit unreinen Lippen – heißt es zum Beispiel beim Propheten Jesaja in der alttestamentlichen Lesung dieses Sonntags, als ihm eine Aufgabe anvertraut wurde.

Aber, wie wir es bei Lukas hören, da ist nichts zu machen. Jesu Wort ist kein Vorschlag zum Verhandeln, kein Ruf, den man diskutieren kann. Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie brachten die Boote ans Land und verließen alles und folgten ihm nach.

Nachdem wir uns nun ausgiebig mit den bedenklichen Assoziationen beschäftigt haben, die wir mit „Fischerei“ verbinden, wenn dieser Begriff und viele Ableitungen im übertragenen Sinne als Bild verwendet wird – nämlich für alle die Situationen, wo jemand uns umgarnen will oder angeln will, ist es an der Zeit zu überlegen, ob man nicht auch etwas Gutes darüber sagen kann. Zumindest darüber, sich fangen zu lassen. Also ob eben dies, gefangen zu werden, in jedem Falle nur etwas Schlechtes ist.

Denn das ist es ja nicht. Ich möchte die Sache von zwei Seiten aus betrachten. In der einen wie der anderen Sicht zeigt sich, dass so gesehen auch ein echtes Evangelium damit verbunden sein kann, gefangen zu werden.

Erstens. Wenn einem Dinge außer Kontrolle geraten, wenn man ein Mensch im freien Fall ist, und so etwas passiert, dann ist es ein wahres Wunder, wenn da jemand kommt (und dies geschieht in einem solchen Fall allzu selten) und einen festhält. Wir kennen das ja aus Wendungen in der Sprache, von Menschen, denen alles ins Schwimmen gerät oder die offenbar nicht sie selbst sind und Dinge tun, die sie normalerweise nicht tun würden. Wir hoffen dann, dass dann „jemand kommt und solche Menschen hält“, nicht um Macht über sie zu gewinnen, nicht um ihr Leben zu bestimmen, sondern vielmehr um ihnen eine Chance zu geben, zu sich selbst zu kommen. In dieser Hinsicht greifen wir oft allzu wenig nach einander. Wir trauen uns nicht, aus Furcht, dass dies als Übergriff verstanden wird (was natürlich immer auch ein Risiko ist), und das ist bedauerlich. Oft haben wir z.B. junge Leute vor die Hunde gehen lassen statt sie festzuhalten und ihnen einen Weg zu zeigen, ihr eigenes Leben in die Hand zunehmen, ihnen Stolz und Selbstachtung zu geben. Und wer kennt das nicht, dass man sich in eigener Trauer und Verzweiflung einschließt und dabei nur wünscht, dass jemand vorbeikommt und einen an die Hand nimmt, weil man selbst es nicht schafft, sich daraus zu befreien.

Zweitens. Wenn Simos Petrus gesagt wird, dass er von nun an Menschen fischen soll, so ist ganz deutlich, womit er sie fangen soll. Das Fanggerät ist das WORT, das Evangelium. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, was für eine Art Wort dieses WORT ist. Es ist nicht eine Lehre, eine Ideologie, eine Sammlung von Dogmen, in die man das Leben der Menschen hineinlegt. Nicht eine Lehre, die sich die Menschen als ein Gesetz aneignen und dem sie folgen sollen und von dem sie nicht abweichen dürfen. Dann wäre das Evangelium kein Evangelium, sondern ein Fangnetz und ein Gefängnis für das denken. Ein solches Wort ist das WORT nicht. Wenn das Wort überhaupt ein Evangelium ist, so deshalb, weil es die Menschen befreit. Es reißt die Schleier der Furcht, des Bösen, des Neides, der Heuchelei und der falschen Hierarchien aus der Welt und die den Menschen die Welt zurück. Die Welt, wie sie in den Augen Gottes aussieht, damit der Mensch in ihr zusammen mit seinem Mitmenschen in Freiheit und ohne Furcht leben können soll. Und wir müssen immer darum beten, einmal dass das Wort stark genug, uns zu fangen, damit wir verstehen, worum es geht, und dann dass es uns lange genug festhält um uns zu lehren, zwischen dem menschlichen und dem Unmenschlichen, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden.

Und so werden wir dann im Netz des Evangeliums über die Reling gezogen und ausgeschüttet, nicht um von Messer und Gabel (nach evt. einem kurzen Vergnügen in einer Soße) getötet zu werden, sondern um zu uns selbst zu kommen und zu leben. Einen frohen Sonntag. Amen.



Dompropst Jens Torkild Bak
DK-6760 Ribe
E-Mail: jtb(at)km.dk

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