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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Tag des Jakobus des Älteren, 25.07.2017

Predigt zu Matthäus 20:20-23, verfasst von Th.-M. Robscheit

Hinweis: Während der Predigt das das Abendmahl da Vincis zu sehen.

 

 

 

Friede sei mit Euch von Gott, dem Vater, Christus unserem Heiland und dem Heiligen Geist. Amen.

 

Jesus und seine zwölf Jünger, uns begegnet das immer wieder, am deutlichsten vielleicht beim letzten Abendmahl. Das berühmte Gemälde von Leonardo da Vinci füllt die Stirnseite des ehemaligen Speiseraumes im Mailänder Kloster Santa Maria della Grazie aus. Jesus kündigt den Verrat an, die Jünger sind aufgebracht: „Herr, bin ich´s?“ Oft nehmen wir diese zwölf Personen nur verschwommen als Gruppe war. Welche Namen oder Begebenheiten fallen Ihnen ein?

 

Petrus, sicherlich als erstes; dann natürlich Judas, der Verräter. Und Johannes, beim Abendmahl an Jesu Seite, als einziger ohne Bart dargestellt. Und weiter? Wie heißen die anderen neun Jünger? Johannes und Jakobus, die Söhne des Zebedäus. Die mit ihrer maßlosen Forderung, die wir bei Mt nachlesen können:

 

Text: Mt. 20, 20-23

 

„Ja“, werden sie denken, „ Jakobus habe ich auch schon gehört.“ Und gänzlich sicher werden Sie sein, wenn Sie nicht den latinisierten Namen Jakobus, sondern das hebräische Original hören: Jakob oder die spanische Version: Santiago. Natürlich haben Sie von der berühmten Kirche, wo seine Gebeine ruhen sollen, und den Wegen durch ganz Europa dahin gehört. Der Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Jakobus.

Seit dem Mittelalter ist der 25. Juli der Gedenktag des Jakobus. Er gehört neben Petrus, Paulus, Johannes dem Täufer und dem Erzengel Michael zu den wenigen, die auch in unserem Festkreis einen besonderen Gedenktag haben. Aber warum? Was verbinden wir mit Jakobus?

Bei Petrus fallen uns sofort wichtige Begebenheiten ein: der Fels, auf den Jesu Kirche steht, das Leugnen, sein Weinen, als der Hahn kräht. Oder Paulus: seine Reisen und Briefe, Johannes der Täufer: sein Ruf zur Umkehr, zur Erneuerung des Sinnes, die Taufe Jesu – bei ihnen allen haben wir zahlreiche Assoziationen. Aber Jakobus der Ältere?

Außerhalb des NT gibt es über ihn keine zeitgenössischen Quellen. Er und sein Bruder gehörten mit zu den ersten Jüngern, die Jesus berufen hat. Womöglich waren sie rechte Hitzköpfe. Jedenfalls gibt Jesus ihnen den Beinamen „Donnersöhne“ (MK. 3, 17). An anderer Stelle (Lk. 9, 54) schlagen sie Jesus vor, ein Dorf mit Feuer vom Himmel zu bombardieren, weil ihnen dort keine Unterkunft gewährt worden war. Jesus hat -wie Sie sicherlich vermuten- abgelehnt. Jakobus und die anderen Erstberufenen nehmen unter den Zwölfen eine besondere Stellung ein: er war bei der Verklärung Jesu (Mt. 17, 1) dabei, ebenso im Garten Gethsemane (Mt. 26, 37), wo er mit den anderen eingeschlafen ist, während Jesus vor Angst schon fast verzweifelte. Es kann als sicher gelten, dass Jakobus der Ältere während einer Christenverfolgung um 44 n Chr. Hingerichtet. Er ist der erste Märtyrer unter den Aposteln. Alles weitere verliert sich im reich der Mythen und Legenden, besonders natürlich in Spanien. So wird berichtet, dass er nach Christi Himmelfahrt recht erfolglos versucht hat in Spanien zu missionieren. Nach seinem gewaltsamen Tod in Jerusalem hätten seine wenigen Anhänger seinen Leichnam mit einem unbemannten Boot dem Mittelmeer übergeben und er sei schließlich bei Santiago wieder gestrandet. Dort baute man dann zunächst eine Kapelle. Schon Luther hielt es für ziemlich unwahrscheinlich, dass dort im Grab tatsächlich Jakobus liegen könnte. Dennoch ist Santiago schon seit dem Mittelalter eine der wichtigsten Pilgerzentren des Christentums.

„Legenden berichten“, so das ökumenische Heiligenlexikon, “ von der Einkehr eines Ehepaars aus Xanten auf ihrer Pilgerfahrt nach Santiago. Zusammen mit ihrem Sohn machten sie Rast in einem Wirtshaus in Santo Domingo de la Calzada; weil dieser Sohn die ihm angetragene Tochter des Wirtes nicht zur Frau nehmen wollte, steckte der Wirt - oder die Tochter selbst - ihm heimlich einen Silberbecher in den Rucksack, damit er für den angeblichen Diebstahl gehenkt werde. Als dies erfolgte, hielt Jakobus den am Strick Hängenden hoch, damit er unversehrt blieb; die Eltern kamen an die Richtstätte, fanden den Sohn noch lebend und konnten ihn vom Galgen nehmen. Vor dem ob solch eines Wunders ungläubigen Richter flog das Brathuhn vom Teller als Beweis, dass Tote tatsächlich lebendig werden können; der Richter erkannte sein Fehlurteil, nun wurde der betrügerische Wirt gehenkt.“

Jakobus soll in verschiedenen Kriegen mit ins Feld gezogen sein: So führte König Alfons III (866-910)   seine Siege auf das Eingreifen des Heiligen zurück. Dabei handelte es sich um Kämpfe nicht nur gegen die muslimischen Mauren, sondern auch gegen christliche Feinde. Jakobus erhielt den Beinamen Matamorus, Maurentöter. Diese martialischen  Eigenschaften behielt er bis in die jüngste Vergangenheit. 1937 erklärte Franco den Sieg der Faschisten in einer entscheidenden Schlacht des Bürgerkrieges - errungen am 25. Juli und in einem heiligen Jahr - als mit Jakobus' Hilfe erstritten.

Und diesem Jakobus ist auch in unserer evangelischen Kirche ein Festtag gewidmet. Ein Mensch von dem wir nicht viel mehr sicher wissen, als dass er Jesus gefolgt ist und ein selbstsicheres und aufbrausendes Gemüt hatte und an seinen Glauben bis zur letzten Konsequenz festhielt. Aber vielleicht ist dies genau das, was uns heute im Bezug auf unseren Glauben am meisten fehlt: selbstsicher und kraftvoll Anders- und Ungläubigen gegenüber aufzutreten. Es mag jeder nach seiner Facon glücklich werden. Natürlich ist die Aufklärung für uns ein wichtiger Schritt zum Erwachsenwerden unserer Religion gewesen. Doch das bedeutet nicht, sich deswegen abzuducken und in falsch verstandener Toleranz Andersdenkenden gegenüber sich selber klein zu machen! Nein. Aber, wer traut sich denn zu sagen: „Ich bin Christ. Wenn Du nicht an den auferstandenen Christus glaubst, halte ich Deinen Glauben, dein ganzes Weltbild für falsch!“? Treten Sie so einem muslimischen Asylbewerber oder der Mehrheit unserer deutschen Nachbarn entgegen?

Jakobus schon. Für uns scheint diese Aussage politisch inkorrekt zu sein. Vermeintlich spricht sie dem Gegenüber seinen Glauben ab. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Unser dauerndes Verstehen Andersdenkender nimmt unseren eigenen Standpunkt nicht ernst, den des anderen aber auch nicht. Um niemanden auf die Füße zu treten neigen wir dazu so zu tun, als wäre Glaube und Religion eher nebensächlich. Vielleicht austauschbar. Ist eben Privatsache.

Privatsache heißt aber keineswegs, wenig wichtig, sondern für den einzelnen genau das Gegenteil: besonders wichtig! Ein Beispiel:

Wen Sie lieben, das ist Ihre Privatsache. Da werden sie mir sicherlich zustimmen. Und im Idealfall bezeichnen Sie Ihre Freundin oder Frau so wie Kishon als „die beste von allen“. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit einem guten Freund bei einem Glas Rotwein und sinnieren über Gott und die Welt. Irgendwann kommt die Sprache auf Ihre Frauen. Wie reden Sie da? „Ich kann mir gar nicht vorstellen, mit einer anderen, als meiner zusammen zu sein!“, oder: „ Meine Frau ist ganz ok, aber deine ist auch richtig klasse!“, oder: „Ist es nicht eigentlich egal, mit welcher Frau man zusammen ist?“ Es ist völlig klar, dass wir subjektiv wahrnehmen und urteilen. Wir kommen gar nicht auf den Gedanken, so etwas wie „Objektivität“ in die Waagschale werfen zu wollen, weil das absurd wäre. Natürlich sehen wir die Welt, andere Menschen, alles was wir wahrnehmen oder erahnen aus unserem Blickwinkel mit unseren Maßstäben.

Und nun, ersetzen Sie in Gedanken das Gespräch über die Partnerinnen durch ein Gespräch über Ihren Glauben! Da neigen wir nicht zu klarer Ansage, sondern zum Anbiedern. Jakobus nicht. Der reißt die Arme auseinander: „Etwas anderes als mein Glaube an Christus ist nicht vorstellbar.“

So begegnet uns Jakobus auch auf da Vincis letzten Abendmahl. Er sitzt direkt an Jesu linker Seite: „Wie kannst Du es nur in Erwägung ziehen, dass ich derjenige sein könnte, der Dich verrät!“, scheint er aufgebracht Jesus zu fragen, als dieser den Verrat ankündigt.

 

Und der Friede Gottes, der größer ist als alle menschliche Vernunft bewahre unsere Herzen in Jesus Christus. Amen.

 



Pfarrer Th.-M. Robscheit
Kapellendorf und Apolda
E-Mail: thm@robscheit.de

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