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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Tag des Jakobus des Älteren, 25.07.2017

Predigt zu Matthäus 20:20-23, verfasst von Winfried Klotz

Text: Mt. 20, 20-23 (Gute Nachricht Bibel) vgl. (Mk 10,35-45; Lk 22,24-27)

20 Damals ging die Mutter der beiden Söhne von Zebedäus zusammen mit ihren Söhnen zu Jesus hin und warf sich vor ihm nieder, weil sie ihn um etwas bitten wollte.

21 »Was möchtest du denn?«, fragte Jesus. Sie sagte: »Ordne doch an, dass meine beiden Söhne rechts und links neben dir sitzen, wenn du deine Herrschaft angetreten hast!«       19,28

22 Jesus sagte zu den beiden Söhnen: »Ihr wisst nicht, was ihr da verlangt. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?« C) »Das können wir!«, antworteten sie.     26,39par; Joh 18,11 C) Zu Kelch vgl. 26,39 und die Anmerkung zu Mk 14,36.

23 Jesus erwiderte: »Ihr werdet tatsächlich den gleichen Kelch trinken wie ich, aber ich kann nicht darüber verfügen, wer rechts und links neben mir sitzen wird. Auf diesen Plätzen werden die sitzen, die mein Vater dafür bestimmt hat.«     Apg 12,2

Liebe Gemeinde! (liebe/r Leser/in!)

Ein Gedenktag für Jakobus, den Sohn des Zebedäus, einen Schüler und Apostel Jesu, das ist für uns Evangelische eher fremd. Die Katholiken haben Fest- und Gedenktage, verehren Maria und die Heiligen, betrachten sie als Fürbitter, die man um ihre Fürsprache bitten kann; wir Evangelische lehnen das ab. Gewiss, das tun wir mit Recht, siehe Artikel 21 des Augsburger Bekenntnisses von 1530, dessen ersten Teil wir (unter der Nr. 808) im Evangelischen Gesangbuch (Ausgabe für die Ev. Kirche in Hessen und Nassau) finden. Da heißt es unter der Überschrift „Vom Dienst der Heiligen“ (Zitat): „Vom Heiligendienst wird von den Unseren so gelehrt, dass man der Heiligen gedenken soll, damit wir unseren Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und auch wie ihnen durch den Glauben geholfen worden ist; außerdem soll man sich an ihren guten Werken ein Beispiel nehmen, ein jeder in seinem Beruf. Aus der Hl. Schrift kann man aber nicht beweisen, dass man die Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. "Denn es ist nur ein einziger Versöhner und Mittler gesetzt zwischen Gott und den Menschen, Jesus Christus" (1. Tim 2,5). Er ist der einzige Heiland, der einzige Hohepriester, Gnadenstuhl und Fürsprecher vor Gott (Röm 8,34). Und er allein hat zugesagt, dass er unser Gebet erhören will. Nach der Hl. Schrift ist das auch der höchste Gottesdienst, dass man diesen Jesus Christus in allen Nöten und Anliegen von Herzen sucht und anruft: "Wenn jemand sündigt, haben wir einen Fürsprecher bei Gott, der gerecht ist, Jesus" (1. Joh 2,1) usw.“ (https://www.bayern-evangelisch.de/was-uns-traegt/das-augsburger-bekenntnis.php)

Daran halten wir uns auch heute: an „der Heiligen“ gedenken- ja, sich ein Beispiel nehmen- ja, sie anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen- nein! Denn wir haben nur einen einzigen Versöhner und Mittler zu Gott, Jesus Christus. Und dazu bekennen und wissen wir, was das Apostolische Glaubensbekenntnis im dritten Abschnitt sagt: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen.“ Wer sind die hier genannten Heiligen? Nach der Lehre der heiligen Schrift doch alle die, die Gott in seine Nähe gerückt hat. Das aber gilt für jede und jeden von uns. Durch den Glauben an Jesus Christus sind wir versöhnt mit Gott, angenommen als seine Kinder. Gottes Urteil über uns, nicht mein Volk, nicht mein Kind, getrennt von mir durch die Sünde, ist aufgehoben für die, die auf Jesus und sein versöhnendes Opfer vertrauen. Deshalb sind wir Heilige, nicht weil wir sündlos wären und durch gute Taten oder das Vollbringen von Wundern uns als heilig erwiesen.

Doch schauen wir jetzt auf Jakobus, genannt der „Ältere“, da es in der Heiligen Schrift noch weitere Männer mit dem Namen Jakobus im Umfeld von Jesus gibt. Dazu gehören in den Apostellisten Jakobus der Sohn des Alphäus und Jakobus der Bruder von Jesus, der in der Leitung der Jerusalemer Gemeinde eine bedeutende Rolle spielte.

Ein Lexikonartikel sagt: (Jakobus) „Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes. J. gehörte zu den zuerst berufenen Jüngern (Mt4,21) und mit Petrus und Johannes zu den dreien, die im Jüngerkreis eine besondere Stellung einnahmen (Mt17,1; 26,37; Lk8,51). Darum erscheint es merkwürdig, dass wir von dem Wirken des J. so gut wie nichts erfahren. Er war Fischer wie sein Vater und arbeitete mit Petrus und Andreas zusammen (Mt4,21; Lk5,10). Seine Mutter hieß wahrscheinlich Salome und war wohl die Schwester Marias, der Mutter Jesu, so dass Jakobus ein Vetter Jesu war (vgl. Mt27,56 mit Mk15,40; 16,1 und Joh19,25). In den Apostellisten finden wir J. stets neben Johannes, wobei der Name des J. meist zuerst genannt wird, vielleicht als der des älteren der beiden Brüder (Mt10,2; Mk3,17; Lk6,14; in Apg1,13 gibt es bezüglich der Reihenfolge abweichende Lesarten). Jesus gab den Zebedäussöhnen den Beinamen Boanerges, Donnersöhne (Mk3,17), wohl um ihres Eifers willen. Er tadelte ihr vorschnelles Urteil über die Samariter (Lk9,54f) und ihr Streben nach eigener Ehre (in Mt20,20 bittet die Mutter für ihre Söhne; Mk10,35-40). Nach der Auferstehung ist J. bei den anderen Aposteln in Jerusalem (Apg1,13). 44 n.Chr. hat ihn Herodes Agrippa I. hinrichten lassen (Apg12,1f); er ist wohl der zweite Blutzeuge gewesen.“ (Lexikon zur Bibel, elektr. Ausgabe, © 1994/2001 R. Brockhaus Verlag)

Es ist nicht viel, was uns an Informationen in der Bibel über Jakobus und Johannes, seinen Bruder, Söhne des Zebedäus, gegeben ist. Jakobus gehörte mit zu den erstberufenen Jüngern, er war vermutlich ein Vetter von Jesus, von Beruf Fischer; er gehörte zusammen mit Petrus und Johannes zu den am engsten mit Jesus verbundenen Jünger. Diese drei nahm Jesus mit auf den Berg, wo er verklärt wurde (Mt 17, 1ff); er nahm sie mit ins Haus des Synagogenvorstehers Ja-irus, dessen Tochter im Sterben lag (Mk 5, 37). Jesus nahm sie mit sich in den Garten Gethsemane, sie sollten ihn wachend und betend stärken (Mt 26, 37). Neben Simon mit dem Beinamen Petrus gibt Jesus nur noch Jakobus und Johannes einen ihre Besonderheit kennzeichnenden Beinamen: Boanerges – Donnersöhne (Mk 3, 17). Ob dieser Name allgemein den besonderen Eifer der Brüder beschreibt, oder Bezug nimmt auf etwas, was ich apokalyptische Entschiedenheit nennen möchte, weiß ich nicht. Im Lukasevangelium wird berichtet, dass ein Dorf der Samariter Jesus nicht aufnehmen wollte auf seinem Weg nach Jerusalem. Darauf fragen Jakobus und Johannes Jesus: „Herr, sollen wir befehlen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie vernichtet?“ (Lk 9, 54) Daraufhin weist Jesus sie zurecht. In einigen neutestamentlichen Handschriften heißt es ergänzend: „Er (Jesus) sagte: ‚Ihr wisst nicht, was für ein Geist da aus euch spricht! 56 Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschenleben zu vernichten, sondern um sie zu retten!‘“

Jesus weist zurecht; damit sind wir bei dem biblischen Wort aus Matthäus 20, das uns heute gegeben ist. Jakobus und Johannes kommen hier nicht selbst mit ihrer Bitte zu Jesus, wie es Markus berichtet, sondern ihre Mutter Salome, eine Tante von Jesus, wird aktiv. In überraschender Weise tritt sie auf Jesus zu: sie wirft sich vor ihm nieder wie vor einem König und wartet, bis er sie auffordert zu reden. Sie zeigt damit, was sie von Jesus hält: Du, Jesus, bist der von Gott gesandte Messias – Christus. Auch ihre Bitte bezieht sich auf Jesu Messianität: „Ordne doch an, dass meine beiden Söhne rechts und links neben dir sitzen, wenn du deine Herrschaft angetreten hast!“ Die Mutter des Brüderpaares hat eine klare Vorstellung von Jesu Zukunft- das wird eine herrliche Zeit! Jesus selbst hatte den 12 Aposteln angekündigt: „Ich versichere euch: Wenn Gott die Welt erneuert und der Menschensohn auf seinem Herrscherthron Platz nimmt, dann werdet auch ihr, die ihr mir gefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und über die zwölf Stämme Israels Gericht halten.“ (Mt 19, 28) Wenn schon alle Jünger solche Ehre und Macht erhalten sollen, dann muss doch für die nächsten Verwandten Jesu im Jüngerkreis etwas Besonderes drin sein!

Ich denke, liebe Gemeinde, wir können das nachvollziehen. Auch Christen streben nach oben, nach Macht und Ehre! Bist Du ein wichtiger Christ, dann sollte für Dich in Gottes Herrschaft, oder auch nur in Kirche und Gemeinde, ein Ehrenplatz mit entsprechenden Befugnissen bereitstehen. Noch einmal: Auch in Kirche und Gemeinde gibt es ein Streben nach Einfluss und Anerkennung. Das ist keineswegs immer negativ, es braucht doch Menschen, die Verantwortung übernehmen! Negativ wird es, wenn Überheblichkeit und Lieblosigkeit eine Rolle spielen. Wenn ich mein „Ding“ machen muss und nicht mehr fähig und bereit bin, auf andere zu hören und in Gemeinschaft den Weg zu suchen, der Jesus entspricht. In der Welt werden Machtkämpfe unverziert, offen oder auch intrigant, ausgetragen. Christen dagegen machen oft eine fromme Girlande um ihre Machtkämpfe, das sieht halt besser aus, macht aber die Sache nicht besser. Christen tünchen manchmal ihre Machtkämpfe als ginge es um geistliche Themen, dabei geht es nur um Überlegenheit, Stolz und Einfluss.

Die Motivation der Mutter von Jakobus und Johannes können wir nur vermuten: Meine Söhne sind wichtige Mitarbeiter von Jesus, sie genießen sein besonderes Vertrauen, er bezieht sie ein in besondere Geschehnisse, das soll sich abbilden in der kommenden herrlichen, messianischen Zeit. Sie macht kein Geheimnis aus ihrem Wunsch, sie baut keinen Anschein von Demut auf. Sie schaut von heute in die Zukunft, ergibt sich da nicht ganz selbstverständlich ihr Wunsch?

Ja, die großartige messinische Zukunft! Das Bild das die Mutter der Brüder hat, das Bild aller Apostel, hat einen krassen Fehler. „Jesus sagte zu den beiden Söhnen: ‚Ihr wisst nicht, was ihr da verlangt. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?‘ ‚Das können wir‘, antworteten sie. Jesus erwiderte: ‚Ihr werdet tatsächlich den gleichen Kelch trinken wie ich, aber ich kann nicht darüber verfügen, wer rechts und links neben mir sitzen wird. Auf diesen Plätzen werden die sitzen, die mein Vater dafür bestimmt hat.‘“

Jesu messianische Zukunft wird nicht erreicht gleichsam per Direktverbindung aus Elend und Ungerechtigkeit der alten Welt in die heile, gerechte, neue Welt! Jesus messianische Zukunft beinhaltet einen katastrophalen Bruch. Jesus hat es schon mehrfach angekündigt: In Jerusalem wird er am Kreuz sterben. Und wer mit ihm in Gottes Zukunft unterwegs ist, wird nicht ohne Leiden bleiben. Für Jakobus, von ihm wird es in der Apostelgeschichte berichtet, bedeutet das die Hinrichtung durch das Schwert. Könnt ihr, die ihr mit Jesus regieren wollt, seinen Kelch trinken? Die beiden Brüder sind da voller Mut, so wie später Petrus, der verspricht, wenn nötig, mit Jesus sterben zu wollen- und dann schrecklich versagt.

Doch, liebe Gemeinde, noch einmal die Frage: Könnt ihr, die ihr mit Jesus regieren wollt, seinen Kelch trinken? Genau das ist die Frage an alle, die in Kirche und Gemeinde das Wort führen wollen, Einfluss nehmen, vorne stehen. Willst Du in der Gemeinde Jesu eine wichtige Aufgabe übernehmen, willst Du das Wort führen und über ihren Weg bestimmen, dann sei Dir darüber im Klaren, dass das nicht ohne Leiden für Jesus geht. Wenn es Dir um Ehre und Anerkennung geht, dann lass die Finger davon. Wenn Du Dich selbst verwirklichen willst, lass es sein! Wenn Du nicht bereit bist, Dich für Jesus und seine Sache zu investieren, dann bist Du ein/e untaugliche/r Mitarbeiter/in.

Im Übrigen: im Johannesevangelium sagt Jesus: „Wer mir dienen will, muss mir auf meinem Weg folgen, und wo ich bin, werden dann auch die sein, die mir gedient haben. Sie alle werden von meinem Vater geehrt werden.“ (Joh 12, 26) Es gibt durchaus Anerkennung und Ehre für die, die mit Jesus zum Reich Gottes unterwegs sind, die ihm dienen, die für ihn leiden. Dieses menschliche Grundbedürfnis wird im Reich Gottes nicht abgeschafft. Die Jesus dienen, empfangen Anerkennung und Ehre von Gott, jetzt schon und in der Zukunft, die Gott für uns bereitet hat. Es darf also durchaus sein, dass eine Gemeinde Mitarbeiter/innen ehrt und lobt für ihren Dienst. Da handelt sie mit Gott. Anerkennung und Ehre fordern aber steht niemand zu. Jeder weiß doch, was Jesus gesagt hat: „Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“ Im Letzten kommt keiner zu kurz!

Und Jakobus? Hingerichtet durch Herodes Agrippa I. im Jahr 44 nach Christus. Wir haben heute dieses Glaubenszeugen ehrend gedacht; er bleibt nicht ohne Ehre bei Gott. Ob er aber den absoluten Ehrenplatz erhält, das entscheidet Gott allein, so jedenfalls sagt es Jesus. Amen.



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König
E-Mail: winfried.klotz@web.de

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