Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

7. Sonntag nach Trinitatis, 30.07.2017

Predigt zu Lukas 19:1-10(dänische Perikopenordnung), verfasst von Poul Joachim Stender

Ein dänischer Pfarrer erregte vor einig en Jahren Anstoß, als er vor laufenden Kameras eine Frau mit sich selber verheiratete. Aber immer mehr Frauen in anderen Ländern haben denselben Weg gewählt. Unter anderem in Großbritannien und den USA haben Frauen über Jahre Anstoß erregt, indem sie einen Ehebund mit sich selbst schlossen. Eine britische Frau arrangierte eine Hochzeitszeremonie für sich selbst mit Ring, Ehegelöbnis und 50 Gästen. „So frage ich mich selbst. Willst du dich selbst haben, willst du dich selbst lieben und ehren und mit dir selbst leben in gute uns bösen Tagen, bis der Tod euch scheidet“.

Generell ist es wohl so, dass die meisten von uns mehr mit uns selbst verheiratet sind als denen, mit denen wir verheiratet sind, und dass wir in der Tat besser von uns selbst separiert werden sollten, um uns mehr dem Partner oder dem Ehegatten zuzuwenden. Man sollte eine Demonstration gegen seine eigenen Vorurteile veranstalten oder gegen seine eigenen unsympathischen Neigungen streiken, die alles weit übertreffen, was Regierungen so anstellen. Im Grunde sollte man auch oben in seinem Gehirn eine Opposition haben, die einem widerspricht wie Opposition und Regierung, und die uns zur Rechenschaft zieht, wenn wir uns töricht gegen unsere Mitmenschen verhalten. Es ist, als wären Egoismus, Selbstgefälligkeit legitim geworden. Man ist seine eigene Regierung. Man ist gleichzeitig in sich selbst die legislative, exekutive und richtende Macht. Der Korrespondent des zweiten dänischen Fernsehens in Jerusalem Steffen Jensen sagt in einem Interview: „Die dänische Gesellschaft ist etwas vom Perfektesten, das es gibt. Leider ist es aber nur selten so, dass die beste Gesellschaf t die besten Menschen hervorbringt. Natürlich darf man nicht verallgemeinern, aber ich meine, dass die phantastische Gesellschaft, die wir in Dänemark haben, viele Egoisten hervorgebracht hat, weil es nichts mehr gibt, wofür man kämpfen kann“. Und wenn Steffen Jensen Recht hat – und ich glaube, er hat Recht – dann ist di9e Zeit reif für eine Revolution. Nicht gegen unsere bürgerliche Regierung. Sondern die Zeit ist reif für eine Revolution gegen uns selbst. Mit einem alten kirchlichen Wort nennt man diese Revolution Umkehr. Nieder mit unserer eigenen inneren absoluten Selbstgefälligkeit. Schluss mit dem inneren Ego-Diktator. Weg mit den Selbst-Ehen. Nun sollen der Herrgott und die, mit denen wir zusammenleben, viel mehr Einfluss haben.

Zachäus, der kleine Oberzöllner in Jericho, ist ein gutes Beispiel für einen Mann, der sich von seinem egoistischen Ego getrennt hat und gegen sich selbst revoltiert hat. Zu einem Zeitpunkt sah er ein, dass es größere Mächte in der Welt gibt als ihn selbst. Und diese Einsicht ließ ihn auf einen Baun klettern, um nach Jesus Ausschau zu halten, von dem er gehört hatte er sei der Sohn Gottes. Und wenn nun im Text steht, dass Zachäus auf den hohen Maulbeerfeigenbaum er Stadt kletterte, so nicht nur um zu erzählen, dass er ein kleiner Mann war und viele Leute sich um Jesus scharten. Es ist auch, um uns anzuzeigen, dass es etwas verlangt, Jesus zu sehen. Man muss es wollen. In der Odyssee von Homer heißt es: Götter zeigen sich nur denen, von denen sie gesehen werden wollen.“ Aber so ist es nicht im Christentum. Jesus Christus zeigt sich für uns alle. Er ist hier. Aber wir müssen es wünschen, ihn zu sehen. Es geht sozusagen darum, auf eine Höhe zu klettern wie Zachäus. Und der hohe Baum kann die Kirche sein, wenn wir zum Gottesdienst gehen, oder Bibelstudien oder Gebet oder etwas ganz anderes – kurz: Eine bewusste Wahl von unserer Seite, das Christentum zu wollen. Und was geschieht dann, wenn wir von unserer hohen Warte irgendwie den Sohn Gottes sehen oder ahnen? Wir werden sofort von ihm eingeladen. Beachtet, nicht Zachäus lädt Jesus zu sich nach Hause ein. Jesus lädt sich selbst ein bei Zachäus. Und während der Sohn Gottes dasitzt und mit Zachäus isst, vollzieht sich eine Revolution im Leben des Zachäus, die schon begann, als er von Jesus hörte, und die sich nun zu einer wahren Revolution oder Bekehrung entwickelte. Zachäus setzt sein egoistisches Ich ab und gibt sowohl Jesus als auch seinen Mitmenschen Einfluss auf sein Leben. Er ist nun mit Gott und seinen Mitmenschen verheiratet und nicht mit sich selbst. Plötzlich ist er bereit, den Armen von seinem Geld zu geben. All dies geschah in Jericho. Und es hat einen Grund, dass es sich um Jericho handelte, so wie es auch einen Grund hatte, dass Zachäus auf einen hohen baum kletterte. Jericho war die Stadt im Alten Testament, in die die Israeliten nach 40 Jahren Wüstenwanderung kamen. Sie umringten die Stadt mit Blasinstrumenten, und auf wundersame Weise stürzten die Mauern ein, so dass sie die Stadt einnehmen konnten. Was mit Zachäus in der Begegnung mit Jesus geschah, war dies, dass die Mauern einstürzten, die um sich errichtet hatte, um seine eigenen Interessen zu pflegen. Jesus wiederholt das alttestamentliche Wunder in Jericho. Er zerstört nicht die Schutzmauern der Stadt. Er tut etwas, was viel imponierender ist. Er bricht die Mauern, die Zachäus um sich selbst errichtet hatte, so dass Zachäus versteht, dass er mit der Ewigkeit und seinen Mitmenschen zusammenhängt. Und dasselbe wird mit uns geschehen, wenn wir Jesus ehen wollen, also unseren Willen einsetzen, einen hohen Punkt in unserem Dasein zu finden, wo wir ihn sehen können. Er will sich selbst bei uns einladen. Eine Revolution wir stattfinden. Die Mauern um uns fallen. Wir werden sofort spüren, dass wir nicht als lebendige, liebende Menschen leben können, ohne Gott und unsere Mitmenschen mit bei dem dabei zuhaben, was wir sagen und tut. Gott befohlen,. Amen.

 



Pastor Poul Joachim Stender
DK 4060 Kirke Såby
E-Mail: pjs(a)km.dk

(zurück zum Seitenanfang)