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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

7. Sonntag nach Trinitatis, 30.07.2017

Brot des Lebens
Predigt zu Johannes 6:30-35, verfasst von Andreas Pawlas

Das Volk sprach zu Jesus: Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du? Unsere Väter haben in der Wüste das Manna gegessen, wie geschrieben steht(Psalm 79,24): "Er gab ihnen Brot vom Himmel zu essen". Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot! Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens: Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

 

Liebe Gemeinde!

Unter uns Menschen ist es immer das Gleiche: Wir wollen und müssen uns für unsere Lebensentscheidungen nach überprüfbaren Zeichen richten. Das ist heute so und das war damals so und darüber muss man sich nicht wundern. Kein Wunder also, dass das Volk Jesus fragte: „Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben? Was für ein Werk tust du?“ Und bitte dabei nicht übersehen: mit „Glauben“ ist dabei nicht irgendein „Nicht-genau-wissen“ oder irgendetwas abzuschätzen gemeint, sondern das Ausrichten des ganzen Lebens, die Übernahme einer ganzen Lebensstruktur, das tägliche Befolgen der Lebensweisung. Kein Wunder darum also auch, dass das Volk Gottes einen solchen Glauben nur in Einklang mit dem Wort des höchsten Lebensschöpfer und -ausrichters, also des lebendigen Gottes, und damit nur in Einklang mit der Heiligen Schrift sehen konnte und wollte.

Und was fiel dem Alten Gottesvolk damals aus der Überlieferung der Heiligen Schrift als ein Zeichen für einen solchen Glauben sofort ein, als ein Zeichen, das bedingungslose Hingabe an Gott fordern würde und an den, von dem sie prüfen wollten, ob er sein neuer heiliger Gesandter sei?

Es fiel dem Gottesvolk damals jenes Zeichen ein, mit dem Gott ihnen in der Wüste zum Überleben half, als er ihnen Manna zum Essen gab. Und das war Wüstenbrot, das war Brot, das vom Himmel fiel. Das war Brot zum Überleben.

Aber egal, ob Wüstenbrot oder normales Brot, wir brauchen eben elementar Brot zum Leben. Deshalb heißt es auch im Vaterunser: „Unser tägliches Brot gibt uns heute.“ Und so wünschen wir auch Euch Konfirmanden immer genügend Brot in Eurem Leben. Dabei weiß ich natürlich, dass Ihr manchmal lieber Kartoffelchips esst als Brot. Aber darauf kommt es gar nicht an. Es geht um Nahrungsmittel allgemein. Das tägliche Brot, das steht bei uns eben für alles, was wir elementar brauchen, um überleben zu können.

Und wenn Jesus damals dem Volk, das ihn so prüfen wollte, mit einem Fingerschnipsen oder mit Blitz und Donner Brot oder sonstige Nahrungsmittel gegeben hätte, so hätte es ihm, weiß Gott, gern glauben wollen. Garantiert! Ob das jetzt für manchen klugen heutigen Menschen etwas einfältig klingt? Sicherlich. Aber seien wir nicht so überheblich, das damalige Volk dafür zu verachten oder lächerlich machen. Denn wenn Jesus uns heutzutage regelmäßig und verlässlich das tägliche Brot zum Überleben herbeischaffen würde, so wie Mose in der Wüste das hungernde Volk mit Manna versorgte, so würde man ihm dann nicht nur genauso gerne glauben, sondern sicherlich auch gerne huldigen, ihn verehren, ihm Paläste Bauen, wie man heute fast nur noch Bank- und Versicherungspaläste baut. Dann würde man doch gar nicht mehr aufhören, ihn zu feiern und ihn zu bejubeln. Presse- und Fernsehberichte ohne Ende wären abends und schon morgens beim Frühstücksfernsehen zu sehen. Und kritische Journalisten würden sich auf die Spur machen, seinen Trick, seinen Zauber, seine magischen Kräfte aufzudecken, durch die diesem Jesus Christus das alles gelingt.

Aber, liebe Gemeinde, bei Jesus ist das alles ganz anders. Warum? Weil er doch kein Brotzauberer sein will und doch auf ganz andere Weise Brot gibt! Denn so wichtig die Versorgung der Völker dieser Welt mit Brot auch ist, so sehr wir uns auch anstrengen müssen, die Menschen in den Hungergebieten dieser Welt mit Brot zu versorgen, so sehr wir unseren Himmlischen Vater auch um unser tägliches Brot bitten sollen, und er uns dadurch hilft, dass er alles auf dieser Welt leben, wachsen und reifen lässt, damit wir gegen den Hunger Brot haben, die Seele braucht in ihrer Tiefe ganz anderes, damit das Leben gelingt. Und genau so ist das auch in der Hl. Schrift festgehalten, wenn man einmal etwas genauer schaut. Denn da steht ja nicht nur jenes vom Volk so gern erinnerte Wort aus dem 79. Psalm, "Er gab ihnen Brot vom Himmel“. Sondern genau wegen dieses Mannas, genau wegen dieses vom Himmel gekommenen Brotes, wird in der Schrift das Volk Gottes gemahnt, dass dieses Manna „dir kundtäte, dass der Mensch nicht lebt vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des HERRN geht.“(5. M. 8,3)

Ich weiß, wie viele jetzt sagen würden: „Das ist doch alles nur frommes Gerede. Das entspricht nicht unserer knallharten Realität.“ Und sie halten sich dann gern an den knallharten Satz von Berthold Brecht, der behauptet: „Erst kommt der Bauch und dann kommt die Moral“. Also: Erst kommt Brot und Magenvollstopfen und dann erst kommt Denken oder Fühlen und dann vielleicht auch so etwas wie Glauben oder die fromme Organisation des eigenen Lebens.

Als normaler Mitteleuropäer, der seit Jahren gut zu essen hat, und dafür aber auch Gott dankbar ist, steht es mir nun eigentlich nicht an, über diesen Satz von Berthold Brecht zu richten. Jetzt müssen eigentlich ganz andere Menschen zu Wort kommen. Menschen aus anderen Erdteilen, die auch im Hunger ihren Glauben bewahrt haben, denen es nicht zuerst um das Magenvollstopfen und dann erst um den Glaube und das sich Verlassen auf Jesus Christus ging. Aber wie hätten sonst die vielen Glaubensflüchtlinge unserer Zeit so viel Hunger und Durst auf sich nehmen können, um dann irgendwo an einen Ort zu kommen, an dem sie ungefährdet leben und Gott die Ehre geben können?

Aber lassen sie uns in der Frage von Bauch und Moral nicht zu eng denken. Elementare Bedrohung des Lebens und Suche nach Glauben findet sich oft genug in ganz anderer Weise mitten unter uns. Und für mich eröffnete sich das ganz unvermutet bei einem Besuch in der Entbindungsstation eines Krankenhauses. Gewiß, in diesen Räumen verspürt man viel Glück und Dankbarkeit der jungen Mütter. So eigentlich auch bei der jungen Frau, die ich besuchte. Dennoch war das alles überschattet von einer schlimmen Sorge. Unter Tränen erzählte mir die junge Frau von ihren Problemen, ihren lieben kleinen Säugling zu stillen, also ihm sein tägliches Brot geben zu können. Sie habe solche Angst, nicht genug Milch zu haben, ihm nicht genug geben zu können. Und in diese Angst mischten sich dann schlimme Selbstvorwürfe, keine gute Mutter sein zu können. Eine Brustentzündung drohte.

Was sollte ich da bei solchen elementaren Frauenempfindungen schon als Mann sagen können? Aber die junge Frau hatte mir ja ihre Not und ihre Angst um das tägliche Brot für ihren kleinen Jungen anvertraut. Und so konnten wir dann doch miteinander reden. Und ich weiß garnicht mehr wer von uns am Ende darauf kam, wie sehr der Milchfluss einer stillenden Mutter gerade durch Angst und Verkrampfung verringert werden oder durch Schrecken oder Panik sogar von heute auf morgen ausbleiben kann. (Was wüssten auch hier die Mütter unter uns nicht alles zu erzählen). Jedenfalls begriffen wir damals, diese junge Frau und ich, wie sehr offenbar das Fließen der Muttermilch, des täglichen Brotes für einen Säugling, davon abhängt, wie weit eine Mutter Vertrauen fassen kann, wie weit also eine stillende Mutter sich darauf verlassen kann, daß Gott ihr mit ihrem Leben auch die Möglichkeit gegeben hat, ihrem Kind genau soviel zu geben, wie es zum Leben braucht. Also: erst die innere Überzeugung und dann dadurch das Brot für das Kind.

Eine Woche später, bei meinem nächsten Besuch, da strahlte sie. Sie hatte wieder Vertrauen fassen können. Sie konnte nun ihr Kind nun gut stillen. Sie konnte ihm nun so Brot des Lebens werden. Ganz handgreiflich. Sichtbar, fühlbar, schmeckbar. Aber sie konnte es eben nur, nachdem alle Angst und Panik überwunden war. Aber sie konnte es eben nur, nachdem sie hat Glauben finden können und damit durchlässig wurde für den Geber aller guten Gaben, für den eigentlichen Geber allen Brotes, für Gott.

Spiegelt sich darin nicht genau das, das Christus mit dem Wort sagt "Ich bin das Brot des Lebens"? Nämlich leben zu können und zu Leben verhelfen zu dürfen, wenn man Vertrauen fassen kann? Jesus Christus deshalb Brot des Lebens, weil krampfende Angst, Sorge und Panik im Vertrauen auf ihn überwunden werden kann?

Übrigens wird uns manchmal wie in einem Zerrspiegel völlig Gegenteiliges vorgeführt: Wie oft müsst auch Ihr Konfirmanden beobachten, wie sich Kinder oder auch Erwachsene voller Lebensgier mit Brot voll stopfen, besser noch mit Kuchen und Süßigkeiten, sodass sie dabei sogar krank werden. Aber was sie dabei nicht gewinnen, und worum es ihnen aber eigentlich geht und was sie so sehr entbehren müssen, und wonach sie so sehr lechzen, ist doch Vertrauen in das Leben, ist doch herzliche Liebe und Zuwendung.

Wie gut, dass für Christenmenschen diese Spannung zwischen Brot und Angst, Sorge, Lebens- und Liebesdrang durch Christus überwunden ist. Aber heißt das nun, dass Christenmenschen für das Leben künftig überhaupt kein Brot mehr bräuchten? Das ist nicht richtig. Unser täglich Brot gehört zu unserem Leben. Dennoch weiß ich, wie viele Sterbende, tagelang, manchmal wochenlang kein Brot, kein Essen brauchen, auf ihrem Weg, Vertrauen, Glauben, Gottvertrauen zu finden, um sich dann in die Hände dessen fallen zu lassen, der für uns das eigentliche Brot des Lebens ist, Christus. Allerdings, solange unsere kurze Lebenszeit auf diesem kleinen Planeten noch reicht, brauchen wir natürlich noch täglich Brot. Aber allein das Kauen und Schlucken von Brot erhält uns nicht am Leben und sättigt uns, sondern die Seele muss Kraft haben. Aber genau die sagt uns Jesus als Wort Gottes verbindlich zu, wenn er spricht: "Ich bin das Brot des Lebens".

Damit gibt uns unser Gott Kraft und Schutz bis in alle Ewigkeit. Und damit wir uns so auf Jesus als Brot des Lebens verlassen können, müssen keine Prüfungen dafür ablegen, uns dafür quälen oder viel Geld dafür bezahlen, sondern, weil Jesus uns liebt, sagt er uns mit dem Satz "Ich bin das Brot des Lebens" für unser Leben genügend Mut, Geduld, Seelenkraft und damit das Zutrauen zu, dass alles in unserem Leben gut wird

Eigentlich ist es also die herzliche Liebe und Zuwendung Gottes, die uns Christus predigt und selbst ist, die uns am Leben erhält, mit Brot und ohne Brot. Es ist eigentlich das Vertrauen und der Glaube an Jesus Christus, der uns am Leben erhält, selbst wenn wir sterben müssen. Und in diesem Vertrauen und diesem Glauben und in dieser Liebe werden wir gestärkt, ermutigt, erfüllt und vollendet, jetzt und ewig. Amen.

 



Pfarrer Dr. Andreas Pawlas
D-25365 Kl. Offenseth-Sparrieshoop
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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