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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

11. Sonntag nach Trinitatis, 27.08.2017

Buße ist eine fröhliche Angelegenheit
Predigt zu Matthäus 21:28-31, verfasst von Christine Hubka

Zu jener Zeit sprach Jesus: Was meint ihr aber? Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg.

Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht. Danach reute es ihn, und er ging hin.

Und der Vater ging zum zweiten Sohn und sagte dasselbe. Der aber antwortete und sprach: Ja, Herr! Und ging nicht hin.

Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan? Sie antwortete: Der erste. Jesus sprach zu ihnen; Wahrlich, ich sage euch: die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr.

Mt. 21, 28 – 31

 

Als ich noch Pfarrerin in Traiskirchen war,

hat sich der 14 jährige Bobby taufen lassen.

Niemand sonst in der Familie war getauft.

Ich hab ihn damals gefragt: wieso willst du evangelisch werden. Du weißt doch, wie wenige in deiner Klasse evangelisch sind.

Er hat mir mit einem Satz geantwortet, der mir gezeigt hat, dass er sich die Sache auf seine Weise gut überlegt hat.

Er hat gesagt:

Die Katholischen müssen soviel büßen.

Darum will ich evangelisch werden.

 

Nun,

ich meine, Bobby hat mit seiner Feststellung recht gehabt.

Er hat aber auch Unrecht gehabt.

 

Unrecht:

Wir Evangelischen können die Buße nicht abschaffen – weil Jesus viel von ihr geredet hat.

Die Geschichte von den beiden Söhnen ist eine von vielen Geschichten, die Jesus über die Buße erzählt.

 

Wir Evangelischen können die Buße nicht abschaffen,

weil die erste der 95 Thesen von der Buße handelt:

Ihr erinnert euch, wie sie lautet:

„Wenn unser Herr und Heiland Jesus Christus sagt „tut Buße“, dann will er dass das ganze Leben des Menschen eine tägliche Buße sei.“

 

Insofern hat Bobby also nicht recht gehabt.

 

Aber er hat – aus der Distanz und nur so nebenbei mitbekommen, dass es mit der Buße bei den Evangelischen doch eine ganz besondere Bewandtnis hat:

 

Und so möchte ich Buße so beschreiben,

wie es die Geschichte von den beiden Söhnen nahe legt.

 

Buße im biblischen Sinn heisst für mich:

Gott lässt zu, dass ich es mir anders überlege.

Gott legt mich heute nicht fest auf das, was ich gestern gesagt und geglaubt und getan habe.

Tägliche Buße heisst dann:

ich darf es mir täglich anders überlegen.

 

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der mir dazu wichtig ist.

Diese zweite, wichtig Seite von Buße ohne die es nur eine halbe Sache wäre, möchte ich deutlich machen, indem ich die Geschichte von dem einen Sohn einen Schluss gebe:

 

Es hatte ein Mann zwei Söhne und ging zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh hin und arbeite heute im Weinberg.

Er antwortete aber und sprach: Nein, ich will nicht. Danach reute es ihn, und er ging hin.

 

Also hat er den ganzen Tag im Weinberg gearbeitet.

Am Abend ist er dann nach Hause gegangen zu seinem Vater und hat ihm gesagt:

Du ich war heute doch im Weinberg.

Und das und das und das habe ich erledigt.“

 

Der Vater aber sagt:

„Das interessiert mich nicht.

Dein „Nein“ hat mich sehr gekränkt.

Ich bin noch immer böse, dass du mir das angetan hast.

Das hättest du dir vorher überlegen müssen.“

 

So hat Jesus die Geschichte nicht erzählt!

Er erzählt sie so,

dass der Vater es einfach hinnimmt, als gegeben, dass sein Sohn beschlossen hat, seinem Auftrag zu folgen und im Weinberg zu arbeiten.

Gott rechnet mir mein „Nein“ nicht vor,

wenn ich es mir anders überlege und zu einem „Ja“ finde.

 

Und nur deshalb ist Buße eine feine Sache.

Nur deshalb ist es möglich umzukehren, und sich neu zu orientieren.

Weil keine alten Geschichten, keine „Neins“ mir ewig hinterher hinken.

Weil ich vor Gott nicht mit offenen Rechnungen leben muss.

 

Das extremste und wohl schockierenste Beispiel, wie sehr das gilt, ist der Schächer, der neben Jesus am Kreuz hängt.

Ganz am Ende seines Lebens erkennt er, dass er wie der eine Sohn in der Geschichte „Nein“ gesagt und auch „Nein“ gelebt hat.

Ihr wisst, was Jesus ihm sagt:

„Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

 

Manche meinen, das wäre zu billig.

Manche sagen: das kann doch nicht alles sein!

Dass man so leicht davon kommt.

Ohne zu bezahlen.

Ohne Vorwürfe.

Ohne Strafe.

Einfach indem man es sich anders überlegt.

 

Nicht nur Strafentlassene können davon erzählen,

wie lange alte Geschichten ihnen nachgetragen werden.

Ganz schnell geschieht es, dass Menschen füreinander Konten eröffnen, auf denen aber nicht Gutpunkte sondern „Nein“ – Punkte gesammelt werden.

So ein Konto bei sich selbst zu streichen, es zu löschen wenn einer, den ich als „Nein“ – Sager und auch als „Nein“ – Tuer kenne, es sich auf einmal anders überlegt, das ist nicht einfach.

 

Das war schon in der ersten Gemeinde nicht so einfach.

Als Paulus, den alle als fanatischen Verfolger der christlichen Gemeinde gekannt haben,

als der sich hat taufen lassen und Christ geworden ist,

hat es in der Urgemeinde auch viele gegeben,

die das nicht so schnell und einfach und billig akzeptieren wollten.

Niemand, der vom „Nein“ sagen zum „Ja“ tun findet, kann also damit rechnen, dass die Leute um ihn herum in Freudengeheul ausbrechen.

Es wird nicht einfach sein – bei den Menschen.

 

Wie gut, ja wie unbedingt nötig ist es dann,

von Gott nicht Skepsis sondern offene Arme erwarten zu dürfen, wenn ich es mir anders überlegt habe.

 

Was aber machen wir mit denen,

die ja sagen und nein tun.

Wie der zweite Sohn in der Geschichte Jesu.

 

Dieses Verhalten werfen Menschen uns, die wir in der Kirche sind, gerne vor:

Ihr redet vom Frieden, ihr predigt die Liebe –

Aber wenn man euch dann anschaut,

geht es bei euch auch nicht friedlicher und auch nicht liebevoller zu als bei allen anderen.

 

Diese Menschen haben recht.

Sowohl im Bezug auf heute als auch im Bezug auf die Geschichte unserer Kirche.

Auch unsere Kirche hat Waffen gesegnet in den verschiedenen Kriegen und gleichzeitig den Frieden gepredigt.

Auch unsere Kirche hat davon geredet, dass vor Gott alle Menschen gleich sind,

aber dann doch die Herrenmenschen Ideologie weithin übernommen.

 

Und heute,

obwohl wir von der Gleichheit aller Menschen vor Gott sprechen,

kommt kein Aufschrei aus der Kirche oder von den Christen,

wenn in den Zeitungen besonders entrüstet über Greuel an Frauen und Kindern geschrieben wird.

Als wären Greueltaten an Männern und alten Menschen nicht der Rede wert.

 

Ja sagen, nein tun – auch das passiert unter uns.

 

Darum muss ich in Diskussionen, wo es darum geht, denen, die das an uns Christen und an der Kirche kritisieren, immer recht geben:

Ja, so ist es.

 

Wer sich dann angewidert abwendet und geht –

Der hat zwar Recht,

aber er verpasst den besten Teil:

 

Die Kirche, die Waffen gesegnet hat,

ist heute aktiv und engagiert in der Flüchtlingsarbeit.

Und ich bin überzeugt, dass Gott diese Arbeit segnet.

 

Der Mensch,

der bei seiner ersten Trauung ja gesagt hat,

ja ich will ein Leben lang bei dir sein, meine Geliebte, mein Geliebter,

und nach ein paar Jahren geschieden wird,

darf seine neue Ehe unter Gottes Segen stellen.

 

Der zweite Sohn in der Geschichte,

der Ja sagt und nein tut,

wenn er am nächsten Tag es sich anders überlegt

und auch zum Weinberg arbeiten geht,

wird es ihm mit seinem Vater nicht anders ergehen,

als dem ersten Sohn.

 

Denn Umkehr heisst:

Gott lässt zu, dass ich es mir anders überlege.

 

Darum ist Buße,

darum ist Umkehr

für evangelische Christen

eine reizvolle und fröhliche Angelegenheit.

 

Und der 14 jährige Bobby hat doch recht gehabt.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,

bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

 

 



Pfarrerin i.R.Dr., aktuell Gefängnisseelsorgerin Christine Hubka
Wien
E-Mail: christine.hubka@gmx.at

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