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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

15. Sonntag nach Trinitatis, 24.09.2017

Was bedeutet Nachfolge Jesu?
Predigt zu Lukas 18:28-30, verfasst von Thomas Bautz

Liebe Gemeinde!

Wieder einmal ist der Gesamtzusammenhang des Predigttextes für das Verständnis von Bedeutung. Wir begegnen folgenden Themen: Segnung der Kinder durch Jesus, weil er diese als Vorbilder für die Annahme des Gottesreiches ansieht. Der mahnende Hinweis darauf, wie schwer es sein kann, am Gottesreich Anteil zu bekommen, wenn man vorwiegend an seinen Gütern, am Besitz, hängt und sie nicht loslässt. Und schließlich das Loslassenkönnen als Bedingung für die Nachfolge („imitatio“) Jesu und die (leidige) Frage nach dem Lohn (nach der „Belohnung“).

Ich versuche, Sie schrittweise an die Themen heranzuführen; manches überschneidet sich.

Jesus segnet die Kinder

Die Leute brachten aber auch ihre kleinen Kinder zu ihm, damit er sie anrühre; als die Jünger das sahen, fuhren sie die Leute an und wollten sie wegschicken.

Jesus aber rief die Kinder zu sich heran und sagte: Laßt die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran, denn solchen gehört das Reich Gottes (für ihres gleichen ist das Reich Gottes bestimmt). Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, wird nicht hineinkommen.

Jesu Gespräch mit einem reichen Vorsteher; von der Gefahr des Reichtums

Hierauf richtete ein Oberster (ein Vorsteher) die Frage an ihn: Guter Meister, was muß ich tun, um ewiges Leben zu erben (zu gewinnen)? (Jesus antwortete ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.) Du kennst die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen, nicht töten, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis ablegen, ehre deinen Vater und deine Mutter!

Darauf erwiderte jener: Dies alles habe ich von Jugend an gehalten. Als Jesus das hörte, sagte er zu ihm: Eins fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du besitzest, und verteile den Erlös an die Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.

Als jener das hörte, wurde er tief betrübt; denn er war sehr reich. Als Jesus ihn so betrachtete, sagte er: Wie schwer ist es doch für die Begüterten, in das Reich Gottes einzugehen! Ja, es ist leichter, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurchgeht, als daß ein Reicher in das Reich Gottes eingeht.

Da sagten die Zuhörer: Ja, wer kann dann gerettet werden? Jesus aber antwortete: Was bei Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Nachfolge Jesu

Da entgegnete Petrus: Siehe, wir haben, was wir hatten, verlassen und sind dir nachgefolgt. Er aber sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Frau oder Brüder oder Eltern oder Kinder verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Liebe Gemeinde!

Es hat lange Zeit gedauert, bis sich die Christenheit nicht nur in der Erziehung, im Religionsunterricht sowie im kirchlichen Unterricht um die Kinder bemühte, wobei diese eher Adressaten theoretisch mehr oder weniger ausgeklügelter Theorien und didaktischer Entwürfe aus der Religionspädagogik und Konzepten für Katechese im Kindergarten, Kirchlichen Unterricht und Konfirmandenunterricht waren, als dass man in den Kindern ernstzunehmende Gesprächspartner gesehen hätte.

Immerhin gibt es spätestens seit Beginn des 21. Jh. Bemühungen um eine konsequente Theologie, nicht nur für Kinder, sondern mit Kindern. Es geht um verschiedene Arten und Ebenen, Kindern zu begegnen, wo es um biblische, philosophische, ethische, gesellschaftliche Fragen geht, die zum Teil auch von Erwachsenen (auch Theologen) bislang nur unzureichend oder gar nicht beantwortet sind. Grundlage für diese lebenswichtige Wende ist das biblische Bild von Jesus, der Kinder als Vorbilder ansieht (Mt 18,3 und Lk 18,15–17):

Ich versichere euch: Wenn ihr euch nicht ändert und den Kindern gleich werdet, dann könnt ihr in Gottes neue Welt überhaupt nicht hineinkommen.

Jesus aber rief die Kinder zu sich heran und sagte: Laßt die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran, denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen.

Solchen (den Kindern) ist (gehört) das Reich Gottes. Ich sehe weder sprachlich noch inhaltlich Anlass, diese gewichtige Aussage des Nazareners im übertragenen Sinn zu verstehen. Unter Geistlichen und Gemeindevertretern habe ich gelegentlich provozierend die Meinung vertreten, dass die übermäßige kirchlich-theologische Betonung der Taufe die größere Bedeutung überdecke, welche die Segnung der Kinder für das christliche Leben habe: Der Status der Zugehörigkeit der Kinder zum Gottesreich kann durch die Taufe nicht eingeholt oder gar übertroffen werden.

In der Psychologie hat man (weitaus früher als die Theologie) erkannt, dass eine Persönlichkeit den Status des Kindes, des Heranwachsenden, des Erwachsenen bewahren und nur unterschiedlich akzentuieren sollte. Wenn jemand nicht nur ständig als Erwachsener auftritt, sondern vielmehr auch zu seinem Status als Kind steht, können Eigenschaften aus ihm hervorkommen wie gesunde Neugier, Offenheit, vertrauensvoller Umgang mit Menschen in der Familie und sogar am Arbeitsplatz. Als eine der berühmtesten und intelligentesten Persönlichkeiten ist der Physiker Albert Einstein bekannt, der sich (gerade) bei allen enormen geistigen Herausforderungen und seiner noch für die Nachwelt sehr bedeutsamen Forschung stets ein kindliches Gemüt bewahrt hat.

Einstein vertritt kein personales Gottesbild, aber er glaubt an eine kosmische Intelligenz und Kraft:

„Das Wissen darum, dass das Unerforschliche wirklich existiert, dass es sich als höchste Wahrheit und strahlende Schönheit offenbart, von der wir nur eine dumpfe Ahnung haben können, dieses Wissen und diese Ahnung sind Kern aller wahren Religiosität. Meine Religion besteht in demütiger Anbetung eines unendlichen geistigen Wesens höherer Natur, (…). Diese tiefe gefühlsmäßige Überzeugung von der Existenz einer höheren Denkkraft, die sich im unerforschlichen Weltall manifestiert, bildet den Inhalt meiner Gottesvorstellung.“ „Das tiefste und erhabenste Gefühl, dessen wir fähig sind, ist das Erlebnis des Mystischen. Aus ihm allein keimt wahre Wissenschaft. Wem dieses Gefühl fremd ist, wer sich nicht mehr wundern und in Ehrfurcht verlieren kann, der ist seelisch bereits tot.

„Die religiösen Genies aller Zeiten waren durch kosmische Religiosität ausgezeichnet, die keine Dogmen und keinen Gott kennt, der nach dem Bild des Menschen gedacht wäre.“

„Es scheint mir, dass es die wichtigste Funktion der Kunst und der Wissenschaft ist, dies Gefühl unter den Empfänglichen zu erwecken und lebendig zu erhalten. Ein Zeitgenosse (Max Planck) hat nicht zu Unrecht gesagt, dass die ernsthaften Forscher in unserer im Allgemeinen materialistisch eingestellten Zeit die einzigen religiösen Menschen sind.“ – „Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind.“

Einstein und andere erfolgreiche Naturwissenschaftler gelangen zu bahnbrechenden Erkenntnissen und oft auch praktischen Ergebnissen, indem sie bislang scheinbar unerschütterlich geltende Gesetze (z.B. sog. absolute Konstanten, eherne Gesetze der Mechanik) in Frage stellen. Genau das haben sie mit Kindern gemeinsam: Fragen. Lange bevor das Jahrbuch für Kindertheologie (ab 2002) erscheint, hat der ev. Religionspädagoge Hans-Dieter Bastian sein Buch Theologie der Frage (1969) publiziert, stößt damit aber auf keine nachhaltige Resonanz. Doch liest man im JaBuKi 5 (2006), man wolle die

„Fragen des Kindes in das Ensemble der Fragen des Menschen nach sich selbst (…) als Bereicherung der Fragestellungen des erwachsenen Menschen“ aufnehmen.

Man wolle „inmitten des gebrochenen Verhältnisses des Erwachsenen gegenüber der Zeit“ das Kind und sein Verhältnis zur „Langsamkeit als zeitbezogene Gelassenheit“ als Vorbild wahrnehmen.

Das Fragen des Kindes verstünde man „als Voraussetzung für die Entwicklung des Urvertrauens beim Menschen“. Das kindliche Fragenstellen ist mit einer Offenheit für die Wirklichkeit verbunden und mit der Bereitschaft, sich selbst in Frage zu stellen. Man entdeckt mit den Kindern eine „Kultur des Fragens“ neu. „Das Kind ist Frage in Person.“ (F.F. Spengler: Kindsein, JaBuKi 5 (2006), 38–48: 43ff)

Verblüffend, dass Jesus von den Kindern sagt, ihnen gehöre Gottes Reich, doch sie entsprechen z.B. dem Vorbild des unbesorgten Menschen: ein Kind lebt jeweils im Heute, denkt weniger oder noch gar nicht an morgen. „Kinder sorgen sich weder um materielle, noch um ideelle Güter der Zukunft, sondern leben aus dem, was ihnen jeden Tag zur Verfügung steht“ (Spengler: Kindsein, 42).

Damit stehen und verhalten sich Kinder im krassen Gegensatz zu den meisten Erwachsenen in den Ländern des Turbokapitalismus, die alles andere als „unbesorgt“ oder sorglos leben (müssen?). Man lebt weitestgehend nach Plan; der Alltag ist straff durchorganisiert; Ablauf und Inhalt der Tätigkeiten sind mehr oder weniger genau strukturiert. Das Ganze vermittelt Sicherheit und Verlässlichkeit. Je erfolgreicher jemand sein will, desto engmaschiger wird sein Leben, bis ein solcher Mensch merkt (wenn überhaupt), dass er bereits derart abhängig ist vom Zeitmanagement, von vorgegebenen Mustern und Arbeitsabläufen. Die Erkenntnis schmerzt: letztlich wird man gelebt!

Ist das nur ein Klischee? Ich fürchte nicht – im geschäftsmäßigen Management endet das berufliche Engagement nicht selten mit dem ersten Herzinfarkt bei Anfang Dreißig! Nach meiner Kenntnis gibt es nur relativ wenig Reiche, die sich darauf ausruhen (können), so begütert zu sein; die meisten müssen oder mussten sich Geld und Eigentum sauer verdienen. Dabei kommt es noch darauf an, welche innere Haltung sie ihrem Reichtum gegenüber aufbringen. Wer noch einen gewissen Abstand wahrt und nicht in falsche Abhängigkeit gerät; wer Geiz und Habgier nicht aufkommen lässt, wer charakterlich nicht schlechter und nicht besser ist als Ottonormalverbraucher oder arme Leute, dem mag sein Reichtum nicht im Wege stehen, um Jesus nachzufolgen und am Gottesreich Anteil zu bekommen.

Doch der Rabbi aus Nazareth bleibt hartnäckig: „Eins fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du besitzest, und verteile den Erlös an die Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“

Nicht umsonst wird das LkEv häufig das „Evangelium der Armen“ genannt; wir finden darin immer wieder eine deutliche Kritik am Reichtum und eine vorherrschende Solidarität mit den Armen und Elenden. Nun wäre es verfehlt, Lukas oder gar Jesus zu unterstellen, sie würden sich ihrerseits von Neid und Missgunst leiten lassen. Ich stelle mir eher vor, dass der Nazarener ausnahmslos jedem Menschen „alles Gute dieser Erde“ gönnt, solange er sich nach dem Wesentlichen ausstreckt, nach dem Reich Gottes, in der Nachfolge Jesu:

Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Familie verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Den biblischen Gedanken einmal weiterführend: Es kommt nicht darauf an, wie viel oder auch wie wenig jemand besitzt, sondern darauf, ob ich vom Materiellen abhängiger bin als vom Immateriellen, Geistigen und Geistlichen, ob ich meine ganze Existenz auf Vergängliches baue oder nicht auch und noch viel stärker auf Unvergängliches.

Schauen wir uns die grauenhaften Verhältnisse an, in denen die meisten Menschen auf unserem Planeten leben: Abschlachten von Minderheiten, Kriege, Hunger und Klimakatastrophen usw. Ich bin es allmählich leid, davon zu reden, wo sich ja doch nichts ändert. Mich plagt oft genug ein schlechtes Gewissen, weil ich vergleichsweise lebe wie die Made im Speck.

Was bedeutet in dieser Hinsicht Nachfolge Jesu, Anteil bekommen und Anteil geben am Gottesreich? Ich kenne einige hervorragende Institutionen und Organisationen, die sich kompetent engagieren; ich könnte aber „nur“ ehrenamtlich mitarbeiten, muss aber selbst eine Familie ernähren – doch:

Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der Haus oder Familie verlässt um des Reiches Gottes willen, der es nicht vielfach wieder empfange in dieser Zeit und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.

Ein beliebtes, verbreitetes Mittel der Bibelinterpretation besteht in der Relativierung der Aussagen, die in ihrer Absolutheit und Ausschließlichkeit kaum zumutbar erscheinen. Somit könnte man in etwa sagen, es ginge einfach darum, Besitz und Eigentum wie auch Familie nicht die Priorität einzuräumen, sondern sie gegenüber der Nachfolge Jesu (etwas) hinten anstehen zu lassen. Aber wie kann man das realisieren? Ist man nicht viel zu bequem? Ist mir das Wohl des Kindes für Gegenwart und Zukunft nicht im Grunde wichtiger als Arbeit am Reich Gottes oder Nachfolge Jesu?

Vielleicht verstehe ich aber auch den Anspruch Jesu verkehrt. Es könnte ja sein, dass Nachfolge Jesu und Arbeit am Reich Gottes auch darin besteht, dass man sich um die Familie kümmert und das zum Leben Nötige anschafft. Vermutlich geht es tatsächlich um die innere Haltung, die wahren Motive und die Frage der Abhängigkeit. Weder Besitz noch Familie dürfen zum Selbstzweck werden oder zum Selbstläufer. Wenn man z.B. anerkennt, dass man letztlich nicht Herr und Meister seines eigenen Lebens ist, sondern dass man sich einer höheren Instanz (wie auch immer) verdankt, dass man nicht alles in der Hand hat, sondern im Grunde sehr begrenzt ist, dann wird man niemals Frau oder Kind als sein Eigentum betrachten. Vielmehr wird man sie als freie Wesen achten, zumal man selbst sehr viel Wert auf die eigene Freiheit legt.

Natürlich trägt unser Leben seine Früchte, und die kostbarsten sind uns geschenkt: Lebenspartner, Nachwuchs, Freunde, und nicht zu vergessen: wir selbst! Die Art, wie wir unsere Akzente setzen, wird darüber entscheiden, wie stark unser Leben von einer Quelle gespeist wird, über die wir nur bedingt verfügen können. Liegt unser Schwerpunkt bei dem, was biblisch Herrschaft Gottes und Nachfolge Jesu heißt, dann wird unser Leben eine ungeahnte Qualität finden, dann werden wir erfahren, dass unser Leben und das unserer Familie getragen wird. Was leider nicht bedeutet, dass wir vor allem Leid oder vor allem Bösen bewahrt werden.

Sieht man den scheinbar schwierigen Ausdruck „ewiges Leben“ im Zusammenhang mit anderen biblischen Texten, wird klar, dass ewiges Leben zeitlosen Charakter, eine zeitlich übergeordnete Dimension bezeichnet. Ich sehe darin eine Art besonderer Lebensqualität, eben nicht im materiellen Sinn, wie es in unserer Gesellschaft in aller Munde ist. Ewiges Leben befähigt uns zur Unabhängigkeit und Freiheit gegenüber allem, was uns unnötig bindet oder gar unterdrückt; es beschenkt uns mit Gaben, die zur Weitergabe an unsere Mitmenschen geeignet sind. Ewiges Leben bereichert uns, so dass wir im tieferen Sinn glücklich (glückselig; makarios) werden und andere anstecken.

Gestatten Sie mir einmal ein persönliches Beispiel: In jungen Jahren habe ich einmal für zwei Jahre mein Studium unterbrochen, um es besser finanzieren zu können. Putzen bei der Gebäudereinigung, Zeitungen austragen, beim Sozialamt als Heimhelfer in Frauenwohnheimen waren meine Tätigkeiten. Meine Studentenbuden, die ich je nach Lage der Arbeitsstelle wählte, mussten schließlich bezahlt werden. Einmal bewohnte ich eine nicht beheizbare Altbauwohnung mit kaputtem Badeofen – im Winter, die relativ günstig war. Dann zog ich aber bequemere Zimmer, zuletzt ein Appartement vor.

Oft hatte ich zum Monatsende kein Geld mehr, um einzukaufen; just als meine Vorräte erschöpft waren, erhielt ich am nächsten Tag anonym per Post ein Lebensmittelpaket. Ich musste unwillkürlich an Worte Jesu in der Bergpredigt denken (Mt 6,25):

„Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“

Erst viel später wurde mir der vorangehende Vers (Mt 6,24) ebenso wichtig: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

„Mammon“ ist ein altes aramäisches, hebräisches Wort und meint „zu Unrecht oder durch Betrug Erworbenes“. Das intelligenteste, treffendste Wort dazu finden wir wiederum im LkEv (16,9):

Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.“

Wenn wir einmal absehen vom biblischen Sprachgebrauch – damit wir nicht meinen, unser Leben nach einer bestimmten Begrifflichkeit bewerten zu müssen –, dann dürfen wir wohl verstehen, dass wir Entscheidendes von Kindern lernen können, weil sie dem Leben gegenüber offen sind; weil sie Vertrauen haben; weil sie ihre Begrenztheit annehmen; weil sie zunächst außer Spielzeug nichts selbst besitzen und dennoch glücklich sind; weil sie endlos Fragen stellen; weil sie von einer Neugier angetrieben werden, welche die Chance bietet, künftig die Welt zum Besseren zu verändern. Auch die Fröhlichkeit und das Lachen der Kinder wirken ansteckend. Selbst Sterben und Tod gegenüber sind Kinder gelassener, entspannter, weniger furchtsam als Erwachsene. Kinder haben wahrlich einen besseren, leichteren Zugang zu einer Dimension, die uns normalerweise (noch) verschlossen ist, oder von der wir uns im Laufe des Lebens immer mehr selbst ausgeschlossen oder entfernt haben.

Nachfolge Jesu bleibt „eine unerläßliche Forderung an jedes Christenleben. Ihre konkrete Gestalt wandelt sich (…). In schöpferischer Erinnerung werden Gestalt und Inhalt des biblischen Jesusbildes (…) für die je aktuelle Nachfolge fruchtbar gemacht“ (TRE 23, Art. Nachfolge Jesu II, 691).

Übrigens habe ich später erfahren, dass eine diplomierte Psychologin mir die Lebensmittelpakete immer rechtzeitig geschickt hat. Sie kannte mich aus einem studentischen Bibelarbeitskreis. Sie wusste sich sehr geschmackvoll und passend zu kleiden, hatte ein kindliches Gemüt und befand sich in der Nachfolge Jesu. Letzteres erkannte ich damals noch nicht, aber heute desto zuversichtlicher.

Amen.

Bemerkungen: Literatur

François Bovon: Das Evangelium nach Lukas, EKK III/2 (1996); F. Bovon, EKK III/3 (2001); Papst Franziskus: Das Evangelium des neuen Lebens. Christus nachfolgen – dem Menschen dienen, hg.v. Giuliano Vigini (2015); „Vielleicht hat Gott uns Kindern den Verstand gegeben“. Ergebnisse und Perspektiven der Kindertheologie, Jahrbuch für Kindertheologie 5 (2006); Ernst Bergemann: Kosmische Religiosität (Albert Einstein). Eine ganzheitliche und menschliche Perspektive. Zum 60. Todestag von Max Planck (1858–1947) am 4. Oktober 2007 [alle Zitate von A. Einstein dort mit Quellenangaben] (2007), 44–45 und 121 (Anm., Literaturverzeichnis).



Pfarrer Thomas Bautz
Bonn
E-Mail: thomas.bautz@ekir.de

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