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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Septuagesimae, 20.01.2008

Predigt zu Matthäus 25:14-30, verfasst von Johannes Værge

In dem Bild, das die Bibel für uns von Gott zeichnet, finden wir eine große Spannweite. In dem Stück aus dem Buch Hiob im Alten Testament: Gott als die überwältigende, verborgene Macht, das die Argumente oder der Überblick des Menschen nicht erreichen können. Die ultimative Macht - Das Buch Hiob verwendet die bildliche Sprache der Mythologie: Gott kann die Erde erschüttern, d.h. die gesamte uns bekannte Welt, er kann unsere Wirklichkeit aus ihren Fundamenten lösen; unser ganzes Universum ist in den Händen Gottes wie Pappe, so überwältigend ist Gott.

            Bildersprache, wie gesagt, eine Art und Weise, das Ultimative an Gott und Gottes Heiligkeit auszudrücken, die Tatsache, dass Gott für unsere Manipulationsversuche unerreichbar ist, keine Größe, die wir irgendwie behandeln oder begrenzen könnten, und deren Domäne wir niemals entfliehen können. Gott als die ultimative Instanz. Das überirdisch Unerschütterliche an Gott. Gott ist Gott, mögen alle Länder verwüstet sein. Vor allem und nach allem ist Gott. Das Reich Gottes.

            Gott ist größer als irgend etwas anderes als Gott. Und dabei ist das Wort "größer" auch nichts andres als unvollkommene bildliche Sprache, denn hier ist ja nicht die Rede von etwas, was messbar wäre. Es ist eine unsichtbare Macht.

            Wenn man es auf andere Weise sagen will, kann man von Gott als dem Schöpfer und Erhalter der Welt sprechen. Dass aus Gott das strömt, was bewirkt, dass es Leben und eine Welt gibt, und dass sie erneuert wird. Und dass alles Lebendige in sich zusammenfallen und in Leere versinken würde, wenn es Gott nicht gäbe - wenn Gott sich nicht strömen lässt, so dass, was nicht Gott ist, sein kann.

            Und dann auf der andern Seite: Das ganz Nahe und Schonende an Gott. Gott als der liebende Vater, als der, der wie kein andrer unser Vertrauen haben kann und der in grenzenloser Liebe seine Hände zu uns ausstreckt. Gott als der, der selbst das unbeholfenste Gebet hört, der den geringsten Seufzer des Menschen hört und versteht. Gott als der, der das Auge tröstet, wenn es weint.

            Der überirdisch mächtige Gott, der ganz nahe ist und vom kleinsten Seufzer bewegt wird.

            Ein altes Wort sagt, wie du Gott glaubst, so hast du ihn. So, wie du von Gott glaubst, so ist Gott für dich tätig.

            Das ist nun wohl kaum die ganze Wahrheit. Gottes Größe - um wieder dies etwas unbeholfene Wort zu verwenden - Gottes Größe besteht wohl auch darin, dass Gott hinter unserm Rücken wirken kann, gegen unsere eigenen Vorstellungen. Trotzdem ist ein Maß an Wirklichkeit in dem Ausdruck, wie du Gott glaubst, so hast du ihn.

            Man denke an die drei Männer in dem Gleichnis aus dem Matthäusevanglium, das wir gehört haben, die drei Knechte des Herrn, der ins Ausland reisen wollte. Es wird als Gleichnis für das Reich Gottes vorgestellt - aber kann der Herr, der als streng beschrieben wird, als jemand, der ernten will, wo er nicht gesät hat, - kann er ein Bild für Gott sein? Jesus lehrt uns ganz im Gegenteil Gott als den zu kennen, der so großzügig sät, dass das Meiste verschüttgehen muss, und doch sät und sät er. Aber im Zusammenhang des Gleichnisses ist es ja der dritte Knecht, der seinen Herrn auf diese Weise vor sich sieht - und wie er glaubt, so hat er ihn. Es könnte also wohl sein, dass wir den Herrn im Gleichnis als ein Bild für Gott sehen sollen - mit dem Bewusstsein, dass es ist, wie dieser Knecht Gott sieht; dass es ein Mensch mit begrenztem Gesichtsfeld ist, und dass Gott sich deshalb als ein harter Gott zeigt. ­ Wir hören nicht näher, was sich die beiden andern Knechte über ihren Herrn vorstellen, aber wir sehen, wie verschieden sie im Vergleich zu dem dritten Knecht handeln. Mit einem ganz andern Maß an Vertrauen, einem ganz andern Lebensmut. Auf sie wirkt der Herr wie einer, der Freimütigkeit und Tatkraft vermittelt. Was sie von ihrem Herrn empfangen haben, lassen sie weiterströmen, lassen sie Frucht tragen.

            Den dritten Knecht sehen wir als einen furchtsamen, sich selbst beschützenden Menschen. Er benimmt sich wie ein verdrießliches Kind. Er sieht seinen Herrn vor sich wie jemanden, den er sowieso nicht zufriedenstellen kann, und er wählt das kleinste Risiko. Er schließt sich ein, vergräbt das ihm Anvertraute, legt das Wertvolle in ein Erdloch. Er bremst damit das, was ihm vom Herrn zugeflossen ist. Seine Handlungsweise hält das Strömende auf.

            Wie ein verdrießliches Kind - wie viele Erwachsene sind. Mit Vorbehalten gegenüber dem Dasein, sie fühlen sich benachteiligt. Viele von uns kennen das als eine der weniger sympathischen Möglichkeiten in uns, mehr oder weniger auffällig. Aber wenn wir das anerkennen, dann wissen wir auch, dass genau aus dieser Verhaltensweise Freudlosigkeit, Unfruchtbarkeit - Finsternis und Heulen und Zähneklappern entstehen, gesagt mit den dramatischen Worten des Evangelisten.

            Wie ein verdrießlches Kind, habe ich gesagt. Nicht etwa, weil diese Haltung für ein Kind natürlich wäre, ganz im Gegenteil. Es ist die Haltung des geschädigten Kindes. Das natürliche Kind ist empfangsbereit und lässt es strömen, es ist damit auf eine wunderbare Weise gebend. Oft in höherem Maße, als wir Erwachsene es zu sehen vermögen. ­­­­­­- Nein, das verdrießlich Abschottende kennen wir gewiss vor allem als einen kindlichen Zug an Erwachsenen, an uns selbst. Man könnte es vielleicht eine Art Verschanzung nennen, um nicht erwachsen, verantwortungsbewusst, aktiv, teilnehmend sein zu müssen. Als beschützten wir etwas Schwaches, etwas Ramponiertes in uns. - Wir sind natürlich nicht Herren über das, was mit uns geschehen sein kann, was irgendwie einen inneren Schaden in uns verursacht hat. Aber ist nicht in einem jeden von uns auch etwas Gesundes, etwas Starkes? - als gäbe es verschiedene Stellen, auf die wir unsere Füße stellen können, und anstatt sie dahin zu stellen, wo tatsächlich fester Grund, wo Möglichkeit sein kann, zu stehen und gehen und etwas zu tragen, da kann es aussehen, wie wenn viele von uns irgendwie nicht mit den Bereichen in unserm Innern fertig werden können, wo die Unterlage geschwächt, wacklig geworden ist. Eine Neigung, gerade dahin zu streben - und dann sind wir verzagt, und die Welt ist verkehrt! Wir können mit unserm Blick das aussuchen, was uns die Möglichkeit gibt, uns zurückzuziehen, uns benachteiligt zu fühlen, ohne Vertrauen. "Herr, ich kenne dich als einen harten Mann, der erntet, wo er nicht gesät hat..." Ich kenne die Wirklichkeit, es ist mein gutes Recht, nicht froh zu sein, nicht freimütig zu sein, es ist mein Recht, das Strömende zu bremsen! - Oh, wie kindisch, wie typisch erwachsen! Was kennen wir eigentlich?

            Das Kind, was kennt es?

            Das Reich Gottes gehört den Kindern, hörten wir Jesus sagen bei der Taufe. Die Kinder - und diejenigen, die wie Kinder annehmen - haben Zugang zu einer Wirklichkeit, wo das Lebendige strömt, wo es empfangen und weitergegeben wird, Frucht trägt, zu mehr wird, als es zu Anfang war. Zugang zu dem Lichtvollen - aber damit zugleich zum Ernst des Lebens, zum Kampf, wenn es darum geht. "Geh hinein zu deines Herrn Freude!", wie es im Gleichnis hieß, denn du hast dich wie das Kind dem Leben hingegeben, mit offenen Händen empfangen, damit gearbeitet, es strömen lassen. Dort ist Freude, Licht. Dort ist das Leben lohnend.

            Keinem von den drei Knechten im Gleichnis wird mehr abverlangt, als sie leisten können.Ihnen werden Möglichkeiten anvertraut, jedem nach seinen Fähigkeiten und Voraussetzungen. Zum dritten sagt der Herr, er hätte die ihm anvertraute Summe ja nur zu den Wechslern, zur Bank bringen können; das ist nicht zuviel verlangt.

            Entscheidend ist also nicht, ob die Fähigkeiten groß oder klein sind, sondern wie das Gegebene verwaltet wird.

            Aber ist es dann des Menschen eigene Schuld, wenn ihm der Lebensmut fehlt und er seine Möglichkeiten nicht recht zu nutzen weiß?

            Nein, in vielen Fällen ist eine Krankheit die Ursache, oder es ist die Folge eines Schadens, wenn das Leben eines Menschen so verläuft, dass die Möglichkeiten in einemLoch, in einem Erdloch vergraben werden. Das zu überwinden, bedarf es der Hilfe von außen, und vielleicht wird die Blockade nie oder nur teilweise beseitigt. Unter allen Umständen haben wir vorsichtig zu sein mit unsrer Rede von Schuld in diesen Angelegenheiten.

            Aber noch einmal mögen wir an etwas denken, was für das Kind charakteristisch ist: Das Kind hat Mut, auch den Mut, seine Abhängigkeit zu erkennen und um Hilfe zu bitten. Und den Mut hat jeder von uns gehabt; das ist ein ursprünglicherer Zug in uns als das, was schief gegangen sein mag.

            Der Mut und die Gegenwärgtigkeit des Kindes. Der Kampf, Hilfe zu erreichen. Übertragen auf die Situation des Erwachsenen: Mut, seine Begrenztheit und Abhängkeit zu erkennen, sich um Unterstützung, um Hilfe zu bemühen - Gebet, vertrauensvolles Gebet, manchmal leidenschaftliches Gebet. Eine völlig anders fruchtbare Reaktion als verzagtes Gekränktsein, Verdrießlichkeit. Dies aus seiner Kindheit in sein Leben als Erwachsener mitzunehmen: auf eine stärkere Macht als die eigene gerichtet zu sein, und den Lebensglauben zu haben, der damit verbunden ist. Da strömt das Lebendige zu uns und durch uns, da trägt es Frucht.

            Und wir erkennen, dass es an einer Begrenzung unseres Blickfeldes liegt, wenn wir glauben, das Leben sei ein so harter Herr, dass Ernte verlangt wird, wo nicht gesät ist. Gott kommt uns entgegen mit andern Gesichtszügen als denen, die der dritte Knecht vor sich sah, im Glauben sehen wir Gott als den grenzenlos Gebenden, als den Gott der Liebe, als einen Sämann, der Vergebung, Segnung, rechte Führung, erneuerte Möglichkeiten sät, der weit und breit sät und nur hier und da ordentliche Ernte erhält und dennoch sät und sät. Großzügig, unermüdlich - merkwürdig lichterfüllte Satkörner - um uns fortzurufen von der Bahn, die auf Finsternis, Heulen und Zähneklappern, auf das unfruchtbare Leben gerichtet ist, um uns herauszurufen aus unserm Kreisen um das Schwache in uns, um das Lebenstaugliche in uns hervorzurufen, um unsern Fuß auf sicheren Grund zu führen. Mit dem Mut des Kindes, dem wiedergefundenen Mut des Kindes; freimütig den Kampf mit dem Leben aufnehmen. Empfangen, um Hilfe bitten, weitergeben, das tun, was wir tun sollen.

 

Amen



Pastor Johannes Værge
Hellerup (Dänemark)
E-Mail: johs.v(a)mail.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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