Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr (Volkstrauertag), 19.11.2017

Predigt zu Lukas 16:1-8, verfasst von Rudolf Rengstorf

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

 

Was haben Christen zu sagen an einem Tag, der an das unendliche Leid, das durch Kriege über die Welt gebracht wurde und wird, erinnert und der auch nicht dadurch erhellt wird, dass die großen Weltmächte gelernt haben und nun ihre Hauptaufgabe darin sehen, Frieden und Gerechtigkeiti zu entwickeln. Die Hoffnungszeichen, die es in früheren Jahren dafür gab, sind wieder verschwunden. Aufrüstung, unaufhörliche Stellvertreterkriege, kämpferischer Nationalismus und unkontrollierte Zerstörung der Schöpfung nehmen ihren Lauf. Haben Christen etwas dazu zu sagen?

Die sist das Bibelwort, über das heutre gepredigt werden soll. Es steht im 16. Kapitel des Lukasevangeliums:

 

Jesus sagte zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz.  Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein.  

Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln.  Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde.

Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig.  Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.  

Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.

 

Auf den ersten Blick scheint das nun überhaupt nicht zu passen; eine Gaunergeschichte ausgerechnet heute!

Doch wenn Jesus den Betrüger am Ende ausdrücklich lobt - dann muss da mehr drin stecken in der Geschichte. Mal sehen, ob wir damit etwas anfangen können. Es geht los damit, dass ein Mensch mit dem ihm anvertrauten Gut offenbar verschwenderisch umgegangen ist und ihm gekündigt wird.

Von Kündigungen sind auch in unserer Zeit Menschen betroffen. Und es sieht so aus, als würden es immer mehr. Nicht nur, weil ein großer Teil der Arbeitsverträge befristet ist, die Kündigung quasi eingebaut ist. Es gibt auch immer mehr Kündigungen außerhalb der Arbeitswelt. Kündigungen, an die damals noch gar nicht zu denken war. Ich meine die immer noch zunehmende Zahl von Ehe- und Partnerschaftsscheidungen. Oder an die uns alle betreffende Kündigung des Klimaschutzabkommens durch die USA:

Was soll ich tun, fragt der Mann in der Geschichte. Also nicht. Man hat mir übel mitgespielt, und ich bin dem allen hilflos ausgesetzt und muss mich halt in mein Schicksal fügen.. Pustekuchen! Diese Schicksalsergebenheit hat mit dem Geist der Bibel nichts zu tun.

Was soll ich und was kann ich tun? Nicht die anderen. Nicht die da oben. Nicht die Verhältnisse, die sich erst ändern müssen. Nein, ich bin gefragt - und das macht meine Würde aus, dass ich mich der Lage stelle, wie sie ist. Auch wenn ich die Kündigung in der Hand habe - entscheidend ist immer noch, wie ich damit umgehe, mit mir selbst umgehe. Noch bin ich da - unvertretbar.

Was also soll ich tun? Diese schreckliche Weinerlichkeit, die sich in unserer Gesellschaft breitgemacht hat, das unaufhörliche unzufriedene Gejammer und Genöhle - mit einem Schlag wäre es verflogen, wenn wir - wie Jesus sagt - wenigstens anständige Kinder dieser Welt wären. Die sind nämlich erwachsen und wollen nicht nur von anderen etwas haben, sondern selber etwas tun.

Und was hat dieser Mann getan?

Vor allem anderen an sich selbst gedacht. Auch darin - in diesem blanken Egoismus - ist diese Geschichte uns heutigen Menschen ganz nahe. Wenn wir nur findiger, phantasievoller, aktiver mit unserem Egoismus wären!

Der moderne Egoismus ist ja eher passiv, meldet ununterbrochen Ansprüche an. Also, wenn schon gespart werden muss, dann bitte bei den anderen. Und wo das Leben was zu bieten hat, da muss ich es haben, so viel und so schnell wie möglich.

Anders der Mann in der Geschichte. Der nutzt geistesgegenwärtig alle Möglichkeiten, die er noch hat, um sich Freunde zu machen, die ihn in ihren Häusern aufnehmen.

Ein Leben, in dem er allein wäre und sei er dabei auch mit noch so viel Konsumgütern umgeben - das hätte er ja durch seine Betrugsmanöver ebenso hinkriegen können so nach der Devise: Ihr kriegt Schulden erlassen. Aber einen Teil davon gebt ihr mir. Davon hätte er lange und gut leben können. Doch ein ein solches Leben, vollgestopft mit materiellen Gütern - das war für ihn zu wenig.

Für ihn gehörten Menschen dazu, das Aufgenommensein in Häusern, in denen gearbeitet und gefeiert wird, Häuser, in denen die Menschen miteinander reden und schweigen, lachen und weinen, singen, sich lieben und streiten und versöhnen, Häuser, die dem Leben Schutz, Geborgenheit und Ordnung geben.

Seht, so ein Egoist wird uns da vor Augen gestellt. Der den Traum, die Sehnsucht nicht vergessen hat, die uns allen ins Herz gegeben ist, die Sehnsucht nach dem vollen und beglückenden Leben. Wie kümmerlich ist demgegenüber ein Egoismus, der nicht genug kriegen kann von materiellen Gütern!

An diesem geistesgegenwärtigen Egoisten, sagt Jesus seinen Jüngern, nehmt euch ein Beispiel. - Für die mag das noch viel rätselhafter geklungen haben als für uns. Die hatten doch nun mal keine Güter und Vollmachten, über die der Haushalter da noch für kurze Zeit verfügte. Die Jünger - das waren doch bettelarme Schlucker. was hätten die wohl mit vollen Händen austeilen können, um sich Freunde und ein Leben in Glück und Geborgenheit zu verschaffen?

Alles - sagt Jesus - alles habt ihr. Er sagt das, indem er die Jünger gegenüber den Kindern der Welt als die Kinder des Lichts anspricht. Kinder des Lichts, weil ihnen aufgegangen ist: der Herr des Lebens, der uns eigentlich nur mit der Kündigung kommen kann, er ist zu uns gekommen, um uns zu seinen Hausgenossen zu machen, uns Heimat und Geborgenheit zu geben für immer. Was ist Jesus denn anderes gewesen als eine Mensch gewordene Einladung in das Reich Gottes - inmitten einer Welt, die sich von Gott losgesagt hat und die bedroht ist von mörderischer Eigenmächtigkeit.

Und wie sieht das nun aus, wenn die Kinder des Lichts sich ein Beispiel nehmen an dem geistesgegenwärtigen Egoisten in der Geschichte? Sie leben so, dass vom Licht der Liebe Gottes ein heller Strahl auf diese todverfallene Welt fällt und die im Leben Gekündigten und Verschuldeten wieder Licht sehen.

An einem von Trauer, Resignation und Ohnmacht beherrschten Tag wie diesem holen sie das Lied dieses Tages aus der Vergangenheit in die Gegenwart. Statt des „Ich hatt’ einen Kameraden“, singen oder denken sie. „Ich hab’ einen Kameraden, einen bessern findst du nicht.“ Weil er – Jesus Christus - der Menschheit, in die er um Gottes Willen eingegangen ist, die Treue hält und dem Tod nicht das Feld überlässt.

Und als Kinder des Lichtes nehmen wir uns gern ein Beispiel an einem Mann, der seine Zukunft dadurch sicherte, dass er anderen Schulden erließ. Dazu sind wir da - wenn auch nicht in riesigen Massen - aber in jeder Stadt und auf jedem Dorf genug, um Menschen, die an ihrer Lebensschuld schwer zu tragen haben, einen großen Teil weg zu nehmen, sodass sie wieder aufatmen und Freundschaften schließen können. Das können wir, weil wir mit Gott in einem Bunde leben, der nicht gekündigt wird. Amen.



Superintendenr i.R. Rudolf Rengstorf
Hildesheim
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