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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr (Volkstrauertag), 19.11.2017

Predigt zu Lukas 16:1-8, verfasst von Johannes Lähnemann

Predigttext: Lukas 16,1-8

1 Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz.

2 Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein.

3 Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln.

4 Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde.

5 Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?

6 Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig.

7 Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig.

8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts.

Liebe Gemeinde!

Bei dem Text, den wir eben hörten, erinnere mich an eine Szene im Lehrerzimmer einer Schule, in der ich Religionsunterricht erteilte. Ein Kollege sprach mich an: Wie können Sie mir erklären, dass ein so unmöglicher Text in der Bibel steht wie die Geschichte von dem unehrlichen Verwalter? - Hatte der Lehrer nicht Recht mit seiner kritischen Frage? Da wird von einem Verwalter erzählt, der seinen Herrn betrogen hat. Und als dann dieser Verwalter entlassen werden soll, setzt er noch schnell seine Gaunerei fort: Er lässt einfach Schuldurkungen fälschen, um später bei den Schuldnern seines Herrn ein angenehmes Leben führen zu können. - Das Ärgerlichste aber ist: Dieser Verwalter wird abschließend vom Herrn gelobt!

Zwei Fragen drängen sich auf: 1) Passt diese Erzählung zum heutigen Sonntag, zum Vokstrauertag? und 2) Passt dieser Texte überhaupt ins Evangelium?

Volkstrauertag: Das ist doch der Tag, an dem wir - und besonders die Älteren unter uns - der Wunden gedenken, die die schrecklichen Weltkriege geschlagen haben; es ist der Tag, an dem wir - die Älteren und ebenso die Jüngeren - von der Frage umgetrieben werden: Warum gibt es nach den schlimmen Erfahrungen des letzten Jahrhunderts immer noch Kriege - Bürgerkriege wie Kriege zwischen Völkern, Mehrheiten gegen Minderheiten, Volksgruppen gegen Volksgruppen, Religions- und Konfessionsgruppen gegeneinander, Kriege zum Machterhalt von Despoten, Stellvertreterkriege um Machteinfluss in anderen Regionen und sogar wieder Drohgebärden mit Atomwaffen? - Volkstrauertag, das ist doch der Tag, an dem wir alle - Alte und Junge - Ausschau halten nach Frieden und Gerechtigkeit, nach Beendigung der Ursachen für Flucht und Vertreibung, wovon auch wir in Deutschland wieder betroffen sind!

Und dazu nun dieser Text: Wird in ihm nicht gerade die Ungerechtigkeit gelobt? Steht er nicht direkt im Widerspruch zu den Geboten Gottes? - Wie soll man diese anstößige Geschichte verstehen? Wie kommt ein solcher Text überhaupt in die Bibel?

Ich will einmal eine provokante Behauptung aufstellen: Es ist gut, dass dieser Text in der Bibel steht. Gerade weil er so anstößig ist, nötigt er uns, genau hinzuhören, was Jesus sagen will. Und dann werden wir entdecken, dass auch wir mit diesem Beispiel angesprochen sind - ja, dass wir gerade heute am Volkstrauertag daraus lernen können.

Um diese Behauptung zu begründen, muss ich ein wenig ausholen. Wir müssen nämlich zu verstehen versuchen, was Jesus im Auge hat, wenn er Beispiele benutzt, wenn er Gleichnisgeschichten erzählt. - Jesus spricht zu den Menschen in Bildern. Diese Bilder sind immer so, dass auch die einfachsten Hörerinnen und Hörer mitvollziehen können, was da geschildert wird. Jesus greift die Bilder mitten aus dem Leben: der Sämann, der über das Feld geht; der Hirte, der ein Schaf verloren hat; der Freund, der nachts überraschend Besuch bekommen hat; der Reisende, der unter die Räuber gefallen ist - jeder kann sich diese Szenen genau vorstellen.

In den Gleichnissen wird die Welt nicht beschönigt; sie wird gezeigt, wie sie ist. Aber alle diese Bilder weisen über sich hinaus. Auch die unschönen, anstößigen Beispiele müssen einem Ziel dienen, sie müssen auf eines hinweisen: Sie sind Wegweiser im Blick auf die Herrschaft Gottes, auf seine gute neue Welt, wie sie in Jesus anbricht und wie sie guten wie bösen Menschen angeboten wird.

Deshalb kann man aus den Gleichnissen immer wieder einen Ruf heraushören - einen Ruf, der gerade die Schwachen, die Zögernden, die unsicheren Menschen ermutigen soll, den Ruf nämlich:

„Nehmt die Chance eures Lebens wahr! Ergreift die Chance eures Lebens!“

Um diese Chance unseres Lebens, die Chance, die Jesus zeigt, geht es auch heute, am Volkstrauertag. Und das möchte ich in drei Schritten deutlich machen, in denen ich den Ruf Jesu aufnehmen will:

„Ergreift die Chance eures Lebens“, das heißt:

  1. „Lernt von dem ungerechten Verwalter“,
  2. „Lernt aus dem Krieg“, und
  3. „Blickt auf das Kreuz!“
  4. „Lernt von dem ungerechten Verwalter!“

Da waren Menschen, die hörten Jesus zu. Das war keine erlesene Schar: Leute vom Lande - Fischer, Kleinbauern, einfache Handwerker. Aber es waren auch Männer und Frauen dabei, die man der sogenannten „Halbwelt“ zurechnen könnte: kleine Gauner, gelegentlich auch größere, die als Zollbetrüger galten, Frauen, die einen zweifelhaften Ruf hatten, Leute, die man bei den Untergrundkämpfern gesehen hatte - ein gemischter Haufen. - Sie hören dem Zimmermann aus Nazareth zu, der als Wanderprediger durch Galiläa zieht: ein Mann, der alle Konventionen und Erwartungen durchbricht; ein Mann, der die Zeichen der Nähe Gottes aufleuchten lässt: Blinde und Lahme heilt er, zu den Aussätzigen geht er - und um die Einfachen und Verachteten wirbt er; mit ihnen hält er Gemeinschaft, sie, die man fern von Gott wähnte. - Diese Leute mussten sich fragen: Wollen wir es wagen, Jesus zu folgen, sollen wir uns darauf einlassen, gilt der Ruf Jesu wirklich auch uns? - Und Jesus richtet eben diesen Ruf an sie, in immer neuen Bildern, mit Beispielen, die ihm wohl teilweise von seinen eigenen Zuhörern zugetragen wurden.

Da mag dann auch jemand hergelaufen sein und Jesus berichtet haben: „Hast du das schon gehört?! Die Geschichte von dem Verwalter? Der sollte wegen Veruntreuung entlassen werden! Und dann hat er sich aus der Affäre gezogen, indem er auf seine Korruptheit noch eins drauf setzte und noch schnell die Urkunden der Schuldner seines Herrn fälschen ließ!“ - Die Zuhörer Jesu werden gespannt gewesen sein. Das war ja die Welt, wie sie sie kennen! Was wird Jesus dazu sagen?

Jesus antwortet unerwartet. Er greift die Geschichte auf. Er sagt: „Genau so ist es mit dem Reich Gottes! Es geht doch um die einzigartige Chance eures Lebens. - Und wenn schon ein Betrüger all seinen Verstand, all seine Raffinesse darein setzt, nur um sein bequemes Lebens fortsetzen zu können - wie viel konsequenter, wie viel entschiedener müsstet ihr doch die Gelegenheit ergreifen, wenn euch Gottes Ruf erreicht“: der Ruf in eine neue Gemeinschaft, in der nicht nur der etwas gilt, der die vermeintlich reine Weste hat - oder der, der der raffinierteste Betrüger ist; sondern eine Gemeinschaft, die etwas spiegelt von dem Frieden Gottes, von der Liebe Gottes, von dem Füreinander-Dasein, bei dem die Schranken zwischen den Menschen nicht mehr unüberwindbar sind.

„Lernt von dem ungerechten Verwalter - von seiner Entschiedenheit, von seiner Zielstrebigkeit - für das viel größere Ziel, das ich euch zeige.“

Aus dem Negativen, aus dem Anstößigen lernen - lässt sich das übertragen? Können wir von hier aus zu dem Zweiten kommen:

  1. „Lernt aus dem Krieg“?

Ich denke, ich kann uns hier eine Geschichte erzählen, die dem Gleichnis vom ungerechten Verwalter so unähnlich gar nicht ist.

Ist es unserem Volk im 2. Weltkrieg nicht ebenso ergangen wie jenem Betrüger: Hat der Krieg nicht schonungslos den Betrug aufgedeckt, unter dem bei uns der Friede - dieses hohe Gut - verwaltet wurde? - Verschleudert war das Vermögen eines guten Zusammenlebens der Völker, verschleudert war die Kraft der Menschlichkeit durch den Nazi-Terror, durch die sogenannte Euthanasie, den Bombenkrieg und den entsetzlichen Holocoust. Wie viele haben damals - im Grauen des Tötens, des Sterbens und der Zerstörung - gesagt: „Ich weiß, was ich tun werde, wenn ich dieses überlebe: Alle meine Kraft wird dem Wiederaufbau gehören, alle meine Kraft will ich einsetzen für die Versöhnung - nie wieder Krieg! Das ist die Chance meines Lebens!“

Dieser Weg wurde nach dem Krieg von vielen Menschen und Gruppen versucht - längst nicht überall, aber doch an wichtigen Punkten: durch das Stuttgarter Schuldbekenntnis etwa, von führenden Persönlichkeiten der Evangelischen Kirche unterzeichnet, bereits im Jahr 1945, darunter mit Hanns Lilje und Martin Niemöller auch solche, die selbst in KZ und Nazi-Gefängnissen gesessen hatten. Darin heißt es: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden. Was wir unseren Gemeinden oft bezeugt haben, das sprechen wir jetzt im Namen der ganzen Kirche aus: Wohl haben wir lange Jahre hindurch im Namen Jesu Christi gegen den Geist gekämpft, der im nationalsozialistischen Gewaltregiment seinen furchtbaren Ausdruck gefunden hat; aber wir klagen uns an, daß wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.

Nun soll in unseren Kirchen ein neuer Anfang gemacht werden. Gegründet auf die Heilige Schrift, mit ganzem Ernst ausgerichtet auf den alleinigen Herrn der Kirche, gehen sie daran, sich von glaubensfremden Einflüssen zu reinigen und sich selber zu ordnen. Wir hoffen zu dem Gott der Gnade und Barmherzigkeit, daß er unsere Kirchen als sein Werkzeug brauchen und ihnen Vollmacht geben wird, sein Wort zu verkündigen und seinem Willen Gehorsam zu schaffen bei uns selbst und bei unserem ganzen Volk.“

Auf diese Erklärung hin haben die Kirchenvertreter der Ökumene und dabei auch der Länder, die unter der deutschen Aggression besonders gelitten haben, Deutschland die Hand gereicht zu einem Neuanfang.

Ein anderes Beispiel ist die Aktion Sühnezeichen - als ein Zeichen des Aufbaus unter Menschen, die besonders gelitten hatten. - Und in der Gesetzgebung der jungen Bundesrepublik wurde zielstrebig daran gearbeitet, dass von Deutschland nie je wieder ein Krieg ausgehen sollte.

Aber: Sind wie zielstrebig genug geblieben, sind wir entschieden genug geblieben, um dem Leben, um dem Frieden eine dauerhafte Chance zu geben? - Wie weit klaffen die Anstrengungen und Ausgaben für Rüstung und Waffenexport und die Sorge für die Hungernden und Leidenden auf der Erde auseinander?! In Deutschland gibt es ein Bemühen, die Verhältnisse zu verbessern: Von 2004 bis 2015 haben die Ausgaben für Entwicklungshilfe von 6 Milliarden auf 16 Milliarden zugenommen; aber die Militärausgaben liegen mit 40 Milliarden Euro immer noch 2 1/2 Mal so hoch.

Dabei sind wir alle selbst gefragt, wie zielstrebig wir für die Lebenschancen einer guten Menschengemeinschaft auf unserer Erde eintreten. - Um noch einmal zum Gleichnis Jesu zurückzukehren: Sehen wir nicht oft unsere Lebenschance wie der ungerechte Verwalter darin, unser Schäfchen ins Trockene zu bringen, unser Wohlergehen zu sichern, unbehelligt zu bleiben von den notvollen Seiten des Lebens? Prüfen wir doch einmal, wovon unsere Gedanken und Pläne am stärksten umgetrieben sind.

Wie, wenn wir alle die gleiche Zielstrebigkeit hätten im Einsatz für den Frieden? Wie, wenn wir uns unbeirrt dafür einsetzen, dass das Gespräch zwischen den verschiedenen Gruppen in unserer Gesellschaft - zwischen Alten und Jungen, zwischen Rechten und Linken, zwischen Christen und Muslimen - immer neu angefacht wird? Wie, wenn wir es uns zur Pflicht machten, vor fernem wie vor nahem Leid nicht die Augen zu verschließen, sondern - sei es auch nur an einer Stelle - regelmäßig Geld und Gedanken für ein hungerndes Kind in Afrika oder einen Geflüchteten bei uns zu verwenden? Wie, wenn alle Christen der Welt mit der Zielstrebigkeit des ungerechten Verwalters ihre Regierungen bedrängten, dem Rüsten ein Ende zu setzen?

Wir könnten nun sagen: Sicher, dieser Weg ist richtig. Sicher, dieser Weg ist not-wendig. Aber wie steht es um uns: Wie weit reicht unsere Fähigkeit, ihn zu gehen? Wie weit reicht unser guter Wille? Was können wir an unserem kleinen Ort ausrichten gegen die Machtstrukturen in der Welt?

Dies ist die Stelle, an der wir als Christen Ausschau halten können nach einer Kraft und Ermutigung, die größer ist als unser eigenes Vermögen, die uns führt und leitet und die uns nicht verzagen lässt. Eben diese finden wir in dem Ruf Jesu, die Chance unseres Lebens zu ergreifen; denn dieser Ruf geht nicht aus von unseren Fähigkeiten, sondern er geht aus von Gottes Liebe.

Jesus wendet sich mit ihm nicht nur an die Starken und Fähigen, sondern gerade auch an die Schwachen, die Mühseligen und Beladenen. Ja, die Lebenschance, die er zeigt, gründet zutiefst darin, dass er selbst das Unheil in Heil verwandelt, dass er den Weg Gottes nicht nur zeigt, dass er ihn vielmehr selbst geht - für die Menschen, die er ruft, und mit den Menschen, die ihm folgen. Er nimmt das Kreuz menschlicher Friedlosigkeit auf sich; er erfährt Verrat und Verleumdung; aber er zeigt, dass auch dieses menschliche Versagen, dass der menschliche Hass, je, selbst der Tod die Liebe Gottes nicht auslöschen können.

Der Ruf, die Chance unseres Lebens zu ergreifen, heißt darum in seiner tiefsten Bedeutung:

  1. „Blickt auf das Kreuz!“

Das Kreuz, das zum Zeichen des überwundenen Todes wird, ist der Anker für die oft so schwachen und so wenig verlässlichen Menschen, die Jesus gefolgt sind. Es ist der Halt für uns, die wir so oft an unsere Fehler und Grenzen stoßen, wenn es darum geht, an den Lebenschancen für unsere Welt zu arbeiten. Es verbindet uns über alles menschliche Versagen und Verschulden hinweg.

Eduard Lohse, der frühere Hannoversche Landesbischof, hat eine Geschichte erzählt, die das sehr sinnfällig verdeutlich. Er konnte in den 80-er Jahren des letzten Jahrhunderts einmal einige polnische Pfarrer in der Evangelischen Akademie in Loccum als Gäste begrüßen. Mit ihnen ging er auch über den Friedhof vor der alten Klosterkirche, um die Gräber der Äbte und Bischöfe zu besuchen. Als sie zum Grab von Landesbischof Marahrens kamen, fiel ihr Blick auf einen Gedenkstein, der für seinen am 3. September 1939 bei Graudenz gefallenen Sohn gesetzt worden war. Einer der polnischen Pfarrer stand tief bewegt vor dem Stein und sagte: „An diesem Tag ist auch mein Bruder bei Graudenz gefallen.“ - Die Erfahrung gemeinsamen Leides, hervorgerufen durch eine schuldverstrickte Geschichte, verband die Gruppe, die bei diesem Kreuz stand. Zugleich empfanden Deutsche und Polen deutlich, dass von dem Kreuz eine Versöhnung wuchs, die zu neuer Gemeinsamkeit und Verpflichtung wurde. Die Chance zur Versöhnung ergreifen: Das ist eine besondere Leistung der Kirchen in Deutschland gewesen, als sie die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn einleiteten, und zwar mit der Ost-Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland von 1965[1]. Hier wurde vorgedacht, was damals Politiker in Deutschland noch kaum auszusprechen wagten: Versöhnung mit den östlichen Ländern, verbunden mit einem Bekenntnis der Schuld Deutschlands. Im Jahr darauf richteten die polnischen Bischöfe während des 2. Vatikanischen Konzils einen Brief an die deutschen Bischöfe, in dem sie selbst Vergebung gewährten und um Vergebung für die Vertreibung baten.[2]

Wenn ich eine Hoffnung nennen darf, die mich in diesem Jahr besonders bewegt und die vom Kreuz Jesu her zu einem entschiedenen Einsatz für eine Zukunft angesichts von Krieg und Gewalt geführt hat, so ist es die Arbeit der evangelischen Schneller-Schulen im Nahen Osten, in Amman in Jordanien und in Khirbet Kanafar im Libanon. In den Schulen werden seit langem Kinder aus bedürftigen Familien, christliche und muslimische, unterrichtet und ausgebildet. In der Michaels-Kirche in Khirbet Kanafar in der Bekaa-Ebene, nur 30 km von der syrischen Grenze, finden sie sich täglich zur Andacht ein und werden geistlich für ihren Weg gestärkt. Dort ist nicht nur eine Gruppe syrischer Flüchtlingskinder aufgenommen. Es wird auch Flüchtlingsmüttern aus einem nahen Flüchtlingslager, die ohne ihre Männer fliehen mussten und keine Ausbildung haben, eine Ausbildung im Schneider- oder Friseurberuf angeboten, mit der sie dann selbst für ihr Einkommen sorgen können.

Ich möchte für uns alle erbitten, dass der, der das Kreuz getragen hat, uns den Mut und die Entschiedenheit schenken möge, nüchtern an Schritten mitzuwirken, die das Licht des Friedens, der all unser Denken und Vorstellen übersteigt, in unsere Welt hineinleuchten lässt.

 

[1] Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn. Eine evangelische Denkschrift. In: Frieden, Versöhnung und Menschenrechte. Gütersloh (G. Mohn) 1978. = Die Denkschriften der EKD 111, 77-126.

[2] Wiedergegeben in: Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen. Bd IV/2: Neuzeit, 2. Teil, ausgew., übers. u. komm. v. H.-W.Krumwiede u.a.. Neukirchen 1980, 200f..



Prof. Dr. theol. Johannes Lähnemann
Goslar
E-Mail: johannes@laehnemann.de

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