Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr (Volkstrauertag), 19.11.2017

Predigt zu Lukas 16:1-9, verfasst von Frank Leissler

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit uns allen. Amen. o.P.: Lk 16, 1-8 (L) Jesus sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Da sprach der Verwalter bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht, auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und sprach zu dem ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig? Der sprach: Hundert Fass Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. Danach sprach er zu dem zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig? Der sprach: Hundert Sack Weizen. Er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. Denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. Herr, segne reden hören und verstehen. Amen.   Meine liebe Gemeinde, der heutige Sonntag, der  vorletzte Sonntag des Kirchenjahres wird in der breiteren Öffentlichkeit Volkstrauertag genannt. An diesem Tag gedenken wir der Opfer von Krieg und Gewalt. Daran können wir uns als Christen ohne Vorbehalt beteiligen. Das war nicht immer so. Als der Volkstrauertag zuerst in der Weimarer Republik begangen wurde, sollte er zur Mahnung dienen, dass ein so schrecklicher Krieg wie der Erste Weltkrieg sich nie wiederholen sollte.   Doch gab es besonders in der evangelischen Kirche viele konservative Christen, die damit nicht einverstanden waren. Für sie lag darin eine Kränkung der Ehre der Gefallenen. Nicht zuletzt deshalb ist dieser Tag damals nie zu einem offiziellen Feiertag geworden. Erst die Nationalsozialisten haben ihn 1934 dazu gemacht und ins Frühjahr verlegt. Sie haben ihn aber „Heldengedenktag“ genannt und damit seinen Sinn ins Gegenteil verkehrt. Der Ruhm und die Ehre, fürs Vaterland zu sterben, das sollte jetzt seine Bedeutung sein - eine Vorbereitung für den längst geplanten neuen Krieg. Der Predigttext hingegen spricht vom ewigen Leben – und von Schuld und Vergebung. „Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung.“ Also, es sieht zunächst einmal nicht gut aus. „Er“ ist dahintergekommen. Wir können vielleicht die interne Revision betrügen, die Verwaltungsprüfung umgehen oder sogar die Bilanz fälschen. Meistens kommt es aber doch heraus, manchmal dauert es nur etwas. In den Nachrichten ist das nichts Neues, es gehört zu dem gewohnt traurigen Bild unserer Gesellschaft. Wenn man selbst betroffen ist, sieht das natürlich ganz anders aus. Panik! Entsetzen! Und die ratlose Frage: „Und was jetzt?“. Das Gleichnis Jesu stellt uns persönlich die Frage: „Wie ist es um uns selbst bestellt? Wie haben wir unsere Verantwortung denn so wahrgenommen? Wie haben wir uns benommen? Waren wir kleinkariert gegenüber anderen, aber bei dem, was uns selber betrifft möglicherweise etwas zu großzügig?“ Das könnte ja ziemlich leicht so sein. Die Schuld anderer zu erkennen, darin sind viele Menschen richtig gut. Die Verfehlungen anderer auszumachen fällt manchen überhaupt nicht schwer. Gemessen an einem biblischen Maßstab, selbst dann, wenn man das Jahr über kaum oder gar nicht in die Kirche geht. Doch leider sind die Leichen im eigenen Keller dabei nicht berücksichtigt. Die gibt es aber. Verborgen hinter Schränken, manche mit Spinnweben zugesponnen, fristen sie ein lichtlosen Dasein, doch vergessen sind sie nicht, schon gar nicht von anderen. Im Klartext: Menschen ohne Schuld gibt es nicht. Eine gute Idee nach der eigenen zu fragen, bevor man Gott bemüht auf die Schuld anderer zu zeigen. So wie mit dem Splitter und dem Balken im Auge, wenn Sie sich an dieses Bibelwort erinnern können. Wenn Sie nun in Rechnung gestellt haben, dass Sie auf einen gnädigen Gott angewiesen sind, weil Sie eben sind wie Sie sind, dann wäre es doch möglicherweise eine gute Idee, auch mit Ihren lieben Mitmenschen etwas großzügiger und weniger korintenkackerlicher zu sein. So Jesus, wenn er in dem heutigen Predigttext bildlich die anderen Schuldner erwähnt, denen der an sich ja untreue Verwalter einen Teil der Schuld erlässt. Warum übrigens nicht die ganze? Vielleicht, damit niemand Milde mit Schwäche verwechselt. Oder Güte mit einem Freifahrtschein. Es ist NICHT egal was wir tun oder lassen. Wie wir unserer Verantwortung gerecht werden. Es ist weder wahr noch in Ordnung, wenn wir uns selber damit rechtfertigen wollten, dass eben niemand perfekt ist, dabei aber nicht die anderen, sondern uns selbst meinen, auf das wir auch nicht nur auf die Idee kommen, ein schlechtes Gewissen zu haben. Wie geht das nun, anderen die Schuld zu erlassen? Wohlgemerkt übrigens die Schuld und nicht die Schulden, obwohl auch das mitunter eine gute Idee sein könnte. Ich schlage Ihnen etwas vor. Wie wäre es mit einer freundlichen Frage: „Du, ich habe wahrgenommen, es geht dir nicht gut. Ich kann einfach nicht vergessen, dass du mir weh getan hast oder Unrecht tatest. Ich kann es nicht vergessen und mein Gefühl ist auch dagegen. Aber weißt du, wir brauchen doch eine Zukunft. Ich kann nicht sagen: Schwamm drüber. Weggewischt und fort und vergessen, wie die unlösbaren Mathematik-Aufgaben an der Schultafel. Du wirst auf eine Art bezahlen. Aber ich komme dir entgegen.“ Jesus meint, eine solche Haltung würde Gott zum Lächeln bringen. Nicht, dass wir auf einmal keine Schuld mehr hätten. Er kann nicht einfach sagen: Schwamm drüber, weggewischt und vergessen, was immer wir getan oder versäumt haben. Doch auch Gott will, dass wir eine Zukunft haben, will  eine Zukunft mit uns. Wenn er uns entgegenkommt: Wie genau müssten wir eigentlich drauf sein, uns nicht zumindest ähnlich zu verhalten? Ist das wirklich so schwer? Natürlich nicht. Wir müssen nur von Zeit zu Zeit daran erinnert werden. Dazu muss man nicht mal gläubig sein. Die Leute, die vom Glauben keine Ahnung haben, verstehen dieses Prinzip mitunter besser, als die, die eigentlich fromm sein wollen. Wie ausgesprochen seltsam. So ist unser Text nicht nur eine Mahnung. Sondern eine Aufforderung, sich mit dem eigenen Verhalten gelegentlich etwas selbstkritisch auseinander zu setzen. Und: Das Evangelium spricht von einem gerechten und doch gnädigen Gott. Amen.



Pfarrer Frank Leissler
Rabenau
E-Mail: F.Leissler@web.de

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