Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Advent, 03.12.2017

Predigt zu Lukas 4:16-30 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Thomas Reinholdt Rasmussen

Der christliche Glaube ist Geschichte. Der christliche Glaube ist etwas, was einmal geschehen und passiert ist. Der christliche Glaube hat in der Geschichte stattgefunden.

Das ist das Kernpostulat des christlichen Glaubens, dass er eben nicht eine spekulative Philosophie ist, die in Köpfen von Menschen erdacht ist, sondern etwas, was geschehen ist. Etwas, was sich in der Geschichte ereignet hat.

Es ist geschehen. Es ist getan. Es ist vollbracht.

Und das ist ganz entscheidend, dass da etwas geschehen ist: Dass Christus Weihnachten geboren wurde, in eine Krippe gelegt wurde in einem Stall, und dass er aufwuchs, einherging und das Reich Gottes verkündigte, und dass er gekreuzigt wurde „unter Pontius Pilatus“, und am dritten Tage auferstand. Dass er in Bethlehem geboren wurde und in Jerusalem gekreuzigt wurde. Das ist nicht nur Fiktion, sondern in Zeit und Raum geschehen.

Denn es ist entscheidend, dass es in der Welt geschehen ist, die unsere ist. Und es ist klar, wenn wir dann davon erzählen, dann erzählen wir eine Geschichte von der Geschichte, und die wird sicher nicht ganz so wie das, was geschehen ist, aber sie erzählt von etwas, was geschehen ist.

Es ist geschehen. Es ist getan. Es ist vollbracht.

Das Christentum ist in der Geschichte verankert, und davon kann es nicht gelöst werden, ohne dass es zu etwas anderem wird, bzw. ohne dass es abstrakt wird und spekulativ.

Es ist geschehen. Es ist getan. Es ist vollbracht.

Und eben da liegt etwas Wunderbares, wenn wir Advent feiern. Denn der Kern des Advents ist das, was kommt. Was geschieht, kommt. Was geschieht, geschehen wird.

Auf den ersten Blick scheint Advent ja ein Widerspruch zu sein zu dem ganzen Evangelium, dass sich in der Geschichte abspielt, die vor 2000 Jahren in Bethlehem und Jerusalem stattfand. Denn Advent handelt von dem, was jetzt kommt. Nun geschieht es.

Aber das ist eben das Wunderbare am Christentum: Das Geschehene, das Getane und das Vollbrachte geschieht nun für uns. Es geschieht für uns. Es wird für uns getan. Es vollendet sich für und. Hier und jetzt.

Und eben darauf verweist das Evangelium dieses Tages: Es geschieht für dich. Was in der Geschichte geschah, was in der Geschichte getan wurde, was in der Geschichte vollbracht wurde – geschieht nun für dich. „Heute geht dies in Erfüllung“, wie Jesus sagt.

Das Wunderbare ist geschehen. Und das Wunderbare geschieht: Dass die Erzählung, die so gnadenreich klang, nun für uns geschieht, wie dies in der Kindertaufe geschieht: Dass die Erzählung von Leben, Freiheit und Freude für das Kind in der Taufe dem Kreuz und der Auferstehung Jesu entspringen und das Kind dadurch in diese Geschichte hineingestellt wird. In der Taufhandlung ist die Geschichte nicht nur das, was einmal geschehen ist, das Getane und das Vollbrachte, sondern etwas, was hier auch für dich geschieht.

Was sich in der Geschichte ereignet hat, wird für und hier und jetzt Wirklichkeit. Das ist Advent. Das ist Advent für uns.

Dennoch sehen die Leute in der Synagoge verwundert auf Jesus, denn ist es nicht bloß Josephs Sohn, der da redet? Das ist er ja. Das sind Worte, die von einer Person in Zeit und Raum gesprochen werden. Sie können nicht fassen, dass diese wunderbaren und gnadenreichen Worte von einem Menschen in der Geschichte gesprochen werden, der wie wir anderen gebunden ist von Leben und Tod. Ist es nur er, der da redet? Fragen sie.

Die Ewigkeit stößt auf die Zeit, und die Erzählung stößt auf die Geschichte. Aber wie kann etwas in der Geschichte gnadenreich zu uns sprechen? Worte, die von Gnade reden, von Freiheit und von Erlösung?

Diese Frage stellen die Leute in der Synagoge, und diese Frage stellen wir oft auch uns selbst. Ist das, was in der Geschichte geschah, nicht nur ein verlassenes Stadium? Können wir uns in dieser Weise an die Geschichte binden?

Das können wir natürlich nicht. Aber was geschah, was getan wurde und vollbracht wurde, kann in uns lebendig werden. Es kann auch bei uns geschehen. Es kann auch bei uns helllebendig werden. Das geschah mit den Worten vom Propheten Jesaja in der Synagoge von Nazareth, und das geschieht mit Jesus Christus für uns heute, wenn sein Wort und sein Leben für uns Wirklichkeit werden. Da kommt das, was geschehen und getan ist und vollbracht, auch zu uns. Da wird es auch Advent für uns. Da kommt die Fülle der Ewigkeit auch zu uns. Da ergeht frohe Botschaft an Arme, Befreiung der Gefangenen, ein Gnadenjahr für den Herrn. Advent ist dort, wo die Geschichte für uns Wirklichkeit wird.

Advent ist, wenn das, was geschehen und getan ist, vollbracht ist, bei uns geschieht getan und vollbracht wird. Da kommt Gott zu uns. Da lebt Christus bei uns. Das wird die Geschichte Wirklichkeit. Da sind wir im Evangelium.

Advent ist also, dass das Geschehene für uns geschieht.

Das weckt Jubel in der Synagoge. Dass es nun für sie geschieht. Aber Jesus verweist auf die Menschen in Sarepta und in Syrien, und er sagt damit, dass es nicht allein für uns geschieht, es geschieht auch für sie. Für die, die draußen stehen, die Verkehrten und Verstoßenen. Auch für sie geschieht es.

Die Gnade gilt auch ihnen.

Das weckt Wut in der Synagoge, und nun wollen sie Jesus umbringen. Das Grenzen sprengende Evangelium weckt Anstoß, und sie wollen ihn von einem Berg hinabstürzen. Denn das Wunderbare kann sehr wohl geschehen, aber dass es für alle geschieht, dass macht keinen Sinn. Nun muss man ihm den Mund verbieten, so dass er nicht mit seinen Worten das Evangelium an Orten und für Leute Wirklichkeit werden lässt, die nicht dazugehören.

Aber Jesus entzieht sich ihnen. Er bahnt sich einen Weg durch die und geht fort. Aber wo geht er denn hin?

Er geht hinaus in die Welt, und er geht hinaus zu dir und zu mir, um ein Gnadenjahr des Herrn zu verkünden, damit auch bei uns Advent werden kann.

Denn Advent ist, dass Gott zu uns kommt. Dass das, was in der Geschichte geschah, getan und vollbracht wurde, auch für uns geschieht. Das ist Advent: Der Herr kommt, Gott mit uns, Glauben harret seiner. Amen.

 



Propst Thomas Reinholdt Rasmussen
DK 9800 Hjørring
E-Mail: trr(at)km.dk

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