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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 17.12.2017

Miteinander warten in weitgespannter Hoffnung!
Predigt zu Römer 15:4-13, verfasst von Andreas Pawlas

Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre. Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« Und wiederum heißt es (5. Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!« Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!« Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.« Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

 

Liebe Gemeinde!

 

Dass man in der Adventszeit Geduld haben muss, das weiß doch jedes Kind. Dennoch ist es doch gerade für Kinder so schwierig, Geduld zu haben. Aber was für eine gute pädagogische Erfindung ist es da, durch das bedächtige und geduldige Entzünden der Adventskerzen - eine behutsam nach der anderen - die Spannung für Kinder einigermaßen aushaltbar zu machen. Und uns steht dabei natürlich auch vor Augen: wenn Spannung nicht ausgehalten wird, dann gibt es Zank und Streit.

 

Als wenn der Hl. Apostel das nicht nur in Bezug auf die Kinder gewußt hätte, sondern im Blick auf uns Menschenkinder alle, so werden wir zu Beginn unseres Bibelwortes ermahnt, einträchtig und einmütig untereinander gesinnt zu sein und einander anzunehmen. Und das nicht nur, um einfach keinen Radau zu machen, sondern weil das eben Christus Jesus entspricht. Sondern weil das eben Christus Jesus entspricht, in allem diesen Warten nicht zu zanken, sondern mit einem Munde Gott zu loben, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

 

Moment! Aber warum sollten eigentlich hier wir Erwachsenen gemeint sein? Denn wir gestalten doch das Christfest für die Kinder und haben damit doch gar nicht derart auf Überraschungen und Geschenke zu hoffen wie unsere Kinder! Und gibt es nicht sogar manche in unserer Zeit, die in der Adventszeit mit ihren Gedanken ganz wo anders sind und für die darum Advent und alle Weihnachtsvorbereitung nichts als lästige Mühsal bedeutet?

 

Wie gut, dass uns da dieses Bibelwort beinahe so etwas wie einen Vorhang aufzieht, damit nicht mehr verborgen ist, um was es eigentlich in der adventlichen Wartezeit geht, damit nicht mehr verborgen ist, wie eben alles von Ewigkeit zu Ewigkeit eingebettet ist in das göttliche Wirken und Fügen für den ganzen Kosmos. Nein, jetzt nicht zu bescheiden allein familiär, und allein auf die sonst so wichtige eigene Gefühlswelt konzentriert. Nein, der Horizont der adventlichen Wartezeit übersteigt alle Grenzen und ist höchst anspruchsvoll.

 

Denn diese vorweihnachtliche Zeit ist so gemeint, dass der Horizont der adventlichen Wartezeit mit unserem ganzen Verständnis dieser Welt, mit ihrem Anfang und Ende und unserem eigenen Leben mitten drin zu tun hat, wie es im Schöpfungsglauben ausgedrückt ist. Denn das ist doch der Sinn des Schöpfungsglaubens, dass wir eben nicht einfach in diese Welt blind hineingepurzelt sind, dass es eben kein blindes Schicksal ist, das das Universum von einer Katastrophe zu nächsten, von einem Knallen und Krachen zu nächsten, von einem brutalen Massaker zu nächsten taumeln läßt, sondern dass wir gewiß sein dürfen, dass letztlich - und so häufig gegen allen äußeren Augenschein - alles nach Gottes heiligem Willen und durch sein Wort gefügt und offenbart ist.

 

Natürlich leuchtet manchem in der heutigen Zeit ein solcher Schöpfungsglauben überhaupt nicht mehr ein. Aber auch das gehört zum Schöpfungsglauben, nämlich die Gewissheit, dass alle Einsichten oder Nichteinsichten irgendeines Zeitalters angesichts der Ewigkeit Gottes genauso vergehen werden, wie es schon immer geschehen ist. Und darüber hat das Volk Gottes immer schon seinen Schöpfer gelobt und gepriesen.

 

Und genau dieser Schöpfungsglauben mit allem was, dazu gehört, ist es, was uns - wie der Bibeltext sagt - zuvor zur Lehre, zum Begreifen, zum Weitersagen, zum Weitererzählen geschrieben ist. Warum? Doch damit wir aus der Geduld und dem Trost, welche aus dieser schriftlichen Überlieferung quellen, Hoffnung gewinnen, damit wir also hoffnungsvoll, getrost und dankbar leben können.

 

Und zu dieser Lehre und der sich daraus entfaltenden Geschichte gehört ebenfalls, dass sie nicht abgehoben und abstrakt ist, sondern nach Gottes Willen ein Ort hat. Wie warm und erwartungsgeladen klingen da in der Adventszeit die Namen dieser Orte wie etwa Jerusalem oder Bethlehem. Ganz selbstverständlich stehen sie uns als göttlich erwählte Orte vor Augen, als Orte, die mit der Verheißung Gottes für diese ganze Welt verbunden sind. Und so reden wir ganz unbefangen vom Volk Gottes, von Gott und seinem erwählten Volk.

 

Aber genau an dieser Stelle droht mit einem Male alle warme und erwartungsgeladene Adventsvorstellung zu zerreißen! Denn was zuerst überliefert wurde von der Zuwendung Gottes zu den Menschen dieser Welt, das scheint doch knallhart auszugrenzen! Denn was zuerst überliefert wurde zur Lehre in Heiliger Schrift, das scheint doch allein denen geschrieben, die zum Volk Israel gehören, die eben als Juden geboren sind, die sich an das gebotene Regelwerk halten, die sich dem Ritus der Beschneidung unterzogen haben usw.. Damit scheint jedoch leider für uns im regnerischen Mitteleuropa das, was zuvor zur Lehre geschrieben ist, schlicht nicht gemeint. Damit scheint für uns alle Ordnung und Hoffnung für den Kosmos nicht zu gelten.

 

Aber will sich da nicht alles in uns sträuben, so etwas zu hören? Fordert das nicht gerade dazu auf, dagegen zu protestieren? Gegen eine solche Ungerechtigkeit, da müsste doch geklagt werden! Und wenn das nicht ginge und das nicht erfolgreich wäre, was bliebe da anderes als Resignation und Depression?

 

Jedoch: Erwählung ist eben Erwählung. Da kann man nichts machen. Und sagen da nicht manche auch Ähnliches in Bezug auf die gegenseitige Partnerwahl unter uns Menschen: „Wo die Liebe hinfällt!“ „Da kann man eben nichts machen!“ Und ein verschmähter Liebhaber, der kann eben nur weichen, weichen in Resignation und Depression.

 

Aber vielleicht hilft es in dieser Aufregung, noch einmal auf den weiteren Text zu schauen. Denn da steht zwar, dass der im Advent erwartete Hoffnungsträger des Kosmos ein Diener der Beschneidung geworden sei, also dass damit eben alles das, was zuerst dem Volk Israel verheißen ist, auch wohl erfüllt wird, aber für uns Mitteleuropäer kommt doch dann das Entscheidende: nämlich, dass auch wir anderen Völker, also wir Heiden, Gott die Ehre geben sollen und dürfen um der Barmherzigkeit willen. Ja, in dem im Advent nach den Heiligen Schriften erwarteten, in dem Hoffnungsträger des Kosmos, will sich der ewige Gott aus Barmherzigkeit auch uns zuwenden. In dem zur Heiligen Nacht in der Krippe erwarteten Kind will sich der ewige Gott auch uns Randfiguren der Geschichte zuwenden. Gott will zur Heiligen Nacht Mensch werden, damit auch wir als zu fern und zu spät geborene von seiner Liebe umschlossen werden können. Gott will zur Heiligen Nacht Mensch wie wir werden und damit alle Grenzen in Zeit und Raum übersteigen, damit auch wir und unser Leben von Liebe, Hoffnung, Freude erfüllt werden können.

 

Und der Hl. Apostel weiß dann sogar zu belegen, dass diese Absicht Gottes bereits in den alten Schriften eigentlich so gemeint war und nun durch das Erscheinen Jesu Christi erfüllt wird, so wie es eben beim Propheten Jesaja (Jes 11,10) heißt: »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.« Ja, es stimmt, mit den von dem Propheten angesprochenen Völkern da sind wir gemeint! Auch wir! Alle Völker der Welt! Du und ich! Was für eine Botschaft!

 

Wie könnte man Angesicht einer solchen weltverändernden Botschaft noch zänkisch gegen den anderen sein? Oder wie könnte man Angesicht einer solchen weltverändernden Botschaft nicht einträchtig sein und Gott loben?

 

Wie sollte darum jetzt jemand von uns Erwachsenen sagen, Advent und Weihnachtsvorbereitungen seien lästige Mühsal und es ginge in der Adventszeit nur darum, sich auf Überraschungen und Geschenke für Kinder zu konzentrieren? Natürlich ist das so wichtig für die Seelen unserer Kinder. Und wohl dem, der das alles von Herzen und gut anfassen kann! Aber wir Erwachsene sind doch hier viel umfassender gefragt, uns im Advent in allem Warten und Gedulden auszurichten auf dieses weltgewichtige Geschehen, das unser ganzes Leben umschließen, verwandeln und froh machen will.

 

Natürlich wissen wir, dass die Größe und das Geheimnisvolle des erwarteten Geschehens unseren ganzen Verstand übersteigen wird. Aber das macht nichts. Für mich hört es sich so an, als wenn der Hl. Apostel schon mit so etwas rechnet. Sicherlich deshalb gibt er uns dann an diesem Adventssonntag diesen Wunsch mit auf den Weg, auf dessen Erfüllung wir uns mit Leib und Seele ausrichten dürfen:

 

Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Amen.



Pastor i. R. Dr. Andreas Pawlas
Kl. Offenseth-Sparrieshoop
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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