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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 17.12.2017

Predigt zu Römer 15:4-13, verfasst von Winfried Klotz

4 Denn was zuvor geschrieben ist, a das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. a) 1.Kor 10,11

5 Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr a einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, a) Phil 2,2

6 damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

7 Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob.

8 Denn ich sage: a Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, bum die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; a) Mt 15,24; b) Apg 3,25

9 die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht (Psalm 18,50): »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.«

10 Und wiederum heißt es (5.Mose 32,43): »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!«

11 Und wiederum (Psalm 117,1): »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker!«

12 Und wiederum spricht Jesaja (Jesaja 11,10): »Es wird kommen der Spross aus der a Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden; auf den werden die Heiden hoffen.« a) Offb 5,5

13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Liebe Gemeinde!

Hoffnung sollen wir haben, so sagt es uns der erste Vers unseres Bibelwortes aus dem 15 Kapitel des Römerbriefs. Hoffnung sollen wir haben! Nicht weil unsere Welt die Beste aller Welten ist, nicht weil wir selbst in Sicherheit und wohlversorgt mit allen irdischen Gütern leben – mag sein, dass es so ist – nicht weil Mächtige und Völker nach Ausgleich und Frieden streben – das Gegenteil scheint mir der Fall zu sein; Hoffnung sollen wir haben – JA, warum eigentlich? Etwa, weil wir bald wieder Weihnachten feiern und die Zeit des Advent uns wie jedes Jahr überfordert mit den vielen Weihnachtsfeiern, Weihnachtsmärkten, Kauf von Weihnachtsgeschenken? Überfordert mit der endlos uns überfallenden Werbung im Internet, den Medien, damit wir endlich kaufen, was alle kaufen und wir doch überhaupt nicht brauchen? Hoffnung sollen wir haben! Warum denn?

Vielleicht gehören wir zu dem Teil der Menschen, die nicht auf der Welle oberflächlicher Weihnachtsvorbereitungen mitschwimmen – mir fällt in diesem Advent auf, dass das Hauptproblem der Weihnachtsvorbereitungen in manchen Medien die Frage ist, welches tolle Menü es denn am Heiligen Abend für die bunte Schar der Familie aus Fleischessern und Vegetariern geben soll? – Ja, vielleicht ist das nicht unser Hauptproblem, weil wir zurzeit eher Verwundete und Geschlagene sind, getroffen vom wiederkehrenden Krebs oder belastet mit der Perspektive einer einsamen Weihnacht, weil der/die Partner/in vor kurzem gestorben ist. Vielleicht haben wir Tiefgang und fragen uns ernsthaft, ob und warum wir denn noch Hoffnung haben können?! Uns ist klargeworden, dass diese unsere Welt keinen ausreichenden Grund zu dauerhafter Hoffnung bietet.

Hoffnung sollen wir haben im Blick auf die Heilige Schrift, weil sie voller Zusagen Gottes ist! Voller Hoffnungsworte! Um das sagen zu können, muss man nicht Mahnung und Drohung ausblenden, wie sie sich auch in den Heiligen Schriften finden. Der kräftige Strom der heiligen Schrift wirkt Hoffnung und Leben, wo er auch hinkommt. Wo Menschen die Hoffnung schon längst aufgegeben haben, sagt das Gotteswort der Heiligen Schrift: Lass Dich nicht zu sehr erschüttern, sei nicht ganz und gar verzagt: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“ (EG 361, 1) Also: „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohlmachen.“ (Ps. 37, 5) Das sagt die Heilige Schrift nicht so dahin, wie es Menschen manchmal machen, die am Krankenbett trotz hoffnungsloser Lage dem Kranken zusprechen: „Das wird schon wieder“, und sich damit aus der Verantwortung stehlen, mit dem schwer Leidenden zu tragen. Nein, freundlich schaut uns Gott in Jesus Christus an und ruft uns zur Geduld und macht uns Mut, weil er mitträgt und Leben schenkt, auch wenn wir am Ende sind. Und die, die diese Botschaft ausrichten, sind Mitträger in der Spur von Jesus.

Also, um diesen ersten Gedanken abzuschließen, angesteckt von der Hoffnung, die Gott uns durch Jesus Christus schenkt, haben wir Hoffnung und tragen diese Hoffnung zu denen, die durch das dünne Eis irdischer Hoffnungen gebrochen, sich betäuben mit falschen Versprechungen oder allerlei käuflichem Tand. Hoffnungsträger sind wir adventliche Menschen!

Das Zweite: Eines Sinnes sollen wir sein, Jesus Christus gemäß, einmütig Gott loben und einander annehmen. Das ist Paulus Wunsch und Bitte zu Gott für die Gemeinde in Rom damals und genauso für uns heute. Eines Sinnes sein, einmütig, einander annehmen, das sind große Ziele und Aufgaben. Wer sein Herz und die christliche Gemeinde von innen kennt, weiß wie schwer der Weg zum Einssein ist. Es mag auch sein, dass manche dieses Ziel in Frage stellen: Sind nicht Streit und Auseinandersetzung nötig, damit der richtige Weg gefunden wird? Kann man mit der Forderung nach Einssein nicht wunderbar Kritik ersticken und eine Autokratie, die Herrschaft eines Einzelnen oder Weniger befestigen? Was steht positiv hinter dem Wunsch, die Gemeinde möge eines Sinnes sein, einmütig Gott loben und einer den anderen annehmen?

Bei Paulus gewiss nicht der Wunsch, seine eigene oder die Herrschaft anderer über die Gemeinde zu befestigen. Vielmehr das Wissen und die Erfahrung, dass es selbstzerstörerisch und absolut untragbar ist, dass Leute, die ihre Zugehörigkeit zu Jesus behaupten, zugleich andere bekämpfen, die ebenfalls von sich sagen, dass sie Jesus nachfolgen. Wer kann solche Christen, wer kann solche sich bekämpfenden christlichen Gruppen, wer wird Jesus Christus, auf den sie sich berufen, noch ernstnehmen? Gewiss muss der Streit um die Wahrheit geführt werden, gewiss darf es Diskussionen geben um den richtigen Weg, das richtige Verhalten, den passenden Stil. Aber doch so, dass sichtbar wird: da streiten Leute miteinander, die zusammengehören, sich im tiefsten annehmen, die trotz Diskussion und unterschiedlicher Meinung und Verhalten zu Jesus Christus gehören. Christen haben ein weites Herz, jedenfalls sollten sie ein weites Herz haben! So entspricht es Jesus Christus, durch den Gottes weites Herz für die sichtbar geworden ist, die in Distanz und Misstrauen gegen ihn gelebt haben.

Also achtet darauf, eines Sinnes zu sein, damit ihr einmütig Gott loben könnt. Wer meint, andere in Frage stellen zu müssen, stelle zuerst seine Motive in Frage. Warum ärgere ich mich, was stört mich eigentlich? Und wenn es vor allem um Äußerlichkeiten geht, um Fragen des Stils oder der Kultur – warum kann ich es nicht ertragen, dass z. B. neuere geistliche Lieder gesungen werden? - dann mach dein Herz weit. Aber mühe dich auch dann um ein weites Herz, wenn andere Fehler machen oder schuldig werden. Leider ist auch in der christlichen Gemeinde das „Schwarze-Peter-Spiel“ beliebt: wer ist dran schuld, ist oft die erste Frage, wenn es „suboptimal“ gelaufen ist. Beliebt ist es auch verärgert zuzuschauen, wie etwas misslingt; warum helfen, warum bessern, der/die Verantwortliche soll sich ruhig blamieren. Nachher kann ich dann ausführlich das Versagen erörtern.

Es gibt, so meine Erfahrung, ziemlich viel die Gemeinschaft zerstörende Selbstverwirklichung in der christlichen Gemeinde. Durchaus erfolgreich verfolgen solche Leute Ihre Ziele und werden dafür von anderen bewundert. Andere einbeziehen, mitnehmen auf dem Weg, warum? Das macht alles schwieriger und langsamer. Oder anders: Wenn ich die Gemeinde nicht voranbringe, tritt sie ewig auf der Stelle. Fehler können solche Leute schlecht eingestehen. Zurückstecken und Fehler eingestehen gilt auch in der christlichen Gemeinde als Schwäche. Und das, obwohl wir doch den verkündigen, der Schuld vergibt.

Ich will nicht zu lange bei dieser Not der Uneinigkeit verweilen. Es ist klar, Uneinigkeit ist ein entscheidendes Hindernis für Zeugnis und Dienst der Gemeinde. Da strahlt kein fröhliches Licht aus, wo Christen ihre Kräfte vertun im Gegeneinander. Da zieht nichts an und in die Gemeinde hinein, wo Annahme nicht gelebt wird. Da wird gemeinsames Lob Gottes zur herzlosen Liturgie und zum freudlosen Gesang. Einander annehmen kostet etwas: gefordert ist nicht Sympathie, sondern einander ertragen in aller Unterschiedlichkeit. Füreinander einstehen, es beginnt in der Fürbitte, ist notwendig um Jesus willen und einander Schuld vergeben. Dann wächst Gemeinschaft, dann fallen Grenzen, dann macht Gemeinde Spaß, dann wird Gott groß bei uns.

Schließlich: wir alle leben von Gottes Erbarmen, das jede/r empfängt im Vertrauen auf Jesus Christus, das sichtbar wird unter den Zeichen von Brot und Wein. Auch wenn der Weg miteinander dornig ist, entspricht er doch Gottes Absicht. Paulus hat damals die Zusammengehörigkeit von Juden und Heiden in der Gemeinde von Jesus Christus vor Augen. Da trafen Welten aufeinander. Die Brücke ist Jesus Christus und in ihm Gottes Treue und Erbarmen. Daran erinnernd schließt Paulus mit einer Bitte zu Gott, in deren Zentrum das Wort Hoffnung steht. Wo Hoffnung auf Gott ist, da ist ein Vorgeschmack des neuen Lebens, das Gott allen schenkt, die Jesus Christus vertrauen. Paulus bittet:

„Ich bitte Gott, auf den sich unsere Hoffnung gründet, dass er euch in eurem Glauben mit aller Freude und allem Frieden erfüllt, damit eure Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes immer stärker und unerschütterlicher wird.“ (Übersetzung Gute Nachricht Bibel, V. 13) Amen.



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König
E-Mail: winfried.klotz@web.de

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