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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 17.12.2017

Zusammen an einem Tisch
Predigt zu Römer 15:14-30, verfasst von Suse Günther

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. AMEN

Rö. 15,4-13

Denn was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben. Der Gott der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr unter euch einträchtig gesinnt seid, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig und mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob. Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Juden geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, die den Vätern gegeben ist. Die Heiden aber sollen Gott loben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: Darum will ich Dich loben unter den Heiden und Deinem Namen singen.

Und wiederum heißt es: Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk. Und: Lobt den Herrn, alle Heiden, und preist ihn, alle Völker. Und Jesaja sagt: Es wird kommen der Sproß aus der Wurzel Isais und wird aufstehen, um zu herrschen über die Heiden, auf den werden die Heiden hoffen. Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass Ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

 

Liebe Gemeinde!

Wir haben eine große Familie. Und so treffen wir uns relativ häufig zu Familienfesten, irgendjemand hat immer Geburtstag. Immer wird zu diesen Gelegenheiten auch ein schönes Essen gekocht.

Das allerdings ist nicht ganz einfach. Denn meine Schwester hat drei Pflegekinder, von denen zwei aus Afghanistan kommen. Dort gehört Fleisch, allerdings auf keinen Fall vom Schwein, unbedingt auf den festlichen Speiseplan.

Eine meiner Töchter dagegen lebt vegetarisch und will auf gar keinen Fall Fleisch. So beginnen die Überlegungen schon vorher: Rinderbraten und genügend Beilagen, mit denen auch ein Vegetarier glücklich werden kann.

Mein Schwager ist Türke, der steuert opulente türkische Vorspeisenplatten zum Menu bei mit viel Schafskäse. Sie ahnen schon: bei uns steht keiner hungrig vom Tisch auf, alle profitieren von der Begegnung, gelebtes „Mulitkulti“ – um das Modewort zu benutzen.

Es könnte auch anders sein: Man könnte sich über diese ganzen Extravaganzen gründlich in die Haare bekommen, so dass einem die Freude am Feiern vergeht.

An dieser Stelle befindet sich Paulus mit seiner Gemeinde in Rom.

Dort sind verschiedene christliche Gruppierungen aufeinander getroffen, die sich nicht einigen können über den Speiseplan. Die sich auch gegenseitig vorwerfen, keine richtigen Christen zu sein, weil sie das Falsche essen.

Die Heidenchristen, die ursprünglich aus der römischen Kultur mit vielen Göttern für viele Zuständigkeitsbereiche kommen.

Und die Judenchristen, die einmal Juden waren.

Die Heidenchristen dürfen nicht nur alles essen. Sie nutzen auch die Gelegenheit, um billiges Fleisch zu erwerben, das vorher auf den Götzenopferaltären gelegen hat.

Für Judenchristen ist das absolut undenkbar. Es dürfen ja sowieso nur bestimmte Fleischsorten gegessen werden.

Schweinefleisch ist absolut tabu. Und wenn das dann vorher auch noch auf einem Altar für römische Götter geopfert wurde: Unmöglich.

Man könnte voneinander profitieren, voneinander lernen. Aber die jeweiligen Christen fühlen sich durch die andere Gruppierung angegriffen und können damit nur so umgehen, dass sie sich verteidigen, ihre eigenen Grenzen sehr deutlich machen und einen Zaun um sich errichten, der nicht überschritten werden darf.

 

Szenenwechsel:

Ich komme als Seelsorgerin in ein Krankenzimmer, stelle mich vor und besuche den evangelischen Patienten, der dort liegt. Frage auch nach dem Zimmergenossen, und bekomme die Rückmeldung: „Ich bin von de anner Pardei“ Darauf meine regelmäßige Antwort: „der liebe Gott ist nicht evangelisch oder katholisch“

Damit teile ich die Meinung der Patienten, die sich allerdings noch sehr gut an eine Zeit erinnern konnten, wo das alles ganz anders war. Getrennte Volksschulen: Die evangelische Volksschule Brenschelbach und die katholische Volksschule Peppenkum. Und wer in Riesweiler wohnte und evangelisch war, der musste nach Brenschelbach vier km durch den Wald laufen. Wer katholisch war, für den führte der Schulweg zwei km nach Peppenkum die Landstraße entlang.

Und in fast allen Haushalten war die erste Frage, wenn die zu erwartende Schwiegertochter vorgestellt werden sollte, die Frage nach der Konfession.

Wir haben dazu gelernt. Heute geht die evangelische Oma mit dem katholischen Enkelkind vor der ersten heiligen Kommunion in die katholische Messe, weil die katholische Schwiegertochter dazu keine Zeit hat.

Wir haben dazu gelernt, zwangsläufig. Denn heute tut es uns weniger werdenden Christen gut, wenn wir uns gegenseitig zu erkennen geben, uns gegenseitig unterstützen. Wir haben zwangsläufig dazugelernt und sind ganz nebenbei beschenkt worden. Denn ein großer Reichtum wird uns zuteil aus den anderen Konfessionen, der uns bisher verborgen blieb.

So weit ist Paulus mit seinen Römern allerdings noch nicht. Er steht noch ganz am Anfang.

Das kleine Einmaleins des gemeinsamen Lebens vermittelt er seiner Gemeinde, wenn er schreibt: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob“

Lasst einander gelten, erachtet einander als wertvoll, weil Jesus Christus euch alle gelten lässt und ihr ihm alle wertvoll seid.

Das grundsätzliche Glaubensbekenntnis des Paulus und viel später auch des Martin Luther:

Ihr seid zuerst beschenkt von Gott. Deshalb könnt ihr weitergeben. Euch ist Gnade zuteil geworden, bevor ihr irgendetwas dazugetan hättet. Mit Gottes Geschenk beginnt alles. Warum also kleinlich seinen Zaun um das ziehen, was einem so unverdient zuteil wurde.

„Ihr alle“, so schreibt Paulus, „habt Grund, Gott zu loben. Heidenchristen wie Judenchristen sind von Gott beschenkt.“

 

Sicherlich ist es schwierig, so grundsätzlich unterschiedliche Parteien an einen Tisch zu bekommen. Aber es hilft, wenn man die anderen von vorneherein wertschätzend betrachtet, mit der Einsicht, dass man voneinander profitieren kann. Und nicht große Energie darauf verwenden muss, sich voneinander abzugrenzen.

Der sogenannte Missionsbefehl Jesu, den wir bei jeder Taufe wieder hören als Einsetzungsworte, ist Jahrtausende lang einseitig ausgelegt worden:

„Jesus Christus spricht: mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker.“ Kein Ruhmesblatt in der Geschichte der christlichen Kirchen, die Zwangsmissionierungen, die mit diesen Worten rechtfertigt wurden. Ich denke nicht, dass es Jesus so gemeint hat.

Wenn ich mir die Evangelien durchlese, so finde ich dagegen immer wieder Berichte, wie Jesus sich mit anderen an einen Tisch gesetzt hat. Zum Beispiel bei einer gemeinsamen Mahlzeit im Haus des Zachäus, der überall ausgeschlossen war.

Zueinander finden, miteinander essen, voneinander lernen: Jesus war offen für andere und ihre Geschichte. Das, so stelle ich es mir vor, war ein großer Teil seines Charismas: Dass er Menschen mit ihrer persönlichen Geschichte, ihrer Herkunft, ihren Sitten, sehr offen begegnet ist, solange auch die ihm offen begegnet sind.

Wir nähern uns dem Weihnachtsfest. Selten sind in unserem Land so viele Menschen an gemeinsamen Tischen versammelt. Und immer noch gibt es die schöne Tradition, zu diesem Anlass auch Fremde mit einzuladen. Ein sehr beliebter Zweibrücker Markthändler hat das besonders intensiv betrieben: Er hat in seiner Heimatstadt am Heiligen Abend viele Kilo Rollbraten auf dem Marktplatz gegrillt und mit Kartoffelsalat vor der Kirche an die Obdachlosen verteilt.

Und ja, nicht mehr viele in unserem Land sind Christen. Und doch ist für jemanden, der fremd in unser Land kommt, das besonders kennzeichnend: Wie wichtig den Deutschen das Weihnachtsfest ist und wie viele Traditionen sich darum ranken.

Manch einer findet dann auch den Weg in die Kirche. Und manchmal ist dort dann auch eine Krippe aufgebaut, die selbst denen, die die landesübliche Sprache nicht beherrschen, zeigt, worum es hier geht.

Ja, worum geht es hier: darum, dass Jesus die Menschen zusammengebracht hat: Die Hirten und die Könige. Die Einheimischen und die Zugereisten.

Ach ja, übrigens: Die neue Freundin meines Neffen stammt aus Nepal. Ich muss mich unbedingt vor Weihnachten noch darüber informieren, was die dort essen.

Und beim gemeinsamen Musizieren sind dann sowieso wieder alle dabei. Und sei es mit der Triangel.

AMEN

 

 

 

 

 



Suse Günther
Zweibrücken
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