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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Okuli, 04.03.2018

Die Freude am Glauben und an der Hoffnung
Predigt zu 1. Petrus 1:18-21, verfasst von Ulrich Wiesjahn

Liebe Gemeinde!

 

Seit kurzem verspüre ich in mir ein elementares Bedürfnis, mich noch einmal ganz neu Jesus, dem Christus und Messias der Menschheit, zu nähern. Ich versuche, mich in ihn hineinzudenken, hineinzufühlen und hineinzuglauben. Und da erlebe ich einen sehr vitalen, einen heilenden, erlösenden, lebens- und angriffslustigen, einen in sich gefestigten und vor allem sehr mutigen Menschen. Dazu predigt er mir die Sorglosigkeit und den Umgang mit Reichen und Armen, Gesunden und Kranken, Traditionalisten und Ratlosen. Und immer sagt er mir: Lebe! Gott ist nahe! Lass deine Berechnungen in Arbeit, Moral und Religion! Finde den Schatz im Acker deines Alltags, nämlich das Leben und darüber Gott! Finde das Menschsein in dir!

  

Das hat er gelebt, gepredigt und vollzogen – und damit unbekümmert die bisher haltgebenden Formen seiner Religion aufgesprengt. Und da wird uns verständlich, dass die Verantwortlichen des alten Gottesvolkes sagten und beschlossen: Der muss weg!

  

Ohne Zweifel kannte Jesus diesen Plan und diese Gedanken. Und die Jünger auch. Die rieten ihm: Geh weg, flieh, verstecke dich, begib dich außer Landes! Er aber sagte: Nein, auch das muss ich angreifen und bewältigen! Auch das gehört zu mir. Gott ist mein Vater, das wird sich zeigen! Ich gehe zu ihm, wenn die Machthaber mich weghaben wollen.

  

Für mich, liebe Gemeinde, ist der Tod Jesu etwas, was zu seinem Werk, zu seiner Kraft, zu seinem Glauben gehört. Das hat vor allem der Evangelist Johannes in seinem Werk herausgearbeitet. Wir werden in den nächsten Wochen ja nun wieder den Weg durch Leiden und Sterben in den Gottesdiensten bedenken.

  

Heute, am Sonntag Okuli, befinden wir uns nun schon in einer der nachösterlichen Christengemeinden, an die der 1.Petrusbrief gerichtet ist. Und da soll uns schon vorab eines klar sein: Nach dem Tod und der Auferstehung Jesu, nach seiner irdischen Abwesenheit, musste eine Sprache und eine nachzuempfindende Deutung gefunden werden, die die Vitalität Jesu, die Kraft der Erlösung, die unmittelbare Nähe Gottes und die Überwindung des Todes bezeichnen konnten.

  

Und so hören wir jetzt einen kleinen Abschnitt aus dem 1.Petrusbrief, geschrieben von einem innerlich ergriffenen Jünger und gelesen von jungen, also neuen Christen, die langsam in den Raum der neuen Jesusgemeinde und in den Raum ihres eigenen erneuerten Ich hineinwachsen:

 

„Ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise, sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen, die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn auferweckt hat von den Toten und ihm die Herrlichkeit gegeben, damit ihr Glauben und Hoffnung habt zu Gott.“

 

Was sollten da die jungen Christen, die vermutlich aus der Kulturwelt der Griechen und Römer stammten, hören? Nun dieses: „Ihr seid erlöst und gerettet, ihr seid Gott sehr, sehr nahe!“ Und dann hörten sie weiter: „Der Tod Jesu ist das weit geöffnete Tor zu Gott und dem ewigen Leben. Denn bisher stand der Tod immer wie eine Wand am Ende unseres irdischen Lebens.“ Und dann hörten die jungen Christen noch: „Gott war immer schon wie ein Vater, dieser Schöpfer der Menschen, und ist nun für uns und euch zu einem Vater geworden. Deshalb achtet auf euren Glauben und auf eure Hoffnung!“

 

Liebe Gemeinde!

 

Wenn wir das alles heute hören, dann hilft uns Bildung, Studium und Erklärung erst einmal nicht viel weiter, sondern ein Blick in den Spiegel und die ernste Frage an sich selbst: „Fühle ich mich erlöst, gerettet und Gott nahe? Fürchte ich weiterhin den Tod oder sehe ich in Christus das offene Tor zu Gott?“  Und dann sollte jeder von uns sich noch einmal ganz persönlich fragen: „Müsste ich mich nicht ein bisschen mehr um meinen Glauben und um meine Hoffnung kümmern?“

 

Das sollen jetzt überhaupt keine beklemmenden Fragen sein, sondern lauter ermunternde Impulse.               

Und wenn ich jetzt noch etwas ganz Persönliches zum Glauben und zur Hoffnung sagen sollte, dann wäre mir die Vorstellung der Erlösung durch das Blut Christi doch recht fremd. Damals, zur Zeit des Petrusbriefes, war es gewiss eine verständliche und naheliegende Rede. Ich aber muss für mich Auge und Ohr für das finden, was mich erlöst, froh macht und innerlich auferweckt. Und da ist es seltsamerweise jener Jesus, von dem ich zu Beginn der Predigt gesprochen habe: es ist sein Lebens- und Heilungsmut, seine fröhliche Sorglosigkeit und sein abgrundtiefes Gottvertrauen, mit dem er noch in den dunklen Tod ging. Das findet in mir ein Echo und lässt mich getröstet und angespornt auch in die Zeit des Alters mit seinen Dunkelheiten hineingehen.

 

Denn wir nehmen ja mit unserem Glauben und unserer Hoffnung keine Last und Lehre auf uns, sondern das Gefühl und die Gewissheit der Befreiung und Freude. Und wenn uns das gelingt, dann sind wir in der richtigen Weise auf dem Weg auf Ostern zu.

A m e n.



Pfr. i.R. Ulrich Wiesjahn
Goslar, Deutschland
E-Mail: ulrich.wiesjahn@web.de

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