Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Gründonnerstag, 29.03.2018

Predigt zu Johannes 13:1-15 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Anne-Marie Nybo Mehlsen

Die Füße wandern, bewegen uns, bringen uns woanders hin. Hin und wieder stehen wir auf unseren Füßen. Wir stehen auf gutem Fuß mit einigen – und weniger mit anderen, wir haben einen gewissen Lebensstandard und lassen uns nicht so ohne weiteres unterkriegen. Die Franzosen treten mit ihren Füßen ins Erdbeerbeet, wenn wir mit unseren Füßen ins Fettnäpfchen treten.

   Die Füße sprechen ihre eigene Sprache. Sie sind unser beweglicher Untersatz, der wirklich das meiste bestimmt, denn ohne Füße sind wir schlecht dran, es ist gar nicht spaßig, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben.

Neugeputzte Schuhe, gewaschene Socken, wohlriechende Füße ohne Hühneraugen brauchen nicht dieselbe Pflege wie die staubigen Füße, vielleicht voller Blasen und sicher dickhäutig – solche Füße wurden Jesus an diesem Abend in den Schoß gelegt.

Wir müssen hier alles vergessen über Fußbad und Fußpflege – seine Füße waschen lassen, das ist nicht nur sich verwöhnen lassen. Im tiefsten Sinne bedeutet es, sich dienen zu lassen, einen anderen das tun zu lassen, was wir selbst nicht können.

Wer selbst rein ist, wäscht, der Erwachsene badet das Kind, der Starke hilft dem Schwachen. Es nützt nichts, in dieser Hinsicht auf eigenen Füßen stehen zu wollen.

Jesus, der Sohn Gottes, war nicht gleichberechtigter Partner mit den Menschen, auf gleichem Fuß, aber er wurde es, er verzichtete – und nahm es auf sich, ein Mensch unter den Geringsten, den Niedrigsten zu sein. Und er beugt sich über die wunden Füße, auch die Dickhäutigen unter uns, die nicht vor Verrat und Versagen zurückschrecken, wenn wir in die Enge getrieben werden.

Er tut es als ein echter Helfer, der weiß, was es heißt, wenn man sich helfen lassen muss, sich waschen, dienen, stützen, tragen und überall berühren lassen muss. Er macht sich kleiner als wir, macht sich zu dem unauffälligen, behutsamen Diener, der sich unser annehmen darf.

Das Vorbild ist da – im Unauffälligen, Diskreten, Behutsamen. So sollen wir im Alltag einander begegnen und dienen, so sollen wir täglich Vergebung und Nachsicht walten lassen, so sollen wir täglich das Neue, das Bessere, das Liebenswerte für einander wachrufen.

…. dienen und waschen und heben und tragen und füttern und baden …

Die Bande der Liebe werden geknüpft, indem wir das tun.

Willst du mit anderen Gemeinschaft haben, musst du teilnehmen. Teilhaben an ihrem Leben, ihrem grundlegenden Tun. Die Fußwaschung macht es uns möglich, uns auf das zu konzentrieren, was unsere Aufgabe jetzt ist, die Gabe in diesem Augenblick, die Möglichkeit, Neues zu schaffen. Und die Vergangenheit liegen lassen. Die Schuld der anderen auf sich beruhen lassen.

Heute versammeln wir uns an einem Tisch, wo sich niemand der Gemeinschaft entziehen kann, ein Tisch, der durch Mauern und Wände reicht, zu all den anderen, die sich versammeln, um am Brot und Wein teilzuhaben – und der Fußwaschung. Ein Tisch, der Opfer und Täter vereint, Freund und Feind, mit der Behauptung, dass Gott das Zerbrochene und Verbrochene heilen kann, das wir nicht mehr heilen können. Ein Tisch, der die Kluft zwischen Lebenden und Toten überwindet, eine Mahlzeit auf gleicher Ebene mit Gott, der selbst niederkniet und uns dient.

Darin liegt ein Geheimnis, nämlich dass er, der der Sohn Gottes ist, mit uns tauscht, das Unsrige auf sich nimmt und uns das Seine gibt. Ich zeige das den Konfirmanden an den schönen vergoldeten Einzelkelchen. Da kann man es nämlich fast sehen – oder jedenfalls ahnen. Die Innenseite des Kelchs zeigt uns ein Spiegelbild. Ein Spiegel der Bekehrung, wo wir den Platz getauscht haben. Der Empfänger hat in diesem Spiegel den Platz getauscht mit dem, der gibt – Christus tauscht den Platz mit uns.

   Was dort geschieht, ist ein tiefes Geheimnis. Etwas, was wir nur gerade ahnen, wenn wir uns endlich ergeben und einander um den Hals, zu Füßen oder in die Arme fallen. Wenn wir mit Leib und Seele einander dienen, hingeben, tragen, aufheben, helfen und vergeben. Wenn wir von Herzen um Vergebung bitten und man uns nicht den Rücken zukehrt und uns verlässt. Wir kommen mit all dem Unvollkommenen, Bruchstückhaften, zuweilen Ungenügendem, mit all unserer gebrochenen, zerstörten, vergeblichen Liebe, und lassen Gott dafür einstehen, uns das Leben, das ganz ist, wieder in die Hände zu geben. Und aus den Überresten wird neues Leben. Jesus weiß, was er tut, wenn er Füße wäscht und Brot und Wein mit uns teilt, mit Worten darüber, dass er hier sich selbst gibt. Er weiß, dass dies denkbar weit weg ist von jeglicher Macht, mit der wir sonst rechnen. Erst reitet er auf einem Esel in Jerusalem ein – der König. Dann wäscht er wie ein Krankenpfleger die Füße.

   Das ist notwendig, damit wir es annehmen können. So diskret, so sanftmütig und vertrauensvoll muss es sein, damit wir das wagen.

Willst du mit jemandem Gemeinschaft haben, musst du teilnehmen. Teilnehmen am Leben anderer, an ihren grundlegenden Verrichtungen. Das ist nur möglich, wenn wir uns selbst zurücknehmen, uns auf das konzentrieren, was zu tun ist. Die Fußwaschung ist so auch ein Bild, das sozusagen ganz konkret die Richtung und die Methode angibt. Die Fußwaschung ist das innere Bild, das es uns im Alltag ermöglicht, uns darauf zu konzentrieren, einander zu helfen und zu dienen.

Heute versammeln wir uns an einem Tisch, wo sich niemand der Gemeinschaft entziehen kann, einem Tisch, der über Mauern und Wände hinwegreicht, zu allen anderen, die sich versammeln, um am, und Brot und Wein teilzuhaben – und an der Fußwaschung. Die Füße werden unter uns weggenommen, wir legen uns mit allem, was wir sind und getan haben, in die Hände Christi, die uns dienen. An diesem Tisch sind Täter und Opfer, Freund und Feind vereint unter der Behauptung, dass Gott das heilen kann, was zerbrochen und verbrochen ist, was wir nicht mehr heilen können. Auch die unlösbaren und unerträglichen Konflikte in dieser Welt. Die entsetzlichen Verluste, die armen Opfer. Ein Tisch, der die Kluft zwischen Lebenden und Toten – mit der Aussage, dass wir alle gemeinsam in Gottes festen, liebenden und sicheren Händen sind, die die Wunden waschen und uns wieder aufrichten können. Amen.



Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen
Ringsted, Dänemark
E-Mail: amnm(a)km.dk

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