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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 01.04.2018

Predigt zu Matthäus 28:1-8 (dänische Perikkopenordnung), verfasst von Poul Joachim Stender

Ich will gerne darauf aufmerksam machen, wo die Ausgänge der Kirche sind. Da ist zunächst die Tür, durch die wir alle hereingekommen sind. Sie ist nicht mit einem grünen Exit-Schild versehen. Aber es ist der Ausgang, den wir alle benutzen, wenn der Gottesdienst in einer Stunde vorbei ist. Wenn es brennt, kann die rote Tür oben am Taufstein auch benutzt werden. Das ist der Eingang zur Sakristei. Von dort gibt es eine Tür hinaus zum Friedhof. Gut zu wissen, wie man schnell aus der Kirche hinauskommen kann. Auch von einem Gottesdienst. Man stelle sich vor, es wären plötzlich keine Ausgänge in der Kirche. Wir würden in Panik geraten. Ich bin sicher, es überrascht niemanden, dass ich darauf aufmerksam mache, wo die Ausgänge sind. Daran sind wir gewöhnt. In jedem Flugzeug wird man sorgsam darüber informiert, wo man den nächsten Ausgang findet. Das gilt auch auf den dänischen Fähren. Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass in allen öffentlichen Gebäuden deutlich mit Schildern angezeigt ist, wo man den nächsten Ausgang finden kann.

Das Schlimmste, was man als Mensch erleben kann, das muss sein, dass man sich in einem Raum befindet, wo es keinen Ausgang gibt. Ich habe einmal einen Erweckungsprediger im amerikanischen Fernsehen gehört. „Was ist das Schlimmste an der Hölle“, schrie er. Nach einer kurzen Pause, wo er stark schwitzend den Leuten direkt in die Augen sah, fuhr er fort: „Da gibt es keine Ausgänge“. Darin hat er ja Recht. Hölle ist da, wo es keine Ausgänge gibt. Als Christus am Kreuz starb, wurde er in einer Felsenhöhle begraben. Vor die Öffnung wurde ein großer schwerer Stein gerollt. Er war tot und die Grabkammer war plombiert. Aber nicht nur für ihn war da kein Exit. Die ganze Menschheit war mit seinem Tod eingesperrt. Die Hölle, der Ort ohne Ausgänge, hatte die Macht übernommen. Aber dann geschah es. Ostermorgen bebte die Erde. Der Stein vor dem Grabe Jesu rollte weg. Der Sohn Gottes stand auf von den Toten. Er schuf einen Ausgang im Tode. Nicht nur für sich. Sondern für uns alle.

Die Ostersymbole, derer wir uns bedienen, machten einmal Sinn. Küken, Hasen, Lämmer, Eier. Aber wir haben vergessen, dass sie neues Leben bedeuten. Wir essen sie, ohne auch die schönen Geschichten zu uns zu nehmen, die dahinter stehen. Ich könnte mir deshalb denken, ein neues Ostersymbol herzustellen, das alle verstehen können. Kleine Türen aus Schokolade in allerbester Qualität. Ich habe Tom‘s Schokoladefabrik angerufen und gefragt, ob man interessiert ist. Sie wollen darüber nachdenken, sagte der Vertriebschef mit einer Stimme, die sehr müde klang. Ich erklärte ihm meine Gedanken näher, und mit einer noch mehr müden Stimme wiederholte er: Ich will darüber nachdenken. Aber die Tür ist ein phantastisches Symbol, weil Ostern davon handelt, dass im Tode eine Tür gekommen ist. Ein Ausgang. Ein Exit. Diese Tür ist Christus. Er sagt es selbst im Johannesevangelium: „Ich bin die Tür“. Durch ihn können wir aus der Finsternis ins Licht, vom Tod zum Leben, von der Verdammnis zum Heil gehen. Ich habe seit den letzten Ostern viele aus der Gemeinde beerdigt. Sie wurden auf unserem Friedhof in die Erde gelegt. Wie schrecklich, von unseren Lieben Abschied zu nehmen, wenn wir nicht daran glauben würden, dass sie in Christus eine Tür in die Schönheit des Reiches Gottes haben.

Auch wenn wir in einem sicheren und reichen Land leben, ist unsere Zeit auch von Furcht, Zweifel, Mutlosigkeit, Verzweiflung, Ratlosigkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt. Ich spüre immer mehr als Pastor, wie viele Menschen sich in einem geschlossenen Raum befinden, sie fühlen, dass sie da nicht herauskommen. Das kann Krankheit sein. Aber sehr oft sind es große Arbeitsüberlastung, Liebeskummer, Rutinen und Einerlei des Alltags. Was nützen alle unsere grünen Schilder, wo die Ausgänge in Bussen, Flugzeugen und öffentlichen Gebäuden sind, wenn wir rein geistig keinen Weg auf einem geschlossenen Raum finden können? Aber hier kommt die Botschaft von Ostern erneut ins Bild. Die Kirche verweist auf Christus als eine neue Möglichkeit. Eine Tür, durch die man mit seinem Leben weiterkommen kann. Es gibt keine Finsternis so dicht, keinen so hermetisch geschlossenen Raum, dass Christus nicht dort wäre als ein Ausgang, ein Exit zu etwas Neuem. Und eben darum, weil Christus mit seiner Auferstehung von den Toten so viele Türen für uns geöffnet hat, sollen wir dasselbe tun, wenn wir unserem Mitmenschen begegnen.

Es ist in erster Linie höflich und in einer schönen Weise altmodisch, anderen die Tür zu öffnen und sie zuerst durch die Tür gehen zu lassen. Das ist der Anfang. Wir können aber auch in anderer Beziehung Türöffner sein. Da ist die Möglichkeit, sich zu opfern. Man kann sich jeden einzigen Tag opfern, indem man freiwillig auf Ambitionen, Bereicherung oder Status verzichtet, damit andre zum Zuge kommen können. Man kann sich opfern, indem man in einigen Situationen zur Seite tritt, darauf verzichtet, eine Möglichkeit auszunutzen, aus Rücksicht auf andere. So öffnet man Türen für seinen Mitmenschen.

Das ist Ostern. Christus ist von den Toten auferstanden. Wir wissen, wo die Ausgänge der Kirche sind. Da hinten und da oben. Nun wissen wir auch, dass im Tode und in Situationen, wo wir uns geistig in einem geschlossenen Raum befinden, ein Ausweg besteht. Das ist Christus. Und wir wissen, dass wir selbst, indem wir aus Rücksicht auf die anderen ein wenig zurücktreten, dem Mitmenschen viele Türen öffnen können. Deshalb: Frohe Ostern. Es besteht Grund zum Feiern! Amen.



Pastor Poul Joachim Stender
Kirke Såby, Dänemark
E-Mail: pjs(at)km.dk

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