Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 01.04.2018

Angesehen von Gott und den Menschen
Predigt zu 1. Samuel 2:1ff., verfasst von Suse Günther

Hannah betete und sprach:

Mein Herz ist fröhlich in Gott,

mein Haupt ist erhöht in Gott.

Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde,

denn ich freue mich deines Heils.

Es ist niemand heilig wie Gott, außer Dir ist keiner.

Und es ist kein Fels, wie unser Gott ist.

Gott tötet und macht lebendig,

er führt hinab zu den Toten und wieder hinauf.

Gott macht arm und macht reich,

er erniedrigt und erhöht.

Er erhebt den Dürftigen aus dem Staub

und erhöht den Armen aus der Asche,

dass er ihn unter die Fürsten setze

und den Thron der Ehre erben lasse.

Denn der Welt Grundfesten gehören Gott.

Und er hat die Erde darauf gesetzt

 

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

 

 

Liebe Gemeinde!

An Ostern fällt uns das Singen leicht. All die alten Jubellieder, in denen Menschen über die Jahrhunderte ihre Freude zusammengefasst haben. Die Freude darüber, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, dass es nach Dunkelheit noch einmal hell werden kann und ein Weg aus der Tiefe in die Höhe führt: „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“

Auch als Predigttext haben wir ein solches Jubellied gehört:

Hannah, von der die Worte unseres Predigttextes stammen, hat Grund zur Freude. Auch für sie gibt es einen ganz neuen Anfang. Im Alten Testament, im ersten Kapitel des Samuelbuches, wird Hannahs Geschichte erzählt:

Wie in der Zeit des Alten Testamentes üblich, hatte Hannahs Mann noch eine zweite Frau, Penina. Diese hatte viele Kinder, während Hannah viele Jahre kinderlos blieb.

Im Vorderen Orient bedeuteten - und bedeuten noch immer - Kinder Reichtum. Wer viele Kinder hat, gilt als gesegnet.

Penina hat Hannah deren Unterlegenheit wohl spüren lassen. Und so musste Hannah nicht nur mit der Trauer darüber fertig werden, keine Kinder zu haben. Sondern auch mit dem Spott der Nebenbuhlerin. Und wahrscheinlich auch mit dem Gerede der Leute.

Hannahs Mann Elkana verspürt Mitleid mit ihr, versucht sie zu trösten: „Er sagte zu ihr: Hanna, warum weinst du, und warum isst du nicht, und warum ist dein Herz betrübt? Bin ich dir nicht wichtiger als zehn Söhne?“ Aber auch das kränkt Hannah, denn sie will ja nicht bemitleidet werden, sondern als vollwertige Frau anerkannt sein. Und das war man in ihrer Welt eben nur mit Kindern.

Hannah geht in ihrer Verzweifelung in den Tempel, um dort zu beten und Gott um Hilfe zu bitten. Sie muss das aber so auffällig und verzweifelt getan haben, dass der zuständige Priester Eli dachte, er habe es mit einer Betrunkenen zu tun. Selbst hier, wo sie doch Verständnis finden sollte, stößt sie – beim Priester! – zuerst auf Misstrauen und Unverständnis.

Ich kann gut nachvollziehen, wie verzweifelt Hannah ist. Glücklicherweise lässt es der Priester im Tempel nicht bei seinem Urteil: „die ist ja betrunken“ bewenden. Sondern er stellt Hannah zur Rede, wie man denn nur so viel trinken könne. So bekommt Hannah Gelegenheit, ihre Geschichte zu erzählen und ihr Leid auszusprechen.

Eli, der Priester, macht ihr nicht nur Mut. Sondern er gibt ihr gleichzeitig auch eine Weissagung mit auf den Weg. Er sagt: „Gott wird Deine Bitte erfüllen, die Du an ihn gerichtet hast.“ Wie er zu dieser Gewissheit kommt, geht aus der Geschichte nicht hervor. Dort steht nur zu lesen, dass Hannah getröstet nach Hause ging: „Und Elkana verkehrte mit Hanna, seiner Frau, und der HERR dachte an sie, und um die Jahreswende war Hanna schwanger.“ – und tatsächlich war bald ein Kind unterwegs.

Diesem Kind gibt Hannah den Namen Samuel, zu deutsch „Gott hört“. Der Name ist ebenso Programm wie der Name Hannah. Auf deutsch: „Gott ist gnädig“.

Um Gott zu danken, verspricht Hannah, ihren Sohn in Gottes Dienst zu stellen. Er wird Priester am Tempel, ausgebildet von Eli, der Hannah in ihrer Verzweifelung Mut zusprach. Samuel wird später ein wichtiger Prophet, überhaupt erster namentlich erwähnter Prophet und engster Berater der Könige Saul und David. Zwei biblische Bücher sind nach ihm benannt. Bücher, die die Geschichte Israels erzählen, weil Samuel mit dieser Geschichte so sehr verbunden ist.

Hannah bringt ihre Freude über dieses Kind zum Klingen, indem sie wieder in den Tempel geht und dort Gott dankt mit den Worten des Dankliedes, das wir heute als Predigttext gehört haben:

Mein Herz ist fröhlich in Gott,

mein Haupt ist erhöht in Gott,

mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde,

niemand ist heilig wie Gott, außer Dir ist keiner,

es ist kein Fels, wie unser Gott ist…..

 

Worte des Jubels! Hannahs Leben hat sich grundsätzlich gewandelt. Ihr, die keine Hoffnung mehr hatte, öffnet sich das Tor zu einem ganz neuem Leben. Eigene Worte können nicht fassen, was sie empfindet und ausdrücken will, deshalb greift sie zu den Worten des alten Dankliedes.

Kennen Sie eine solche Erfahrung? Die ganz große Freude darüber, dass es noch einmal gut gegangen ist, dass sich das Blatt noch einmal gewendet hat, dass man sich von Gott angesehen fühlt und sich unter den Menschen wieder sehen lassen kann?

Man möchte es hinaus rufen und es fehlen einem doch die Worte.

Mir fallen in dieser Situation ebenso wie Hannah noch einmal Worte eines alten Dankliedes ein:

„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren,

meine geliebete Seele, das ist mein Begehren.

Der Dich erhält, wie es Dir selber gefällt,

hast Du nicht dieses verspüret“

 

Hannah dankt. Sie fühlte sich dem Tod nahe und nun lebt sie. Sie hat dieses Kind, Samuel, bekommen. Und in kaum einer menschlichen Situation liegen Tod und völlig neues Leben so nah beieinander wie bei einer Geburt.

Hannah hat Grund zu danken. Wir haben ihn oft auch. Lassen wir solche Situationen nicht verstreichen, es ist gut, Dank auch auszusprechen.

So wie es die ganze große Wende in Hannahs Leben herbeiführte, dass sie ihren Kummer aussprach.

In langen Jahren hatte Hannah gelernt, sich zu verschließen. Zu schweigen zum Spott der anderen und zum Mitleid ihres Mannes. Vielleicht war sie zu stolz, um zu zeigen, wie es ihr zumute war. Vielleicht dachte sie auch: „mir kann ja doch keiner helfen“.

Folgerichtig sagt sie dann in ihrem Danklied: „Gott hat meinen Mund weit aufgetan“

Es ist wichtig, zu benennen, was belastet. Nur der Dämon, der einen Namen hat, kann vertrieben werden.

Hannah hat nicht aufgegeben, sie ist in den Tempel gegangen. Sie hat in Zeiten, in denen sie sich Menschen nicht mitteilen konnte, ihren Ansprechpartner in Gott gefunden. Und: Hannah hat Glück gehabt, Eli hat sie angesprochen. Vielleicht war er Gottes Bote? Sie konnte den Weg aus Einsamkeit und Schweigsamkeit heraus finden. Mag sein, dass allein diese Öffnung für das Leben schon dazu geholfen hat, ein Kind zu bekommen.

Hannah hat ihren Kummer Gott mitgeteilt. Ihm singt sie auch ihre Freude.

 

Wie geht es uns damit? An wen können wir uns wenden, wenn unser Leben aussichtslos erscheint? Können wir Gott auch in schweren Zeiten vertrauen? Haben wir in der Vergangenheit erfahren, dass wir auch in schweren Zeiten geführt werden? Gott erniedrigt und erhöht. Das ist Ostern!

Diese Erfahrung haben auch die Frauen am Grab Jesu gemacht. Sie sind Jesu Weg mitgegangen, standen unter dem Kreuz, waren dabei, als er ins Grab gelegt wurde. Sie sind dem Leid nicht aus dem Weg gegangen, haben den Weg nach unten begleitet. Und werden nun Zeuginnen des neuen Lebens.

Vielleicht muss es so sein, dass wir den Weg bis ganz nach unten gehen, treu bleiben, um dann auch dabei zu sein, wenn es wieder aufwärts geht und neues Leben möglich wird.

Immer wieder wird in diesem Zusammenhang Marie Luise Kaschnitz zitiert, die in ihrem Gedicht „Auferstehung“ schreibt: „Manchmal stehen wir auf.

Mitten im Leben.

Stehen wir auf zur Auferstehung“ – so wie Hannah:

 

Ja, „Gott tötet und macht lebendig,

er führt hinab zu den Toten und wieder hinauf,

er macht arm und macht reich,

er hebt den Bedürftigen aus dem Staub

und den Armen aus der Asche,

dass er ihn setze unter die Fürsten

und den Thron der Ehre erben lasse.

Denn der Welt Grundfesten gehören Gott

und er hat die Erde darauf gesetzt.

 

Die Auferstehung mitten im Leben - Neuwerdung, die ist es wohl, die Hannah erlebt hat und die sie besingt und die auch die Frauen am Grab machen.

Die endgültige Auferstehung, die Jesus erlebt hat und durch die Gott ein für allemal gesagt hat: „Dieser ist mein Sohn, er gehört zu mir und mit ihm alle Menschen in meiner Nachfolge“ – diese endgültige Auferstehung steht für uns noch aus.

Aber manchmal stehen wir eben mitten im Leben schon auf zur Auferstehung. Es gibt solche Situationen, die uns befreien. Uns neu leben lassen, uns glauben lassen, dass es mehr gibt als das, was wir sehen. Die uns etwas ahnen lassen von der großen, endgültigen Auferstehung. Durch den Tod zu neuem Leben. Schon hier und jetzt. Ostern erinnert uns daran. Ich wünsche uns allen diese „Hannah-Erfahrung“, die uns Mund und Augen öffnet, die uns staunen und jubeln und glauben lässt.

In diesem Sinne: Frohe Ostern. AMEN



Pfrn. Suse Günther
Zweibrücken, Deutschland
E-Mail: Suse.Guenther@evkirchepfalz.de

(zurück zum Seitenanfang)