Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Exaudi, 13.05.2018

Predigt zu Johannes 17:1-11 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Thomas Reinholdt Rasmussen

Da ist eine permanente Provokation im Christentum. Eine Provokation, auf die viele Denken gestoßen sind und an der sie Anstoß genommen haben.

Diese Provokation besteht darin, dass man die Dinge auf den Kopf stellt. Nicht wir sollen dafür kämpfen, dass wir erlöst und befreit werden. Es verhält sich umgekehrt, Gott hat die Initiative.

Das war immer eine Provokation. Es war immer ein Stein des Anstoßes, dass nicht wir unser Heil in der Hand haben, sondern Gott. Dass nicht wir zu Gott kommen, sondern dass Gott zu uns kommt. Die Dichterin Karen Blixen, die immer gut ist für eine schöne Geschichte und die so viele wesentliche Qualitäten hat, sagt freilich, dass es ein Stein des Anstoßes für sie ist, angeblich einen Erlöser zu brauchen. Den braucht sie wahrlich nicht. Sie will sich das verbitten. So etwas braucht sie nicht.

Das ist eine permanente Provokation für jeden Menschen mit Initiative und Schaffensdrang, und wer meint nicht, dass die Dinge umgekehrt liegen.

Es verhält sich umgekehrt.

Und dass die ganze Welt umgekehrt denkt, ist auch der Grund dafür, dass Jesus am Kreuz endet. Es endet an einem Kreuz, weil es sich umgekehrt verhält.

Die Provokation, dass Jesus auf sich selbst verweist als Fülle und Sinn des Lebens, ist des Guten zu viel. Deshalb muss man eingreifen und gegenhalten. Weil es sich umgekehrt verhält. Weil es sonst zu viel wird. Deshalb endet es am Kreuz. Es endet am Kreuz, weil wir es umgekehrt sehen.

Das ist die Provokation des Christentums, die auch im heutigen Evangelium zum Ausdruck kommt. Denn die übliche Auffassung würde sein, dass wir für uns selbst beten, aber hier betet Jesus für uns. Es beginnt nicht mit unseren gefalteten Händen, sondern damit dass Jesus die Hände für uns faltet.

Das ist die Umkehr allen anderen Glaubens und aller anderer Religion. Jesus betet für uns. Er faltet die Hände für uns.

Es verhält sich umgekehrt.

Und er bittet darum, dass wir eins seien. Eins mit ihm und miteinander. Er betet um den Ausdruck der Liebe.

Denn es ist wahr, dass dies die beständige Provokation des Christentums ist, dass es sich umgekehrt verhält. Eine Provokation sich auch im Grauen des Kreuzes ihren Ausdruck findet. Das ist die negative Seite des Umstandes, dass es sich umgekehrt verhält.

Aber die positive Seite, oder die gute Seite ist, dass wir unverdient oderunverschuldet in ein Verhältnis zu Gott und zu einander kommen.

Wir gehören von vornherein dazu, weil es sich umgekehrt verhält. Die Provokation des Christentums ist somit auch seine Größe.

Wenn wir allein die Initiative hätten, wäre das Leben ein anstrengender Wettlauf, worauf vieles in unserer Zeit leider hindeutet. Vieles spricht dafür, dass wir wirklich die Provokation des Christentums brauchen, dass die Initiative allein bei Gott liegt.

Denn das schafft Freiheit. Das schafft Freimütigkeit. Das schafft neues Leben, dass Gott allein die Initiative hat. Dass Gott in Jesus die Hände faltet – zuerst.

Das bedeutet Freiheit und Freude, weil sich die Dinge umgekehrt verhalten.

Dass es sich so verhält, ist also nicht nur ein Stein des Anstoßes und eine Provokation. Es ist auch eine Freude und eine Freiheit. Es ist nicht nur ein Ärgernis. Es ist auch ein Evangelium.

Das Kreuz, an dem Jesus hang, ist nicht nur Finsternis. Es ist auch Freude, weil es ein Ausdruck dafür ist, dass unser Schöpfer und Vater an uns festhält trotz allem Schmerz und allem Verlust. Es ist Ausdruck für das, was im Evangelium dieses Sonntags gesagt wird: … dass die Liebe, mit der der Vater Jesus geliebt hat, auch in euch sein soll.

Dass e sich umgekehrt verhält, bedeutet auch, dass uns die Liebe zuvorkommt. Das ist die Provokation, die wir nicht hören wollen Dass die Liebe uns zuvorkommt. Deshalb taufen wir Säuglinge und warten nicht, bis sie groß werden: Weil die Liebe uns zuvorkommt. Dass wir in die Liebe Gottes gestellt werden, ehe wir davon wissen, und das ist die wahre Freude.

Dass Jesus seine Hände für uns faltet, ehe wir das überhaupt erwägen konnten. Das ist der Ausdruck für Liebe.

Dass es sich umgekehrt verhält, das ist der wahre Ausdruck der Liebe. Dass es sich umgekehrt verhält, dass ist der Kern des Christentums und das, was wir Evangelium nennen.

Amen.



Propst Thomas Reinholdt Rasmussen
DK 9800 Hjørring
E-Mail: trr(at)km.dk

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