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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Trinitatis, 27.05.2018

Predigt zu Matthäus 28:16-20 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Peter Fischer Møller

Im Hause der Dänischen Missionsgesellschaft in Hellerup im Norden von Kopenhagen befindet sich eine kleine Ausstellung von Dingen, die die Missionare im Laufe der Zeit mit nach Hause gebracht haben. Da hängen ein Tropenhelm und eine Peitsche. Da sieht man schöne geschnitzte Holzfiguren und farbenprächtige Textilien. In einem Schaukasten sind einige Sammelbüchsen ausgestellt. „Für die Heidenmission“ steht auf einer von ihnen. Darauf steht ein Junge – als die Büchse damals um 1900 hergestellt wurde, nannte man ihn einen Negerjungen. Und die Büchse ist so raffiniert eingerichtet, dass der Junge mit dem Kopf nickt, wenn man eine Münze hineinwirft.

  Die Sammelbüchse stammt aus einer Zeit, als man in den Kirchen hier in Dänemark dachte, dass die Leute im schwarzen Afrika durch die Mission erlöst werden sollen, erlöst von Hunger und Krankheit, erlöst von Aberglauben und bösen Geistern. Christentum, Unterricht und allgemeine Zivilisation - so dachte man – gehen Hand in Hand. Ganz so denken wir heute wohl nicht. Jedenfalls wird diese Sammelbüchse mit dem nickenden Neger nicht mehr verwandt.

  Mission ist das Thema dieses Sonntags.

  Das liegt ganz nahe, wo wir von den Abschiedsworten Jesu an die Jünger gehört haben, hier wo wir hören, dass er die 11 Apostel hinaus in die Welt schickt, um seine Geschichte von Gott weiterzuerzählen und in seinem Namen zu taufen. Das ist der Schluss des Matthäusevangeliums, den wir auch jedes Mal hören, wenn wir die Taufe feiern. Taufbefehl oder Missionsbefehl nennen wir diese Worte.

  Das ist das Globalisierungsprojekt Gottes: Dass der Glaube, der mit Jesus in die Welt gepflanzt wurde, Menschen über die Grenzen der Sprache und der Kulturen und Weltteile in dieser Welt hinweg mit einander verbinden soll,  in der Welt, die Gott gehört und nicht uns.

  Nicht wir haben die Welt und das Leben erfunden, sie sind uns von Gott anvertraut. Und so verhält es sich auch mit der Mission, die Jesus den Jüngern anvertraut, es ist nicht unsere Mission, es ist die Mission Gottes. Gott war es, der am ersten Pfingsten einen Windstoß über Jerusalem fegen ließ und das Feuer über den Häuptern der Jünger entfachte. Und Jesus ist es, der uns stets seinen Geist sendet. Die Ausbreitung des Christenglaubens und sein weiteres Leben sind nicht unser, sondern Gottes Projekt.

  Mission gehört zum Wesen des Christentums. Der Christenglaube ist etwas, das wir miteinander teilen. Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, bin ich mitten unter ihnen, sagt Jesus.

  Und er lehrte uns das Vater Unser zu beten, nicht das Vater Mein!

  Die erste christliche Gemeinde in Jerusalem war sich darüber klar, dass das Evangelium nicht für sie allein war, sie schickten Missionare los. Darüber kann man in der Apostelgeschichte lesen. Und die Briefe im Neuen Testament, z.B. der an die Gemeinde in Ephesus, aus dem wir heute gehört haben, zeigen, dass schon unter den ersten Generationen von Christen etwas ganz Neues im Anbruch war. Trotz der gelegentlichen Verfolgungen durch die römische Kaisermacht, breitete sich der christliche Glaube in der ganzen bekannten Welt aus. Im Laufe von 300 Jahren war das Christentum so verbreitet, dass Kaiser Konstantin sich entschied, es zur offiziellen Religion des Römischen Reiches zu machen, und eine Generation später was das Christentum die einzige erlaubte Religion. Ich will hier nicht die Mission in ganz Europa bis hin zu uns barbarischen Nordischen Völkern und im Rest der Welt verfolgen. Ich begnüge mich mit der Feststellung, dass Mitte des 19. Jahrhunderts Mission ernsthaft hier im Lande nach innen und außen auf die Tagesordnung kam.

  Auch wenn es Spannungen gab zwischen Grundtviganern (den mehr liberalen) und den Pietisten von der „Inneren Mission“, war man sich darin einig, dass das Christentum nicht etwas ist, das wir hier in Dänemark für uns behalten sollten. Die Grundtvigianer unterstützten vor allem die Mission in Indien, weil Grundtvig inspiriert durch die Rede in der Offenbarung des Johannes von den sieben Gemeinden vermutete, dass Indien die 7. Gemeinde sei, dort, wo das Christentum am kräftigsten leuchten sollte, wenn wir im Norden unsere Zeit gehabt haben würden. Den Rest der Welt überließen die Grundtvigianer im Großen und Ganzen den Leuten von der „Inneren Mission“. Es wurde richtig viel Geld eingesammelt in Sonntagsschulen und Missionshäusern. Und die Sammelbüchse, von der ich eingangs sprach, stammt sicher aus einem dieser Häuser.

  Das war im Guten wie im schlechten die Mission des weißen Mannes. Man sah in der westeuropäischen Zivilisation die Krone des göttlichen Schöpfungswerkes, und das Christentum war dann der Diamant an der Spitze der Krone. Die Missionare bauten Krankenhäuser und Schulen und arbeiteten mit den lokalen Sprachen, denn es war wichtig, die Bibel zu übersetzen, so dass alle sie lesen konnten. Aber ihr Sinn für die Qualitäten der lokalen Kulturen und Religionen war oft begrenzt. Deshalb walzten die Missionare auch viel von der Welt nieder, der sie begegneten.

  Diese ganze Art und Weise, vom Christentum und der westlichen Zivilisation zu reden, brach mit dem Ersten Weltkrieg zusammen. Denn wie konnte das Europa, das sich selbst als die höchste Zivilisation verstand, Millionen von jungen Menschen dazu veranlassen, sich gegenseitig in den Schützengräben in Flandern abzuschlachten? Europa wurde in seinen Grundlagen erschüttert. Das hatte auch Bedeutung für die Art und Weise, wie man über Christentum und Mission dachte. Man dachte nun nicht mehr über die Weißen als die Überlegenen und Zivilisierten, die die Leute in anderen Teilen der Welt erlösen sollten.

  Nein, das Heil gehört nicht uns, sondern Gott. Menschen haben zu allen Zeiten nach Gott gestrebt. Immer, wenn sie meinten, das Ziel fast erreicht zu haben, ging es schief. Das Evangelium ist das Gegenteil: Nicht Menschen streben nach Gott, sondern Gott kommt zu uns hinab und in uns selbst verlorenen Menschen, um uns unten in den Schützengräben oder wo auch immer zu finden. Die Mission bestand nun darin, diese Geschichte miteinander zu teilen.

  Diese Geschichte tragen wir noch immer in uns, aber wir sind nun an eine Stelle gelangt, wo die Grenzen zwischen Äußerem und Innerem sich aufhebt, auch wenn wir von Mission reden. Denn die Welt ist globalisiert. Die Dänen reisen und lassen wich überall in der Welt nieder, und die Welt kommt und lässt sich bei uns nieder. Die Kirchen wachsen stark in Teilen der Welt, die Pfingstkirchen wachsen in Afrika und Südamerika, und sowohl die katholische Kirche als auch die protestantischen Kirchen wachsen enorm in China. Währenddessen haben wir mit atheistischen Kampagnen und Austrittswellen und mit einer kirchlichen Tradition zu kämpfen, die darunter leidet, dass wir einige Generationen so zurückhaltend mit unserem Glauben waren, dass wir ihn als eine Privatsache ansehen, die wir nicht mit anderen teilen wollen. Aber das taugt nicht. Denn der Glaube stirbt, wenn wir nicht miteinander über ihn reden, wenn wir ihn nicht teilen. Denn der Christenglaube will geteilt werden und lebt davon, dass er geteilt wird. Daran erinnert uns heute der Missionsbefehl.

  Zwangstaufe und Kolonialismus sind zum Glück Vergangenheit. Der Gedanke, dass wir im Westen Gott und seine Wege unter Kontrolle haben und dass diejenigen, die etwas anderes denken und glauben als wir, verloren gehen, ist für die meisten von uns nicht mehr aktuell. Eine passende Demut hat sich eingefunden. Eine Erkenntnis, dass die Welt also nicht uns gehört, sondern Gott. Ich habe das selbst erlebt, als ich vor ein paar Jahren in Indien war. Hier besuchte ich die ARCOT-Kirche, die vor 150 Jahren von dänischen Missionaren gegründet wurde. Sie lebt heute in einem fruchtbaren Dialog mit der indischen Gesellschaft, zu der sie gehört. Die Kirche betreibt z.B. 100 Schulen, an denen 40.000 südindische Schüler unterrichtet werden. Die meisten Kinder sind Hindus, aber jeden Morgen feiern sie die Morgenandacht mit – und beten u.a. für Dänemark. Weil die Missionare, die die Schulen gegründet haben, daher kamen. Recht phantastisch! Wir sahen auch, wie sich der Dialog entfaltet. Wie Christen, Hindus und Moslems nicht nur zusammenleben können, sondern auch über ihren Glauben miteinander reden können. Und wie dieses Gespräch dazu beiträgt, Vorurteile abzubauen und gegenseitige Anregungen zu vermitteln. Wir können miteinander darüber reden, was wir glauben und was der Glaube für uns bedeutet. Wir können als Christen erzählen, wie Jesus uns Gott gezeigt hat als einen liebenden und gnädigen Vater. Wenn andere diese Seite Gottes nicht kennen, können wir sie mit diesem Evangelium erreichen.

  Menschen haben fast 100 Generationen lang die Geschichte vom Mann aus Nazareth und das Bild, das er von Gott gezeichnet hat, das Bild von Gott, das er selbst war, mit sich getragen. Sie haben getan, was sie konnten, um es in Wort und Tat in ihrer Zeit und an ihrem Ort zum Ausdruck zu bringen. Nun ist es an uns. Jesus schickt uns heute los. Nicht damit wir besserwissend Leute belehren sollen, die einen anderen oder keinen Glauben haben, sondern um zuzuhören und zu erzählen und zusammen klüger zu werden über das Geheimnis, das Gott Mensch wurde, und dies ist noch immer ein Geheimnis. Und wir sollen diese Inspiration mit uns tragen hinaus aus der Kirche, so dass wir gemeinsam die, die anders sind als wir, als Mitmenschen betrachten, in ihnen unsere Mitmenschen sehen und Mut und Kräfte erhalten, sie so zu behandeln.

  Und dann können wir auch diverse Sammelbüchsen kreisen lassen – die kirchlichen, wie die allgemein wohltätigen, die die Gesellschaft verwaltet, denn diese Arbeit wird noch immer gebraucht - für die Armen und Notleidenden hier wie in der ganzen Welt. Amen.



Bischof Peter Fischer Møller
Roskilde, Dänemark
E-Mail: pfm(at)km.dk

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