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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 10.02.2008

Predigt zu Lukas 22:24-32, verfasst von Marianne Christiansen

Es gibt ein altes Spiel mit den Händen - wenn man absolut nicht weiß, was man machen soll, und vielleicht auch gern einander mit den Händen berühren will. Man legt seine Hände wechselweise aufeinander zu einem Turm, und je mehr es sind, desto besser, desto höher wird der Turm. Und dann muss der, dem jeweils die unterste Hand gehört, diese Hand herausziehen und oben drauflegen. Das dürfte nicht so schwer sein, und ist es auch nicht, man muss nur warten, bis eine der eigenen Hände zuunterst liegt. Aber das kann man ja nicht immer. Und dann geht es darum, dass alles so schnell wie möglich geschieht, so dass die Hände unaufhörlich aufeinander klatschen, bis das Ganze durcheinander kommt und alle gleichzeitig klatschen.

            Ganz banal und nicht gerade tiefsinnig. Dennoch ist da etwas in Jesu Rede an die Jünger am letzten Abend vor seinem Tod, das an dieses Spiel erinnert: Der Größte soll wie der Kleinste sein, der Älteste wie der Jüngste, der Höchste wie der Niedrigste.

            Es geht um die Plätze in der Hierarchie, die immer zwischen Menschen besteht. Es werden die Plätze in einer Ordnung getauscht, so dass nicht nur eine neue Ordnung, sondern auch eine Beweglichkeit im ganzen Haufen entsteht. Der Älteste ist wie der Jüngste, und sobald einer zuoberst steht, soll er wie der Niedrigste sein, sobald jemand Anführer geworden ist, soll er/sie ein Diener sein.

            In dieser Sache steckt einerseits Ermahnung - Ethik und Moral, neue Ideale dafür, wie wir uns zueinander zu verhalten haben - andererseits aber auch etwas Anderes und Größeres, nämlich eine Offenbarung, wer Gott ist, gesehen durch Jesus.

            Zunächst das Erste: Es geht darum, was Gemeinschaft zwischen Menschen ist, und auch darum, was Führung in christlicher Hinsicht ist und zu sein hat.

            Das hat mit dem Wort "dienen/verdienen" [auf Dänisch dasselbe Wort: tjene, A.d.Ü.] zu tun. Es ist ein gutes und viel benutztes Wort, hat aber nicht notwendig immer dieselbe Bedeutung.

            Wenn man das Wort "(ver)dienen" in einer Kinderschar fallen lässt, dann werden die Kinder mit großer Sicherheit sagen: "Geld verdienen" - denn das ist wahrscheinlich der Zusammenhang, in dem ihnen das Wort am häufigsten begegnet. Und das ergibt ja eine etwas ironische Doppelbedeutung - denn jemandem dienen oder etwas verdienen hat ja eine tiefere Bedeutung, nämlich einem Herren oder einer Sache dienen. In alter Zeit, die wir uns nicht notwendig wieder wünschen, stand man in jemandes Dienst- in einem Verhältnis, das mehr als Geld beinhaltete (oder eher: meistens nicht sehr viel Geld). Es war ein umfassendes Verhältnis im Guten wie im Schlechten. Man stand im Dienst eines anderen und führte seine Befehle aus, - wenn es schlimm war, aus Furcht, wenn es gut war, in einer Art innerlicher Verbundenheit von Herr und Diener.

            Nun gibt es hierzulande selten jemanden, der offiziell einem Herren dient. Aber darum mag es sehr wohl viele geben, die es trotzdem tun - Menschen, deren Leben an einen anderen Menschen gebunden ist, im Guten wie im Schlechten, an einen Menschen, dem sie dienen. Aber einer Sache kann man dienen, einer Gesellschaft, einer Gemeinschaft. Die Regierung besteht aus Ministern, Das Wort 'Minister' ist Latein und bedeutet: Diener. Das sind natürlich urspünglich Diener des Königs, aber in einer Demokratie sind sie doch als Diener des Volkes zu verstehen - die als die höchsten Repräsentanten der Gesellschaft eigentlich, wenn es nach dem Evangelium ginge, die Aufgabe hätten, den Geringsten und Kleinsten zu dienen. "Der Älteste unter euch soll sein wie der Jüngste, oder der Anführter wie der, der dient."

            Wir kennen die Vorstellung, dass ein Polizist im Dienst ist, dass ein Soldat Dienst tut, wir haben Dienstleute [im Dänischen sind das Beamte, A.d.Ü.] - alles Wörter, die voraussetzen, dass eine Aufgabe darin liegt, der Gemeinschaft zu dienen, ja, es liegt faktisch eine führende Aufgabe darin.

            Und dann ist da noch der gesamte Dienstleistungssektor, der Servicesektor; 'service' ist Dienst auf Englisch. Also ein Sektor, dessen Aufgabe es ist zu dienen. Aber heutige Versuche, das Dienstverhältnis unpersönlich zu machen, so dass es nicht so furchtbar eng und ernst und involvierend ist, sowie unsere Unsicherheit, was die Gesellschaft, die Gemeinschaft eigentlich ist, bewirken, dass wir lieber von Dienstleistungen reden - und Leistungen sind etwas, für das man bezahlt -, oder wir gebrauchen das Wort service, bequemes Englisch. Der Begriff des Service hat sich gewandelt, von der Bedeutung Dienst als ein Verhältnis zwischen Menschen zu der Bedeutung einer Ware, für die wir bezahlen. Dennoch ist es Dienst, wenn man Fürsorge und Hilfe, physische Pflege leistet, alles, was aneinander und füreinander tun - auch wenn wir dazu neigen, die Begründung zu vergessen.

            Gleichgültig, wo wir in der Pyramide der Gesellschaft oder des Alters stehen, werden wir einer Unzahl von Wahlen gegenüberstehen, wem oder welcher Sache wir dienen sollen - ob wir uns selbst und unsere Interessen auf Kosten derer, die imKampf aller gegen alle schwächer sind, durchsetzen sollen, oder ob wir uns in die Situation des Schwächeren hineinversetzen und davon ausgehen sollen in der Erkenntnis, dass unsere Hände zusammengehören.

            Aber es steckt mehr als Gesellschaftsmoral in der Ermahung Jesu an seine Jünger und dadurch an uns. Denn alle die Wahlen, die wir zu treffen haben, haben eine Begründung - oder sie bekommen eine Begründung. Da ist eine, die eine Bewegung in Gang setzt und gesetzt hat, an der wir Teil haben. Weil wir bedient werden, es wird für uns gesorgt.

            "Wer ist der Größte, der zu Tisch sitzt oder der dient? Ist's nicht der, der zu Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie ein Diener," sagt Jesus.

            Unaufhörlich diese Bewegung, die die Hände vertauscht. Die Jünger sitzen am letzten Abend um den Tisch. Wir wiederholen das beim Abendmahl - wir tun es, weil es nicht sagbar ist - wir liegen zu Tisch und lassen uns aufwarten, bedienen - in der Bewegung, die Jesus überhaupt ist und bedeutet: Ein Umkehrung der Weltordnung: Gott ist nicht mehr über uns. Gottes Sohn ist unter uns, immer die unterste Hand, immer geringer als wir.

            Seltsam - fern von aller Moral, näher am Glauben.

            Von Jesus geht eine Bewegung aus, ein Verhältnis von ihm, der uns schickt, bewegt uns, erfüllt uns, so dass wir dienen können - nicht nur einer Sache, sondern auch anderen Menschen, weil sie Gottes sind, weil wir es sind, - und weil wir immerzu die Großen sind, für die Jesus Dienst tut.

            Und dann kommt das merkwürdige Wort an Simon: "Simon, Simon, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen, aber ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre, und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder."          

            Simon ist der Simon, der von Jesus den Namen Petrus erhielt, der 'Felsen' bedeutet. Mit dem Namen bekam er den Bescheid: "Du bist Petrus, der Felsen, und auf den Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen."

            Der Petrus-Felsen, mit Recht der, der sich selbst als den Führenden, den Obersten unter den Jüngern verstehen konnte. Was tut der Satan, wenn er Menschen versucht und fordert, um sie wie Weizen zu sieben?

            Es muss der Versuch sein, zu sortieren - Simon Petrus, dem Führer, einzubilden, dass Menschen gesiebt werden sollen, so dass die Starken und Guten in die richtige Gruppe kommen wie die Weizenkerne, während diejenigen, die zu leicht sind, d.h. nichts wert sind, wie die Spreu aussortiert werden.

            Der Satan begehrte - und begehrt -, dass seine Macht, die Macht des Todes, unter den Jüngern Geltung haben sollte, und das ist die Versuchung, der wir immer ausgesetzt sind: die Menschen zu sortieren.

            Es ist nicht leicht, groß zu sein.

            Kain erschlug seinen jüngeren Bruder aus Eifersucht - versucht über sein Vermögen hinaus.

            Jakobs zehn Söhne warfen ihren jüngsten Bruder Joseph in einen Brunnen und verkauften ihn als Sklaven nach Ägypten.

            Jesus wurde in verbissener Eifersucht, dass er Gottes Liebe trug, hingerichtet.

            So verschaffen die Großen ihrer Macht Geltung, auch heute, und es ist so leicht, von der Verzweiflung des Satans und vom Mangel an Glauben getroffen zu werden, wenn man sich in der Welt umsieht und nur die Gewalt und den Tod als die stärksten Mächte sieht.

            Aber einer ist da, der für uns bittet. Ein Abel, der für Kain bittet, - ein Joseph, der für seine Brüder bittet: Jesus, der für uns alle bittet, dass unser Glaube nicht aufhöre. Die Kraft, mit der er uns schickt, ist stärker. Sie schickt uns in Dienst, die Brüder und Schwestern zu stärken.



Pastorin Marianne Christiansen
Thisted (Dänemark)
E-Mail: mch(a)km.dk

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