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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 03.06.2018

Predigt zu Lukas 12:13-21 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Leise Christensen

Lukas 12,13-21; Pred 5,9-19; 1. Tim 6,6-12 (dänische Perikopenordnung)

 

Hier haben wir es wohl mit einem der beliebtesten Themen dieser Welt zu tun: dem Geld! Das ist etwas, was uns alle sehr interessiert, sowohl die, die es haben, als auch die, die es nicht haben. In Wirklichkeit kann allein der Fußball mit einem ähnlichen Interesse rechnen, aber man kann dann ja auch sagen, dass der moderne Fußball in sublimer Weise verstanden hat, diese beiden Interessen miteinander zu verbinden, Fußball und Geld, ganz dicht beieinander. Wenn man demnächst auf den russischen Spielfeldern 22 Männerbeine herumjagen sieht, ja da sieht man auch viele Milliarden mit wechselndem Glück in den Stiefeln herumlaufen. Heute liegt der Ton ganz woanders in der alttestamentlichen Lesung, wo der Prediger mit seinem Herzensseufzer zu Worte kommt über den Verdruss am Reichtum und die damit verbundene Unruhe des Herzens. Auch der Apostel Paulus wettert gegen den Reichtum, und Jesus stellt ebenfalls all dieses fleißige Sammeln von Reichtum im heutigen Evangelium in Frage. Man kann also wohl sagen, dass die Bühne bereit ist für den ganz großen Angriff auf die Reichen dieser Welt, Reichtum und Konsum. Ja, wenn es denn so wäre. Uns allen täte wohl eine Moralpredigt über unsere Gier gut, zu besitzen, zu sammeln und über unsere ewiges Streben danach, zu den Glücklichen zu gehören, nämlich den Reichen. Und wenn man nun selbst trotz aller erdenklichen Mühe nicht reich ist, ist es ja angenehm zu hören, dass es jedenfalls nicht gottgefällig ist, reich zu sein. Das geschieht ihnen recht, den reichen, ja. Wie meine Freundin von der Insel Fünen sagt in ihrem Dialekt: „So was freut einen ja“. Aber die Frage ist natürlich, ob es wirklich die Schädlichkeit des Reichtums ist, worum es in diesem Text geht. Ob es wirklich die Schädlichkeit und Gottlosigkeit des Reichtums ist, wovon die Texte reden. Ist es wirklich falsch in Gottes Augen, reich zu sein? Der Prediger sagt es nach der dänischen Übersetzung angeblich so: „Der, der Geld liebt, wird an Geld nie satt, der, der Reichtum liebt, hat keinen Nutzen davon. Auch das ist eitel“. Aber das ist in Wirklichkeit keine besonders gute Übersetzung. Das hebräische Wort, das man hier mit „eitel“ oder „Leere“ übersetzt, bedeutet eigentlich „flüchtiger Wind“. Der Prediger beklagt sich also nicht so sehr über die Leere und Eitelkeit im Streben nach Reichtum, sondern er versucht vielmehr seinen Zuhörern deutlich zu machen, dass Reichtum etwas Flüchtiges ist, dass da keine Substanz und Dauer ist. Man hat eigentlich nicht viel davon. Geld und Reichtum sind in eigentlichen Sinne wie ein flüchtiger Wind, der über das Gesicht weht, aber verschwindet und nichts mehr merken lässt. Aber eitel und leer ist er ja nicht. So ein Wind kann ja doch sehr schön sein. Das Problem entsteht, wenn man glaubt, dass so eine Brise das wichtigste im Leben ist, das, wonach man streben soll. Eben davon redet Paulus auch in seinem Brief. Er schreibt nicht, dass Geld der Grund alles Übels ist, sondern dass die Liebe zum Geld der Grund alles Bösen ist. Wenn Geld nicht mehr nur Mittel ist, sondern Zweck der menschlichen Existenz und der menschlichen Gemeinschaft und der menschlichen Liebe, ja, dann ist etwas falsch. Denn der Gegenstand der Liebe kann nie ein Ding sein, sondern immer nur ein anderer Mensch oder Gott. Ja, und Liebe zu Gott kann man nur in einer Weise zeigen, und dies ist bekanntlich dies, dass man seinen Mitmenschen liebt. Die Forderung, den Mitmenschen zu lieben, ist eine Forderung, der sich der Mensch zu allen Zeiten, in jeder Gesellschaftsschicht und in allen wirtschaftlichen Lagen zu stellen hat. Aber dieser Forderung verweigern wir uns dauernd. Wir setzen alles Mögliche an die Stelle Gottes. In der Regel ist es das Geld. Es kann aber auch vieles andere sein wie z.B. Arbeit, persönliches Ansehen und vieles, vieles andere. Aber die Wichtigkeit, die wir Dingen und Sachen und Geld und persönlichem Ansehen beimessen, können diese Dinge gar nicht einlösen. Das ist schlicht eine Überforderung. Der Sinn des Lebens liegt nicht in meinen Pensionsansprüchen, meinen Krediten oder meinem guten Ruf. Wir wissen das wohl, natürlich. Wir haben es ja so oft gehört, dass es ganz banal klingt, aber der menschliche Trieb nach Besitz und Status ist stark und hartnäckig. Der Text dieses Tages stellt uns in ein Dilemma. Einerseits ist am Reichtum an sich nichts falsch, man kann mit Reichtum auch Gutes tun, und im Reich Gottes geht es bekanntlich nicht um Geld, weder um viel noch um wenig Geld. Aber andererseits hat die Liebe zum Geld die unglückliche Nebenwirkung, dass wir leicht den Mitmenschen und Gott vergessen, weil der Besitz dann das Zentrum des Daseins wird. Das Geld soll uns dazu dienen, uns in allen Lagen zu sichern – in schwierigen Zeiten, Leid und überhaupt Störungen – Dinge, die der Mensch nicht kontrollieren kann, auch wenn er das unablässig versucht. Es geht schief, wenn der Reichtum so groß wird, dass  wir glauben, ohne Gott leben zu können, weil wir uns selbst mit unseren ökonomischen Mitteln die Sicherheit, das Glück und die Geborgenheit verschaffen können. Es ist falsch, wenn wir nicht mehr sehen, dass der Reichtum eine Gabe ist, die eigentlich erst empfangen ist, wenn wir sie weitergegeben haben. Es ist typisch, dass der reiche Kornbauer im heutigen Text fragt: „Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammele.“ Die eigentliche Frage sollte sein: Wem soll ich meinen neugewonnenen Reichtum geben? Da ist ein großer Unterschied zwischen einem „Was“ und einem „Wem“. Der reiche Bauer hatte sich selbst und sein Leben im Blick, als er fragte, was er mit seinem Reichtum tun sollte, aber Jesus weist darauf hin, dass das Leben des Menschen nicht von dem abhängt, was er besitzt. Der reiche Bauer im Gleichnis hat seine Scheunen so groß gebaut, dass er an sie nicht mehr vorbeischauen kann, sie versperrten ihm den Blick. Und eben das haben sowohl der Prediger, Paulus als auch Jesus im Blick in den Texten dieses Tages: Reichtum ist nicht an sich schlimm oder sündig. Erst wenn er uns den Blick für den notleidenden Nächsten versperrt, wird es wirklich falsch. Und dies ist in der Tat der fall. Der Mensch hat eine ganz ausgeprägte Fähigkeit, sich selbst einzubilden, dass er bzw. sie nicht genug hat, sondern noch etwas mehr braucht, ehe er über die vollen Scheunen blicken kann zu der Not und dem Elend, das sich dahinter verbirgt. Also ja, wir brauchen heute eine Moralpredigt. Nicht in dem Sinne, dass es speziell schlecht wäre, reich zu sein, nein, sondern dass es in der Tat schlecht ist, nicht über seine großen, wohlgebauten und vollen Scheunen sehen zu können, um den bedürftigen Mitmenschen zu sehen. Wir wissen alle am besten selbst, woraus unsere eigenen persönlichen Scheunen bestehen – was bei uns selbst der Liebe zu Gott und zum Mitmenschen im Wege steht. Die Ermahnung des Tages ist, dass wir es wagen, hinter diese persönlichen Scheunen zu blicken und die Liebe Gottes spüren, sie empfangen und weitergeben. In den Augen Gottes sind wir nicht etwas wegen unsres Reichtums, unserer Schönheit, Intelligenz, Schlankheit oder unserer kreativen Fähigkeiten, nein, wir sind etwas, weil wir Gott gehören. Ganz einfach zu verstehen – und ganz schwierig. Aber mache den Versuch – versuche es zu glauben! Amen.



Pastorin Leise Christensen
Aarhus, Dänemark
E-Mail: lec(at)km.dk

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