Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 10.06.2018

Predigt zu Lukas 14:25-35 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Kræn Christensen

Lasst es mich sofort sagen: Dies ist keine unchristliche Drohung, dass wir bekommen, was wir verdienen. Es handelt sich vielmehr um eine Verheißung der Gnade Gottes, die wir nicht verdient haben. Das hier ist also nicht eine Faust ins Gesicht, sondern es sind offene Arme, die uns empfangen.

   Was ist es denn, was uns unser Herrgott heute erzählt – können wir hören, was der Sinn ist? Es muss ja einen Sinn haben, dass Gott uns alles gegeben hat: Vater. Mutter, Frau bzw. Mann, Kinder, Brüder und Schwestern – und dann hinzufügt, dass wir sie hassen sollen. Ja, nicht nur die – auch dich selbst sollst du hassen, um einer von den seinen zu sein. Ja, wir können wohl gut nach dem Sinn fragen, aber die Sache ist ja die, dass es Gott ist und bleibt, der einen Sinn hat – und dass es Gott ist, der glaubt, und nicht ich. Es ist Gottes Sinn.

  Der Sinn Gottes ist das Evangelium, und nach dem Verständnis des Evangeliums wird immer nur auf den Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe verwiesen. Das hören die Ohren, die hören können, auch wenn wir das heutige Evangelium hören.

  Um dies hören zu können, um glauben zu können, muss man Hilfe von Gott selbst haben, der dich selbst erwählt hat unter Millionen im Mutterleib. Das übersteigt alle Vernunft, von dieser umfassenden Liebe zu uns zu hören, ohne dabei das Gericht Gottes über unseren Häuptern zu vernehmen! Dieser Hass, um den er bittet, stellt uns alle unter das Gericht, denn dem können wir nicht folgen, hoffentlich! Niemand entgeht deshalb dem Gericht Tag für Tag, wenn wir zugleich an seine Gnade glauben. Die Gnade, die Barmherzigkeit, die Vergebung gehören mit zum Gericht – das ist es, was die Gnade zur Gnade macht! Und das bekommst du für nichts – das ist zugleich das Schwere und das Leichte im Christentum.

  Die großen holländischen Maler hatten einen Sinn dafür, das sieht man deutlich an ihren Bildern. Da schildern sie selten Menschen, die schön im üblichen Sinne sind. Es handelt sich nicht um Menschen mit feinen, regelmäßigen und harmonischen Zügen, weder bei Rembrandt im 17. Jahrhundert noch bei van Gogh im 19. Jahrhundert. Keiner von ihnen legt Gewicht darauf, wirklich schöne Menschen zu malen. Ganz im Gegenteil, könnte man sagen. Das liegt nicht daran, wie manche vielleicht versucht sind zu glauben, dass Holländer nicht schön sind. Die Sache ist eine ganz andere. Mit ihren Bildern protestierten sie gegen die Verherrlichung von Menschen und ihrer Entwicklung. Es ist, als wollten sie uns erzählen, dass die Größe der göttlichen Gnade uns dort begegnet, wo wir sind. Dort wo wir in einer Falle gefangen sind von unserer Kindheit, Jugend, unserem Alter – mit unserer Lüsten und Lastern und unheilvollen Leidenschaften, dort wo wir nichts mehr tun können – das sind die Bilder, die sie malen. Es ist, als wollten sie sagen: Verschone uns mit all den himmelwärts gerichteten Augen und seligen Blicken! Was soll das? Sie zeigen uns nicht, dass die Barmherzigkeit Gottes lebendige Wirklichkeit ist. Diese Barmherzigkeit sieht man nicht an rührenden Zügen in einem Portrait. Es ist der gefallene Mensch – der vielleicht etwas selbstbewusste, vielleicht etwas schwache, vielleicht stolze oder vielleicht ängstliche Mensch, da ist die Barmherzigkeit mitten drin.

  Im Fernsehen gibt es eine Reklame für eine Kosmetikfirma, die Botschaft in diesem Zusammenhang ist diese: Weil ich es verdiene! Es ist ja schön und gut, etwas für sich selbst zu tun – das dient der Verschönerung der Umgebung, aber Gott gegenüber können wir uns nicht schmücken, uns verdient machen. Versucht man es trotzdem, entfernt man sich von der Barmherzigkeit, die hinabgestiegen ist.

  So war es auch bei den diesen Malern, die ein Menschenportrait malten. Ganz direkt und ohne Schmuck schilderten sie etwas, das fern von Gott war, fern vom Himmel und seinem Glanz, das ist richtig. Zugespitzt gesagt, es ist fast wie wenn man ein Verbrecheralbum bei der Polizei sieht neben den Engeln von Rafael.

  Das Gericht, das der Malerpinsel einfängt und fällt, sobald der Pinsel die Leinwand verlassen hat – schließt es die Gnade Gottes aus? Keineswegs! Denn die verurteilten, scharf charakterisierten Menschenwesen, die fern von Gott sind, sind der Barmherzigkeit nahe. Sie ist bei ihnen. Und wer braucht eigentlich Barmherzigkeit, Engel oder Gerichtete? Es sind letztere, nicht die ersten!

  Jesus ist nicht zu den Gerechten gekommen – dann wäre er ziemlich allein – sondern zu Sündern. Und sollte jemand im Zweifel sein, so sind wir das. Deshalb halten wir Gottesdienst. Für die, die Ohren haben zu hören, ist das deshalb eine Befreiung, diese Worte zu hören.

  Uns fällt es schwer zu verstehen, dass Gnade und Gericht vereinbar sind, denn wir rechnen mit Gerechtigkeit. Ein gutes aktuelles Beispiel dafür haben wir in Verbindung mit dem Auftakt zur Fußballweltmeisterschaft, die demnächst in Russland beginnt. Hier wird hart und gründlich um die Plätze in der Nationalmannschaft gekämpft. Alle Spieler müssen sich damit abfinden, schon bevor es losgeht, gewogen zu werden – und wird man als zu leicht befunden, ist man nicht mehr dabei. Dann hat man beim Landestrainer keine Gnade gefunden æ- er fällt das Urteil, und man ist draußen. So geschieht der Gerechtigkeit Genüge.

  Dieselben Worte Gericht und Gnade benutzen wir, wenn wir von unserem Verhältnis zu Gitte reden. Aber der Unterschied ist deutlich. Gott gegenüber gibt es keine Gerechtigkeit. Die Gnade Gottes wird denen zuteil, die sie brauchen, und dies tun die, die unter dem Gericht stehen und ihm nicht entkommen können. Unter dem Gericht steht, wer nicht Vater und Mutter, Frau bzw. Mann, Brüder und Schwestern und sich hassen kann.

  Wir müssen erkennen, dass Unzulänglichkeit zum Leben gehört, Machtlosigkeit ist ein Teil des Lebens. Wir sind nicht gut genug gerüstet zu dem, was wir sollen. Wir besitzen ganz einfach nicht die Fähigkeit, Christus nachzufolgen. Das bedeutet dann auch, dass wir nicht nach seiner Gnade, Erlösung oder Liebe zu streben brauchen. Wir waren nie imstande, das Kreuz Jesu zu tragen – deshalb trug er es selbst! Das will uns unser Herr mit diesen krassen Worten deutlich machen.

  Aber – um nun im Bilde zu bleiben – unten in dem Bild hat der Maler seien Namenszug gesetzt – er steht mit anderen Worten für sein Werk ein. So hat auch Gott seine Signatur unter dein Portrait gesetzt – unter dein Leben – er kennt jeden Millimeter dieses Bildes. Er hat dich durchschaut, und dennoch steht sein Namenszug dort. Er steht zu seinem Bild!

  Es ist uns fast unmöglich, uns vorzustellen, dass die Liebe umsonst ist. Aber der Trost Gottes ist, wenn du nun nicht gut genug bist, dann brauchst du es auch nicht zu sein, du brauchst nicht so zu tun als ob. Du bist trotzdem geliebt – du bist geliebt, obwohl du durchschaut bist, als der, der alle diese Gesetze und Gebote nicht erfüllen kann. Dir ist vergeben – deine Sünden sind dir vergeben.

 Das ist zugleich Gottes Gericht und Gottes Gnade.

 Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Amen.



Propst Kræn Christensen
Esbjerg, Dänemark
E-Mail: pkch(at)km.dk

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