Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3.Sonntag nach Trinitatis, 17.06.2018

Predigt zu Lukas 15:11-32 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Margrethe Dahlerup Koch

Niemand will gerne das haben, was alle die anderen auch kriegen. Deshalb wird der erste Teil der Geschichte für uns leicht gleichgültig. Denn der erste Teil handelt vom Vater, der seinen jüngsten missratenen Sohn grenzenlos liebt und das letzte „K“ der drei Prinzipien guter Erziehung vergisst: „Kinderliebe, Kontakt und Konsequenz“. Der Vater hätte sich damit begnügen können, seinen verkommenen Sohn zu empfangen, ihn ins Bad schicken und ihm in der Küche etwas zu essen geben können. Der Vater hätte wohl freundlich aber bestimmt dem jungen Mann zeigen können, dass es also Konsequenzen hat, all sein Geld mit Festen und Saufen zu vergeuden. Aber er tut das Gegenteil. Der Vater läuft seinem Sohn entgegen und macht sich daran, mit den schönsten Dingen und dem übrigen Geld um sich zu werfen. Ein Ring, feine Kleider, teure Schuhe, ein großes Fest, ein leckeres gemästetes Kalb. Der junge Partylöwe von einem Sohn hat es wahrlich nicht von Fremden. Die, die ihre biblische Geschichte noch kennen, hören, dass er auftritt wie seinerzeit Abraham, als Gott und sein Engel im Hain von Mamre zu Besuch kamen. Damals kam der alte Abraham auch auf Trab und schlachtete ein gemästetes Kalb. Der Vater im Gleichnis tut also so, als sei es der Herrgott selbst, den er erblickt, als sein missratener Sohn angelaufen kam.

Und das ist ja alles rührend und schön – aber auch etwas lächerlich mit so einem netten Vater, der nicht böse werden oder auch nur ein wenig Konsequenz zeigen kann. Und wenn der ein Bild für Gott sein soll, wie wir das in diesem Gleichnis hören: Gott ist wie der liebe Vater, der alle annimmt, die zu ihm kommen“, ja dann kann das schon fast etwas lächerlich wirken. Denn was ist eigentlich toll an dem, was alle kriegen können? Ist das nicht etwas zu billig, Tagesgericht und Pulverkaffee? Und geschieht nicht eben dies mit diesem Gleichnis? Warum soll das eigentlich so phantastisch und wichtig sein, von Gott geliebt zu werden? Ach Gott, das werden wir ja alle!

Und davon handelt eben der letzte Teil des Gleichnisses. Der T eil, der nicht vom jüngsten, verbwirrten Sohn und seinem Vater handelt, sondern von dem ältesten, solide und hart arbeitenden Sohn und seinem Zorn.

Denn das Gleichnis endet ja nicht mit der großen Umarmung und dem Fest und gefüllten Gläsern bei der Begrüßung. Es endet mit einem ungelösten Konflikt. Denn der älteste Bruder wird zornig, hören wir, er will nicht am Fest teilnehmen. Worüber ist er eigentlich so böse? Böse, das wird man, wenn jemand einen verletzt oder beleidigt. Aber wer hat den ältesten Sohn verletzt oder beleidigt? Jedenfalls nicht sein kleiner Bruder. Im Gegenteil. Mit seinem missglückten Leben hat der kleine Bruder es nur noch deutlicher gemacht, wie wohlgeraten der große Bruder ist. Es ist nur noch deutlicher geworden, was für ein solider und vernünftiger Mensch er ist. Man kann sich vorstellen, von wem die Mutter am meisten zu erzählen hat, wenn sie in ihren Weihnachtsbriefen erzählt, wie es den Jungen geht. Nein, wer den ältesten Sohn gekränkt und beleidigt hat, das ist sein Vater. Und worin bestehen die Kränkung und die Beleidigung? Sie besteht in der Großzügigkeit des Vaters. Es ist das gemästete Kalb, der schönste, teuerste Braten im Stall, der die Wut auslöst. Die Wut des ältesten Sohnes bricht aus, als einer der Knechte erzählt, dass ein Prämienkalb geschlachtet worden ist und nun gegessen werden soll. Der älteste Sohn wird wütend, als er merkt, dass der Vater genauso verschwenderisch ist wie der kleine Bruder. Die beiden ähneln sich. Das merkt der große Bruder plötzlich. Der kleine Bruder ähnelt dem Vater. Nicht er.

Großzügigkeit ist das innerste Wesen des Vaters. Und diese Großzügigkeit betrifft auch den ältesten Sonn. Der Vater breitet die Arme aus und sagt: „Mein Sohn, alles was mein ist, das ist dein“. Ist auch dein. Aber das bedeutet ja, dass das Umgekehrte auch gilt: „Alles, was dein ist, ist auch mein“. Das Eigentum des Vaters gehört dem Sohn, und das Eigentum des Sohnes gehört dem Vater. Der älteste Sohn muss sich mit anderen Worten damit abfinden, Kind und Miterbe zu sein auf einem Hof, wo der gemeinsamen Werte verschleudert werden. Wo alles etwas bekommen, weil keiner Not leiden soll.

Ob der älteste Sohn sich darüber freuen kann, ob er der Aufforderung des Vaters folgt und sich daran beteiligt, noch mehr Geld, Küsse, Worte und Aufmerksamkeit für andere zu verschwenden, darüber sagt das Gleichnis nichts. Aber wir sind Zeugen des verschwenderischen festes, das in vollen Zügen gefeiert wird. Wir wussten vielleicht nicht, dass wir zu diesem Fest gingen, als wir durch die Tür traten da draußen, aber nun sind wir hineingekommen und können es nicht überhören: „Alles was mein ist, das  ist dein“, sagt Gott zu uns. Auch zu uns.

Gott sagt es gleich beim Abendmahl, wenn wie alle ohne Unterschied ihm selbst zum Leben empfangen. „Bitte, das ist mein Leib und mein Blut – mein Leben“, sagt er uns gibt es uns zu essen und zu trinken, so dass es unser wird. „Alles was mein ist, das ist dein“, sagte Gott zu Agnete Elisabeth, als sie das Zeichen des Kreuzes empfing und im Namen Gottes getauft wurde, so dass von nun an kein Zweifel daran bestehen kann, dass sie Gott gleicht und Gemeinschaft mit dem Gott hat, der genauso großzügig ist wie der Vater und der Sohn des Gleichnisses. Und für die Konfirmanden wird das im Frühjahr wiederholt, wenn Gott sie konfirmiert, bestätigt, dass sie von Gott berufen sind und von ihm geliebt. Kinder und Erben des ewigen Lebens, das überall ist, wo der Wille Gottes geschieht, und von dem sie leben und gedeihen sollen.

Und der Wille Gottes geschieht gerade überall dort, wo Menschen sich freigiebig begegnen und selbst freigiebig sind mit dem, was alle haben sollen, weil niemand ohne es leben kann: Dort, wo ein Kind getröstet wird, dort, wo sich jemand auf eine Bank neben einen Sonderling setzt und ihm zunickt. Dort wo der Klatsch dadurch gestoppt wird, dass jemand ihn nicht weitergibt, und dort, wo der Fremde willkommen ist. Überall, wo das geschieht, da wird das weitergegeben – alles, was Gottes ist, und was nun auch unser ist. Alle das, was – und damit müssen wir uns abfinden - allen und jedem großzügig zu Teil wird.

Was alle bekommen sollen, soll jeder haben. Denn Gott will, dass das Fest, das schon begonnen hat, bis in den hellen Morgen geht, wo die Nacht zum Tage wird. Amen.



Sognepræst Margrethe Dahlerup Koch
Ringkøbing, Dänemark
E-Mail: mdkoch(at)mail.dk

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