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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 01.07.2018

Predigt zu Matthäus 16:13-26 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Rasmus Nøjgaard

’Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn’

Das Bekenntnis des Simon ist eines der ersten Symbole, ein Bekenntnis, das der christlichen Kirche eine besondere Identität gibt. I der paulinischen Dogmatik Luthers ist das Bekenntnis zu Jesus als Christus, Gottes Sohn, das A und O des Glaubens, und deshalb fügt Luther sein kleines, aber entscheidendes ‚allein aus Glauben‘ hinzu als Bedingung dafür, vor Gott als gerecht zu gelten. Matthäus hat einen anderen Zugang zur Bedingung, als gerecht erklärt werden zu können. Hier verweist Jesus auf Simons als Beispiel dafür, dass es nicht die Kraft des Glaubens ist, sondern dass Gott Vater im Himmel sich Simon offenbart und Jesus als Christus verkündigt hat. Denn Simon kann wie die übrigen Jünger, ja wie keine anderen früher oder später, selbst nicht darauf kommen, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Kaum dass Jesus Simon zu dem Fels ernannt hat, auf dem die Kirche Jesu gebaut werden soll, bekommt der Fels Risse. Jesus distanziert sich von Simon mit den Worten: ‚Geh weg von mir Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“ Die Kirche, die die die Menschen auf Erden erlösen soll, zeigt schon Risse, ehe sie wirklich Form angenommen hat, und entlarvt stattdessen den Menschen als den, der sich selbst am nächsten ist. Was die Schlange im Paradies für die Menschen ist, ist die Kirche für die Menschen auf Erden. Deshalb steht das Symbol: ‚Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn‘ umso stärker, denn Simon weiß noch gar nicht, was er sagt und dass dies wahr ist. Das kann nur der Vater ihm in den Mund gelegt haben. So wirkt das Symbol auch: Wir müssen es zu uns nehmen, es nachsprechen, und in der gemeinsamen Wiederholung kann das Wunder eintreffen, dass wir die Wahrheit der Worte vernehmen, dass der Vater der lebendige Gott und dass Jesus Sohn des lebendigen Gottes ist, ‚lebendig‘. Gott und Jesus Christus sind lebendig. Sie teilen sich mit. Sie leben und atmen für dich und mich, und die Art und Weise, wie sie sich mitteilen, ist der Heilige Geist. Davon steht hier nichts, aber es ist, als wäre der Geist das Leben des Vaters wie des Sohnes: der lebendige Gott. Der lebendige Gott ist der Vater wie der Sohn, und sie teilen sich mit durch den Heiligen Geist. Simon Petrus hatte keine Chance zu verstehen, dass Jesus trotz seiner kommenden Leiden und seinem künftigen Tod noch immer der lebendige Gott ist. Deshalb distanziert sich Jesus von Simon, weil der von vornherein nicht mit Jesus rechnet und damit, ohne es zu wissen, auch Gott verleugnet. Es ist nicht besonders genial, Gott am Kreuze sterben zu lassen, wie Nietzsche dies tat, oder wie viele moderne Theologen, die den Kreuzestod so verstehen, dass hier der allmächtige Vater vom Menschensohn Jesus Christus getrennt wird. Das haben viele im Laufe der Kirchengeschichte versucht. Hier bei Matthäus aber besteht Jesus darauf, dass der lebendige Gottsein wahres Wesen zeigt, indem er den Sohn auferweckt und ihm im Himmel zur Rechten seines Vaters setzt, so dass sie eine Einheit sind.

 

Dies hat für mich eine Reihe von weitgehenden Konsequenzen. Eine von ihnen wird kurz nach der Zurückweisung von Simon Petrus deutlich, wo dem Bekenntnis ein ethischer Ruf zur Nachfolge folgt, dass man sein Kreuz auf sich nehmen muss. Es ist nicht besonders klar, worin diese Kreuzesnachfolge besteht. Wir sollen uns selbst verleugnen, das Kreuz Jesu auf uns nehmen und ihm folgen. Wir sollen sogar Gefahr laufen, in der Nachfolge unser eigenes Leben zu verlieren, weil die ganze Fülle des Lebens eben hierin liegt: Was hast Du von wirtschaftlichem Reichtum und anderer falscher Sicherheit, wenn dein einziger Grund Jesus Christus ist? Deshalb sollst du ihm folgen, dem lebendigen Gott. Wie wir das tun sollen, das kennen wir aus anderen Stellen in der Bibel, wo das Gebot der Nächstenliebe das alttestamentliche Bekenntnis erfüllt: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen. von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Es geht um Barmherzigkeit, Freigiebigkeit, Nachgiebigkeit, Milde, Liebe – ja Feindesliebe. Da ist in Wirklichkeit kein ‚allein‘. Gottes Wort ruft uns zu Demut und Gehorsam, so dass wir die Liebe, mit der wir und bereits selbst lieben, auch anderen zuteilwerden lassen. Wer dein Nächster ist, ist in meinen Augen eine banale Frage. Jesus handelt nie eigennützig, sondern stets inklusiv. Das liegt im entscheidenden Ausgangspunkt des Christentums, dass Jesus sich nicht in sich selbst und seine jüdischen Landsleute verschloss, sondern sich denen öffnete, die die Botschaft noch nicht kannten. Mit anderen Worte, es gibt niemals einen Menschen, der uns gleichgültig wäre oder den man im Dienst einer anderen Sache opfern könnte. Der angeborene Selbsterhaltungstrieb soll sich nach außen der Welt zuwenden. Das können wir nicht uns selbst sagen, und deshalb offenbart sich Gott uns in Jesus, seinem lebendigen Sohn.

 

Das ‚allein aus Glauben‘ ist nicht gleichsam eine Zauberformel ist, die uns vor der Werkgerechtigkeit schützt, die alle Protestanten verabscheuen. Deshalb ist es vielleicht vielmehr eine Befreiung, dass Gott sich für uns als der Sohn des lebendigen Gottes offenbart hat, der sich ein für alle Mal mit unseren fehlenden guten Werken versöhnt hat und uns hierdurch wieder aufrichtet, so dass wir wieder frei werden, seiner Botschaft zu folgen. Vielleicht hat Simon Petrus in unserer Kirche die Funktion, dass unsere Kirche Tempel des zerbrochenen Felsens sein soll. Dort wo das Fundament der verspottete und gedemütigte Gott ist, können auch wir in all unserer Unvollkommenheit dabei sein. Der Gottesdienst ist keine Vorstellung, sondern die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott. Nicht dass der Gottesdienst sich jämmerlich darstellen soll. Vielmehr weil wir in der Kirche dien Symbole zu Worte kommen lassen und ihnen Form geben, verstehen wir unseren Platz als Diener Gottes. Aber nicht nur als seine demütigen Diener, denn wir sind schon als getaufte in Christus einverleibt als Teil seines Lebens und Leibes, wir sind seine Brüder und Schwestern mit Leib und Seele. So wie wir auch das Abendmahl feiern können, wenn wir mit Gott selbst zu Tische sitzen und Gott sich selbst für uns hingibt, so dass wir als das lebendige und gesegnete Volk Gottes gestärkt und erweckt werden.

 

Die Sprache des Symbols können wir mit uns nehmen, wo immer wir sind. Aber hier in der Kirche werden die Symbole deutlich, und ihre Bedeutung erhält die Kraft, überall dort zu wirken, wo sie verkündigt werden. Die Taufe, die wir empfangen haben, ist ein Zeichen für die Gabe, die jedem Menschen geschenkt ist, sie erzählt von der Gemeinschaft mit Gott, dass jeder Mensch in den Augen Gottes unverlierbar ist und deshalb niemals sterben wird, sondern ganz gleich mit welchem Erfolg oder welchen Alters leben soll und schon an der Ewigkeit teilhat. Und im Leib und Blut des Abendmahls, das Jesus uns reicht, werden unsere Fehler vergeben, und zugleich zeigen wir unsere Solidarität mit jedem anderen Menschen, indem wir zu Tische sitzen und essen und trinken ungeachtet der Unterschiede und Fremdheit, und in dieser Weise besteht unsere Nächstenliebe nicht nur in schönen Worten, sondern sie entfaltet sich in der Praxis. Das ist nämlich die Stärke des Symbols, dass es in uns wirkt und uns stärkt. Durch die Symbole bekennen wir Gott und lernen, das Leben in Gemeinschaft zu leben.

 

Das Kreuz ist nicht die Sprache der Ohnmacht und des Todes, es ist vielmehr die Sprache der Liebe und des Lebens. Deshalb sagt Jesus: ‚Wenn jemand mir folgen will, soll er sein Kreuz auf sich nehmen und mir folgen. Denn ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben‘. Amen.



Pastor Rasmus Nøjgaard
Kopenhagen, Dänemark
E-Mail: rn(at)km.dk

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