Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reminiszere, 17.02.2008

Predigt zu Markus 9:14-29, verfasst von Bent Arendt

"Sie konnten's nicht," sagte der Vater des kranken Knaben, als er Jesus erklärte, was seine Jünger hätten tun sollen: "Ich sagte zu deinen Jüngern, dass sie den bösen Geist von meinem Sohn austreiben sollten, aber sie konnten's nicht." Das ist die typische Reaktion gegenüber Gott: hier soll man so viel können, über das hinaus, was man sonst können würde; aber so ist es nicht, wir können's nicht, wir kommen zu kurz. Wer kann das Gebot der Nächstenliebe erfüllen? Wer kann solche Wunder tun, wie die Jünger gebeten wurden sie zu tun? Wer kann überhaupt beweisen, ob das, was Jesus getan hat, überhaupt etwas auf sich hat?

 

Immer nehmen wir dieses Wort "du kannst es nicht" mit zu Gott. Und deshalb folgt also immer ein "Warum konntest du's nicht?" nach, wie die Jünger Jesus fragten, als sie allein waren: "warum können wir das nicht, was damals geschah - wenn es überhaupt geschah?" Wenn wir immer dieses "Können" und "nicht Können" in unserm Verhältnis zu Gott mitdenken, dann hängt das vor allem damit zusammen, dass wir etwas von Gott erreichen, etwas von Gott bekommen wollen. Wozu sonst wäre Gott denn da? Es ist deutlich, dass Jesus nicht besonders begeistert war für dieses "Können" und "nicht Können" im Verhältnis zu Gott: "Du ungläubiges Geschlecht," sagte er, als der Vater sein "sie konnten's nicht" anführt. "Wie lange soll ich bei euch sein, wie lange soll ich euch ertragen?" Weil es im Wege stehen würde für das, was er den Menschen wollte. Wenn wir denken: "Kann ich von Gott nicht das bekommen, was ich gerne will, dann kann ich nichts mit ihm zu tun haben," - dann ist es ja in Wirklichkeit nicht Gott, zu dem wir ein Verhältnis haben wollen, sondern vielmehr das, wozu wir ihn gebrauchen können. Fast wie wenn man einen Menschen liebt und dann zu wissen bekommt: "Wenn du mich liebst, dann tu das und das: Mach sauber, kaufe etwas, tue wie der und der." Das macht es schwierig, sowohl zu lieben als auch das zu tun, worum man gebeten wird. Wir handeln zwar immerzu gegenseitig mit der Liebe auf diese Weise; aber im Verhältnis zu Gott ist das ein Handel mit dem Leben, dass es "so und so" sein soll, und dann stehen wir bereits im Wege, um es leben zu können.

 

Jesus fragte nicht nach "so und so" bei Menschen, denn dann wäre es nie zu etwas geworden. Er fragte nach Glauben, und glauben gerade nicht so wie dies "können"- sollen, wie wenn man sagt: "Ich kann nicht an Gott glauben." Das ist genauso ungereimt, wie wenn man sagt: "Ich kann nicht leben." Lebst du nicht gerade in dem Augenblick, wo du das sagst?! Sonst könntest du es ja gar nicht sagen. So ist Glaube in der Verkündigung Jesu Glaube, wie Wahrheit Wahrheit und Liebe ist. So einfach, dass Jesus die kleinen Kinder gebrauchte, die nicht viel andres können als leben und danach die Hand ausstrecken, sie sind Beispiel des Glaubens, wie wir bei der Taufe hörten: "Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen." Sie glauben, sie glauben an die Eltern und erwarten alles Gute von ihnen. - Da kann Gott uns entgegenkommen. Dann, im selben Augenblick, als Jesus über "das ungläubige Geschlecht" seufzte, da sagte er auch: "Bringt ihn her zu mir!" All unser Unglaube, all unser "können"- und "nicht können"-Wollen, alles war wir gegen Gott anstellen - das sind die Bedingungen für Jesu Verkündigung, die ja genau davon handelt, wie Gott sich unter die Bedingungen der Menschen begibt, um sich in dem Leben, das unser Leben ist, zu offenbaren.

 

Und nicht genug damit: Jesus begann auch, beim Vater nach dem Knaben zu fragen: "Wie lange ist's, dass ihm das widerfährt?" - weil er bei denen sein will, die zu ihm kommen, wie auch wir fragen können, wenn wir einander etwas wollen. So ist es von Mensch zu Mensch, wir begegnen Gott in Jesu Verkündigung, in dem Leben, das unser Leben ist. "Alles ist möglich dem, der da glaubt," sagte Jesus - und wieder: Gerade nicht, damit wir dann alles Mögliche erreichen können sollten, um dann gleich daran erinnert zu werden, was wir "nicht können", oder was jemand "kann" und andre "nicht können". "Alles ist möglich dem, der da glaubt" handelt von Gott, dass Gott sich mit seiner Möglichkeit mit allem verbindet, dem wir ausgesetzt werden. Wenn du Gott diktieren solltest, was Er "können" sollte, würden Seine Möglichkeiten für dich ja ungeheuer begrenzt sein. Auf die Spaltung zwischen Unglauben und Glauben, was wir "können" werden und wonach wir uns strecken müssen in Erwartung alles Guten, auf diese Spaltung war der Vater aufmerksam, als er der Möglichkeit Gottes für den, der glaubt, gegenüberstand, und deshalb rief er: "Ich glaube, hilf meinem Unglauben!" Da kam Jesus ihm entgegen. Ehe die Volksmenge zusammenkam in der Erwartung des großen, göttlichen Blitzes und was sie sonst noch gerne Gott "können" sehen wollten - kam Jesus dem Vater entgegen und befreite den Knaben von seinem Leiden und ließ ihn aufstehen, obgleich er wie tot war. Überall im Markusevangelium, aus dem diese Erzählung genommen ist, fordert Jesus seine Jünger auf, "es niemandem zu sagen", weil es sich für ihn ja um Glauben handelt und nicht um das große göttliche Ereignis und Wunder. Jesu Wundertaten sind keine Probe auf Gottes "Können", sondern ein Zeichen der Gegenwart Gottes, Seiner Möglichkeit im Leben der Menschen. Ein Zeichen, dass wir nie so weit vom Weg abkommen, dass Gott nicht auch da wäre, mit seiner Möglichkeit, wie immer Gott sie für uns gedacht hat, ungeachtet dessen, was wir "können" oder "nicht können", mitten in unserem Glauben und Unglauben, wie es auch für den Vater war, und wären wir wie tot, wie es für den Knaben war, der Hilfe bekam.

 

In gewissen Abschnitten unseres Lebens liegt es uns ganz nahe, die Hand und die Möglichkeit anzunehmen, in anderen Abschnitten sind wir mehr daran interessiert, was wir "können" und "nicht können". Aber das ändert nichts an Gott, Seiner Gegenwart und Möglichkeit. Und das ist klar: Wenn wir nicht ohne Weiteres Gott sehen oder festhalten können, so wie wir einander festhalten können, da Gott "alles in allen" ist, wie der Apostel Paulus sagt, dann ist der Glaube auch schwierig für den, der vor allem daran denkt, "sich selbst ein Leben zu schaffen", wie es heißt. Aber das bedeutet nicht, dass Gott mit seiner Möglichkeit nicht da wäre, nur dass Gott auf dieselbe Weise da ist wie das, was sonst unser Leben zusammenhält - was wir auch nicht sehen, wohl aber erfahren können: Die Liebe können wir nicht sehen, wir können nur an sie glauben. Und wenn wir sie erfahren, gibt es mit ihr immer auch eine andre Möglichkeit für unser Leben. Die Wahrheit können wir nicht sehen, wir können nur an sie glauben, aber wenn wir es Ihm überlassen, uns das Leben und die Möglichkeit zu geben, die wir uns nicht selbst schaffen können - "diese Art kann nur durch Beten geschehen", wie Jesus es ausdrückte - dann geht es nicht mehr um die Frage, was wir "können" und "nicht können". Denn dann sind wir bereits mit dem im Gang, was wir sollen, da Gott weder uns im Stich lassen noch untätig sein kann mit seiner Verheißung, dass er mit seiner Möglichkeit bei uns ist.



Sognepræst Bent Arendt
Århus (Dänemark)
E-Mail: brar(a)os.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


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