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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Advent, 09.12.2018

Predigt zu Lukas 21:25-36 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Elof Westergaard

Jesaja 11,1-10; Römer 15,4-7 und Lukas 21,25-36 (dänische Perikopenordnung)

 

Eine alte jüdische Legende erzählt davon, dass Adam und Eva, die aus dem Garten Eden verwiesen waren und zu ersten Mal erlebten, dass die Sonne unterging, furchtbare Angst bekamen. Adam war davon überzeugt, dass Gott nun die geschaffene Welt zurückziehen würde in die Finsternis und Öde, das Tohuwabahu, das existierte, ehe überhaupt etwas war. Alle Formen, alle Dinge und alles Lebendige in der Welt würden sich nun auflösen in die Nacht und in die ewige Finsternis verschwinden. Das Gericht über Adam und Eva würde nun Wirklichkeit: Aus Erde bis du genommen, und zu Erde sollst du mit der geschaffenen Welt werden.

Adam und Eva setzten sich zueinander in der Dämmerung. Sie hielten einander fest, während sich die Finsternis ausbreitete, und die Legende erzählt, dass die die ganze Nacht weinten. Sie wagten nicht darauf zu hoffen, dass der Tag jemals wiederkommen würde, dass die Sonne wieder aufgehen würde. Sie saßen als Verstoßene und Verurteilte in dem, was sie nun für die kommende ewige Nacht hielten.

Aber die Nacht wurde wieder zu einem neuen Tag, und die Finsternis dauerte nicht ewig. Das Morgengrauen kam, und die Schwalben flogen hinauf, und Adam und Eva erhoben sich und dankten Gott.

Wir Menschen gleichen Adam und Eva, uns bleibt nicht erspart, im Dunkeln zu sitzen, Ohnmacht zu spüren und die Angst vor dem, was uns in der Zeit bedroht. Aber sehen wir auch um uns nur Nacht und verlieren leicht den Mut, so ist das Evangelium eine Fanfare, ein Bote für uns, dass die Morgendämmerung noch immer kommt.

Finsternis. Leiden, innere Dämonen und äußere Bedrohungen gibt es. Zerstörung und Tod betreffen die Welt noch immer. Das Evangelium übersieht diese zerstörerischen Kräfte in der Welt nicht, aber das Gericht, das Jesus verkündet, enthält dagegen anderes und mehr als Zerstörung und Tod.

Das Gericht Gottes ist ein Gericht der Gnade. Jesus sagt es uns im Lukasevangelium: „Wenn aber dies anfängt zu geschehen, dann steht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht“. Mit anderen Worten: Habt keine Angst. Fürchtet nicht! Das Gericht ist nicht nur ewige Finsternis, Angst und Ratlosigkeit, Zerstörung und Tod. Das Gericht Gottes ist die Hoffnung der Morgendämmerung. Auch wenn Himmel und Erde vergehen, hält Gott an dem fest, was er geschaffen hat. Da ist mehr und anderes zu sagen über das Leben von uns Menschen und die Gemeinschaft miteinander hier auf Erden als dies, dass wir alle zusammen in Staub und Asche versinken.

Die jüdische Legende erzählt von der Hoffnung im Bild von der Morgendämmerung, dem neuen Tag, der kommt. Der Prophet Jesaja bringt in der alttestamentlichen Lesung zum zweiten Advent in dem Bild vom Frieden zwischen den Tieren dieselbe Hoffnung zum Ausdruck. Wenn der König der Gerechtigkeit gekommen ist, dann wird der Wolf beim Lamm sein, der Panther liegt mit dem Böcklein und der Säugling wird gefahrlos mit der Natter spielen. Das ist das Bild einer geborgenen Welt.

Eine utopische Welt, eine Illusion, wird der Realist vielleicht einwenden. Er wird stattdessen auf den Trieb von Mensch und Tier verweisen und von da her ein hartes Urteil über die Worte von Jesaja vom Frieden zwischen allen Geschöpfen fällen.

Die Worte des Propheten sind jedoch anderes und mehr als der Optimismus einer billigen Weissagung. Die Worte gründen in einem Vertrauen an Gott, dass für ihn alles möglich ist. Ein Glaube und ein Vertrauen, dass nicht von großen Donnerschlägen in Sonne und Mond getragen ist, sondern vielmehr von dem Zweig, der wie ein Stamm hervorwachsen kann, und von einem Kind, das in der Weihnacht geboren wird. Die Adventszeit ist die Wartezeit, in der wir passenderweise über die tiefe Hoffnung nachdenken können, die uns Weihnachten bringt: Licht in der Finsternis, Morgengrauen über dem Leben, das außerhalb des Paradieses und im finsteren Schatten des Todes gelebt wird. Hier soll das Licht leuchten, hier sollen wir und erheben, Gott danken und loben in Wort und Tat. Einen gesegneten Advent. Amen.



Bischof Elof Westergaard
Ribe, Dänemark
E-Mail: eve(at)km.dk

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