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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Advent, 16.12.2018

Gemeinsam Gott loben
Predigt zu Römer 15:4-14, verfasst von Paul Wellauer

Römer 15,4-14 Was in der Gemeinde zählt [Die Zürcher Bibel, 2007]

4 Ja, alles, was zuvor geschrieben wurde, ist uns zur Belehrung geschrieben, damit wir mit Beharrlichkeit und mit dem Trost der Schriften an der Hoffnung festhalten. 5 Der Gott der Geduld und des Trostes lasse euch untereinander eines Sinnes sein, nach dem Vorbild des Christus Jesus, 6 damit ihr den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus einmütig und einstimmig lobt. 7 Darum nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat, zur Ehre Gottes. 8 Ich sage nämlich: Um der Wahrhaftigkeit Gottes willen ist Christus zum Diener der Beschnittenen geworden, um die Verheissungen, die an die Väter ergangen sind, zu bekräftigen. 9 Die Heiden aber sollen um der Barmherzigkeit willen Gott preisen, wie geschrieben steht: „Darum werde ich dich bekennen unter den Heiden und deinem Namen lobsingen.“ (Psalm 18,50)  10 Und an anderer Stelle heisst es: „Freut euch, ihr Völker, zusammen mit seinem Volk.“ (5. Mose 32,43) 11 Und an anderer Stelle: „Preiset, all ihr Völker, den Herrn, loben sollen ihn all seine Völker.“ (Psalm 117, 1)  12 Jesaja wiederum sagt: „Ausschlagen wird die Wurzel Isais, und hervortreten wird, der sich erhebt, um über die Völker zu herrschen; auf ihn werden die Völker hoffen.“ (Jesaja 11,10)  13 Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, den er euch schenkt, und ihr werdet im Überfluss teilhaben an der Hoffnung durch die Kraft des heiligen Geistes.

 

Liebe Gemeinde, liebe Brüder und Schwestern

„Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, den er euch schenkt, und ihr werdet im Überfluss teilhaben an der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes!“(Vers 13)

Welche kraftvollen, ermutigenden und hoffnungsvollen Worte, die Paulus hier an seine christlichen Geschwister in Rom sendet! Hoffnung, Freude, Frieden, Glauben, Überfluss, Kraft – von Gott durch den Heiligen Geist: Paulus zieht alle Register auf seiner theologischen Orgel, greift mutig in die Tasten und lässt einen kräftigen Schlussakkord erklingen.

Nach vierzehn langen und gehaltvollen Kapiteln Brieftext an die Römer ist er nun in den letzten Gedankengängen angekommen, die er mit ihnen unbedingt noch teilen möchte. Danach folgen noch Ausführungen über seine Reisepläne und ausführliche persönliche Grüsse an die Christen und Christinnen der römischen Gemeinde.

 

Diese abschliessenden Gedanken auf den Punkt gebracht: Gemeinsam Gott loben!

 

 

  1. Gemeinsam

Wer ein musikalisches Werk mit einem Orchester aufführen will, kann im besten Fall auf alle unterschiedlichen Instrumente abgestimmte Notensätze an die Musikerinnen und Musiker verteilen, einige Male mit dem ganzen Orchester oder einzelnen Gruppen daraus üben und schon erklingt ein vielstimmiges Werk. Paulus hat sich die Musiker und Musikerinnen in Rom allerdings nicht selbst ausgesucht und zusammengestellt: Der Römerbrief ist der einzige seiner Briefe, die er an eine Gemeinde schreibt, die er nicht selbst gegründet hat. Andere haben dort die frohe Botschaft von Jesus Christus verkündigt, Menschen in die Nachfolge geführt und im christlichen Glauben geschult. Und diese «Musiker im römischen Gemeindeorchester» haben die unterschiedlichsten Traditionen und Erfahrungen: Viele waren so genannte Heiden, einige aber hatten jüdische Wurzeln. Ihnen allen erläutert Paulus seine Sicht der frohen Botschaft bis ins letzte Detail, fängt wortwörtlich bei Adam und Eva an, führt sein Lehre über Sünde und Gerechtigkeit aus und beschreibt das neue Leben aus Gnade. Drei ganze Kapitel widmet er dem «ursprünglichen göttlichen Orchester», dem Volk Israel und Gottes weiterführenden Plänen mit diesem.

Auch in unserem Predigttext schlägt er den Bogen zu den Überlieferungen des ersten Bundes, mit mehreren Zitaten und dem einführenden Satz: «Ja, alles, was zuvor geschrieben wurde, ist uns zur Belehrung geschrieben, damit wir mit Beharrlichkeit und mit dem Trost der Schriften an der Hoffnung festhalten.» (Vers 4)

Die Töne und Akkorde von Gottes irdischer Musik sind noch die gleichen, aber es werden daraus neue Melodien gebildet, neue Klänge entwickelt: Wo ehemals das Gesetz des Mose den Grundtenor angab, erklingen nun die Töne der Gnade und Liebe, wo Sünde und Tod den Klang bestimmten, treten nun Glaube und Gottes Geist in den Vordergrund. Geblieben ist die Gewissheit: Gott ist treu und schaut zu seinen Geschöpfen, er kennt den Weg und das Ziel. Mit Jesus Christus ist eine Person erschienen, welche diese neuen Töne erst möglich macht: Auferstehung, Gnade ohne Werke, neues Leben durch seinen Tod u.v.m.

Und wie es in der Musik für jeden Musikstil Liebhaber und Gegner gibt, so auch, wenn es um diese göttlichen Töne und Melodien geht. Paulus ist sich bewusst, dass es in Rom, wie in den anderen Gemeinden, unterschiedliche Strömungen und Parteien gibt, die in den Wohlklang der göttlichen Musik Misstöne einstreuen und deren Wohlklang und Wirkung gefährden.

Daher ruft er die Mitglieder der römischen Gemeinde inständig auf: «Der Gott der Geduld und des Trostes lasse euch untereinander eines Sinnes sein, nach dem Vorbild des Christus Jesus, damit ihr den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus einmütig und einstimmig lobt.» (Verse 5-6)

 

In meiner Zeit am Gymnasium war ich eine Zeit lang Mitglied im Schülerchor. Uns pubertierenden Jugendlichen stand der Sinn längst nicht immer nach klassischen Chorwerken. Vieles Anderes erschien uns weit interessanter: Die Fussballresultate vom Vorabend, die Mädchen im Sopran und Alt und die bevorstehende Französischprüfung. Es kostete den Chorleiter oft einiges an Energie und Überzeugungskunst, bis wir uns auf unsere eigentliche Bestimmung im Chor zurückbesinnen konnten: Gemeinsam ein musikalisches Werk einüben. Ich erinnere mich aber auch an die erhebenden Momente, wenn wir dann festlich gekleidet vorne auf der Bühne standen und mit stolz geschwelgter Brust die mehrstimmigen Lieder vortrugen: Ein unbeschreibliches Glücksgefühl, Freude und Stolz über das gemeinsam Erreichte, gekrönt vom Applaus der Eltern und Gäste.

Paulus ist dieser Chorleiter, der die «pubertierenden» Gemeindeglieder mit Liebe und Strenge zur Besinnung ruft: «Gott ist geduldig und voller Barmherzigkeit, er schenkt euch tiefe Einheit in der Person und im Werk Jesu Christi. So besinnt euch auf eure grundlegende Bestimmung als Christen: Pflegt und lebt Einheit, sucht die gemeinsame Melodie, stimmt ein in das gemeinsame Lied zum Lob und zur Ehre Gottes! Euer Lohn wird am Ende weit grösser sein, als auf einer Bühne zu stehen und den Applaus zu geniessen.»

 

  1. Gott

«Gott allein die Ehre» hielt Johann Sebastian Bach auf jedem seiner Notenblätter fest. Was steht am Ende meines Tages- und Lebenswerks auf meinem «Notenblatt»? Erkennen meine Mitmenschen, dass ich zur Ehre und zur Freude Gottes lebe, denke, wirke, träume?
Die kritische Rückfrage sei erlaubt: Wie soll denn dies sichtbar sein, woran erkennen andere, dass wir als Christen «Gott zur Ehre» leben wollen?

Im Johannesevangelium hören wir als Erkennungszeichen aus dem Mund von Jesus: «Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.»(Johannes 13,35)

In oft verschlungenen, verschachtelten Sätzen lesen wir im Johannesevangelium, wie diese Liebe zueinander nicht zu trennen ist von der Liebe zu Gott und umgekehrt: Wer Gott Liebe erweisen will, wird auch seine Brüder und Schwestern lieben, und wer Nächstenliebe übt, zeigt damit ebenso die Liebe zu Gott.

 

 

Paulus sagt es weniger verschachtelt, eher geradlinig und unausweichlich: «Darum nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat, zur Ehre Gottes. Ich sage nämlich: Um der Wahrhaftigkeit Gottes willen ist Christus zum Diener der Beschnittenen geworden, um die Verheissungen, die an die Väter ergangen sind, zu bekräftigen. Die Heiden aber sollen um der Barmherzigkeit willen Gott preisen, wie geschrieben steht: Darum werde ich dich bekennen unter den Heiden und deinem Namen lobsingen.» (Verse 7-9)

 

«Nehmt einander an!», das geht weit darüber hinaus, im selben Chor zu singen. Chorproben dauern eine Stunde oder zwei, so wie unsere Gottesdienste. Für diese kurze Zeitspanne fällt es leicht, in dasselbe Lied einzustimmen und Gemeinsamkeiten höher zu gewichten als Unterschiede. Wie sieht es aber im Rest der Woche aus, wenn wir uns als Schülerin und Lehrer, als Ärztin und Patient, als Nachbarn oder als Mitglieder der Kirchgemeindeleitung begegnen? Was, wenn mir die Sprache, der Frömmigkeitsstil, die theologischen Ansichten meines «Bruders», meiner «Schwester» ganz und gar nicht passen: Muss ihn dann trotzdem annehmen? Kann ich sie dann trotzdem lieben und achten?

In einer Familie bleibt man Bruder und Schwester, egal, ob man sich gerade liebt oder zofft. Und ja: Auch in einer christlichen Gemeinde ist und bleibt man Schwester und Bruder, ob man nun dieselbe Spiritualität pflegt, lieber Bach oder Worship-Musik hört. Die Herausforderung allerdings ist und bleibt, diesen Umstand anzunehmen und eben auch die ganz anders tickende Schwester und den völlig anders singenden Bruder.

 

Grundlage und Vorbild dafür ist das Vorbild und Heilswerk von Jesus Christus: Er hat sich auch an jene verschenkt, die ihn ablehnten, ist auch für jene gestorben und auferstanden, die einen ganz anderen Lebensstil pflegten als er. Er hat sich ganz in den Dienst und die Pflicht der jüdischen Überlieferung gestellt, ist als Sühnopfer, als Opferlamm gestorben. Und Gottes Barmherzigkeit hat sich so auch allen nichtjüdischen Völkern eröffnet: Das Lied von Gottes Gnade und Liebe erklingt seit Pfingsten in allen Sprachen und Völkern. Und wenn Gott durch Jesus Christus alle Völker einlädt, in seine Symphonie einzustimmen, sollen wir das nicht mit unseren menschlichen Misstönen erschweren und verhindern.

 

  1. Loben

«Alle Völker sollen Gott loben!» Paulus zitiert zwei Psalmen, Mose und Jesaja und schlägt damit den grossen Bogen von den Ursprüngen von Gottes Volk in die Gegenwart und Zukunft.

Ihm liegt viel daran, in allen Entwicklungen und Veränderungen das Verbindende und Bleibende zu betonen: Wir Menschen sind dazu aufgerufen, Gott zu loben und zu ehren. Viele Jahrhunderte lang hat sich Gott ein ganz bestimmtes Volk auserwählt und ausgesondert, mit dem er sich auf den Weg machte, dem er Regeln gab und von dem er Lob erwartete. Immer schon hatten es die Propheten verheissen, dass diese besondere Verbindung von Gott und seinem Volk Israel beispielhaften Charakter hatte und der Segen über Abraham auch ein Segen für die Völker ist.

Jesaja verheisst: Aus dem Wurzelstock Isais wird eine neue Pflanze aufwachsen. So wird es in dieser Adventszeit immer neu gelesen und auf Jesus hin gedeutet. David war der leibliche Sohn Isais, der «neue David» Jesus Christus wächst aus derselben Wurzel und all die weiteren Völker werden «eingepfropft». (Römer 11,11-24) Dies alles mit dem Ziel, dass alle Völker der Erde Gottes Barmherzigkeit erfahren und mit ihrer Dankbarkeit und ihrem Lob darauf antworten können.

 

Kürzlich durfte ich an einem Konzert teilnehmen von jungen Musikern, die in Peru aufgewachsen sind. [Die Band heisst Trinity – Trinität.*] Ihre Familien stammen aber ursprünglich aus Holland. Ihre Musik ist ein wahres Feuerwerk von musikalischen Stilrichtungen und kreativen Einfällen. Sie spielen eine ganze Reihe von traditionellen und modernen Instrumenten, singen ihre Lieder in Niederländisch, Englisch, Spanisch, Deutsch und Peruanischen Dialekten. Sie sind schon in vielen Ländern aufgetreten. Ihre Lebensfreude ist ansteckend und ihre Begeisterung reisst die Konzertbesucher mit. Und aus meiner Sicht etwas vom Eindrücklichsten: Sie singen ihre Lieder zur Ehre Gottes, sie motivieren Menschen, sich Gedanken zur christlichen Botschaft zu machen und unterstützen mit ihrer Musik Projekte in den ärmsten Regionen der Welt. Sie sind für mich ein lebendiges Beispiel, dass die Freude überwiegt, wenn wir uns aufmachen, uns gegenseitig annehmen und gemeinsam Gott ehren und loben.

 

An uns ist es, je eigene, zeitgemässe und verbindende Formen für das Lob Gottes zu suchen und zu entwickeln. Gott schenke uns dazu Freude, Kreativität und Geduld. Machen wir uns auf, um «Gemeinsam Gott zu loben!»

So gilt auch uns die Verheissung von Paulus:„Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, den er euch schenkt, und ihr werdet im Überfluss teilhaben an der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes!“(Vers 13)

Amen

 

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Bilder: Pixabay.com

https://pixabay.com/de/noten-klavier-piano-tasten-279333/

https://pixabay.com/de/lob-gottesdienst-1154566/

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*) https://bandtrinity.com/

 

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Paul Wellauer, geb. 1967, Pfarrer der evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, Schweiz. Seit 2009 in Bischofszell-Hauptwil, 1996-2009 in Zürich-Altstetten, davor 1993-1996 Seelsorger und Projektleiter in den Sozialwerken Pfr. E.Sieber, Zürich



Pfr. Paul Wellauer
Bischofszell, Thurgau, Schweiz
E-Mail: paul.wellauer@internetkirche.ch

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