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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christnacht, 24.12.2018

Zwischen Himmel und Erde
Predigt zu 1. Timotheus 3:16, verfasst von Christoph Gamer

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging ...“

Liebe Gemeinde,

Es sind diese Worte, bei denen nicht nur mancher Jugendlicher die Augen verdreht: Jedes Jahr dasselbe! Und überhaupt, wer redet denn noch so, so verschroben?

Andere nicken zufrieden. Wenigstens auf die Kirche ist Verlass, wo sich sonst alles verändert!

„Es begab sich aber zu der Zeit ...“, und viele werden bei diesen Worten von einem wohligen Schaudern erfasst. Sie gehören nun mal zu dieser Nacht, die nicht nur für Kinder etwas Geheimnisvolles an sich hat.

 

„Groß ist das Geheimnis (...) des Glaubens“. So schreibt der Apostel Paulus seinem Freund Timotheus über das, was in dieser Nacht geschah. Ungewohnt für unsere Ohren klingt seine Fassung der Geschichte von Weihnachten.

„Groß ist das Geheimnis (...) des Glaubens“. Paulus lüftet es so – kurz und knapp und bei aller Tradition heute also auch etwas Neues:

„Er, Christus, ist offenbart im Fleisch,

gerechtfertigt im Geist,

erschienen den Engeln,

gepredigt den Heiden,

geglaubt in der Welt,

aufgenommen in die Herrlichkeit.“

So weit, so kurz.

 

Ist jemand jetzt klüger als zuvor? – Nein, Paulus erklärt nicht. Er erzählt keine Geschichte wie die, die in dieser Nacht Tradition ist. Er entreißt Weihnachten sein Geheimnis nicht. Er besingt vielmehr das „Geheimnis des Glaubens“.

Tun wir es ihm gleich. Das Lied dazu hat Paul Gerhardt gedichtet:

 

Lied: Ich steh an deiner Krippen hier (EG 37,1+4)

 

„ ... dass ich dich möchte fassen.“

Wessen Verstand ist so groß und wessen Seele so weit, dass er dem Geheimnis auf die Spur zu kommen vermag?

 

Wir hier im Norden kennen uns doch aus mit Geheimnissen! Kaum eine literarische Gattung ist in Deutschland so beliebt wie Krimis aus Skandinavien. Auch in diesem Dezember wieder auf den Bestseller-Listen ganz vorne mit dabei.

Krimis aus dem Norden: Sie kommen aus fünf Ländern, in denen der Lebensstandard höher ist als anderswo. Das Bildungs- und Gesundheitssystem erstklassig. Wo, wenn man Umfragen glaubt, die zufriedensten Menschen leben.

Aber die Krimis aus Skandinavien, die zeichnen ein anderes Bild von hier: Das Böse lauert direkt unter der Oberfläche, die nur von außen betrachtet so friedlich erscheint. Nie ist es weiter entfernt als einen Steinwurf. Um es zu enttarnen, darf man nicht allein auf das fokussieren, was man sieht. Der Schlüssel zum Geheimnis liegt in Ereignissen von früher und in der Vergangenheit der handelnden Personen.

 

Aus Island kommt dieses Jahr zu Weihnachten Konrads dritter Fall. Auch im Ruhestand holt ihn seine Vergangenheit als Polizeikommissar immer wieder ein. Im Drogenmilieu ist er gefragt, wo eine Jugendliche, wie es scheint durch eine Überdosis, zu Tode gekommen ist. Zeitgleich beginnt Konrad sich für das Schicksal eines 12jährigen Mädchens zu interessieren, das Jahrzehnte zuvor im Teich im Stadtpark ertrunken aufgefunden wurde.

Seine Nachforschungen konfrontieren ihn erst mal mit seiner eigenen Vergangenheit: ein gewalttätiger Vater, vor allem gegenüber seiner jüngeren Schwester, der unter bis heute ungeklärten Umständen ermordet wurde. Gleichzeitig führen sie ihn in die Welt von Pädophilen. Erwachsene, oft Verwandte, die einen sicheren Instinkt für schwache Familienstrukturen haben und ihre Hilfe anbieten um dann die Kinder zu Abscheulichem zu zwingen; die Kinder in Abhängigkeiten bringen, aus denen sie sich nicht selber befreien können, und die im Zweifelsfall vor nichts zurückschrecken.

Es ist das: der Blick in den Abgrund dessen, was Menschen einander antun, der den Reiz von Krimis aus dem Norden ausmacht. Der Schlüssel zum Geheimnis, er liegt in den Tiefen des Menschlichen. Wer sich die Mühe macht dort hinabzusteigen, wird klüger.

 

Wie einen Kriminalkommissar aus Skandinavien beschreibt Paulus Gott: „Offenbart im Fleisch“ – ja, in Gestalt von Jesus begibt er sich dorthin, wo es sehr menschlich zugeht.

„Das ist das Schönste, was ich von Gott weiß“, sagte mir eine junge Frau neulich beim Bibellesen: „Wie Gott seine Komfortzone verlässt; dass er, der Mensch Jesus, mein Leben teilt und mir eine Beziehung mit sich anbietet.“ Diese Erkenntnis machte sie so froh, dass sie sich als Erwachsene taufen ließ.

Sogar in die Tiefen des Menschlichen begibt sich Gott. Auch dorthin, wo es kriminell zugeht. „Dass man Menschen in Not nicht hilft, ist ein Verbrechen!“, empörte sich ein Jugendlicher. „Einer Frau in  Wehen, Ausländerin hin oder her, bloß einen Stall für die Nacht anzubieten, ist doch keine Hilfe!“

Auch das ein menschlicher Abgrund. Viele bei uns, die im Herbst 2015 und seitdem Flüchtlingen mit einem Bett und einem Dach über dem Kopf geholfen haben, haben dieses Jahr oft dort hinabgeblickt, in diesen Abgrund. Eine über 90jährige Schwedin war in diesem Herbst über die Ausweisung „ihrer Jungen“, wie sie sie nennt, nach Afghanistan so verzweifelt, dass sie die Erzbischöfin persönlich um Hilfe anrief.

In den Tiefen des Menschlichen, da liegt der Schlüssel.

„Groß ist das Geheimnis (…) des Glaubens“, bekennt Paulus. In dieser Nacht lüftet es Gott wieder, indem er sich in menschliche Gesellschaft begibt.

 

Wie enden Krimis, nicht nur die aus Skandinavien? –

Damit, dass die Wahrheit unter dem Schleier des Geheimnisses aufgedeckt wird. Um die Opfer wieder ins Recht zu setzen und – wo möglich – dafür zu sorgen, dass Gerechtigkeit vollstreckt wird. Was geschehen ist, wird dadurch nicht ungeschehen. Aber dass das Geheimnis enttarnt ist – es hilft denen, die zurückbleiben, weiterzugehen.

 

Gott taucht ein in die Tiefe des Menschlichen um uns eine andere Perspektive zu geben. Von Engeln und himmlischer Herrlichkeit schreibt Paulus in seiner Fassung der Geschichte von Weihnachten. In dieser Nacht kommt Gott zur Erde. Er lüftet den Schleier des Geheimnisses und gibt uns den Blick in den Himmel frei.

 

Sein Friede ist größer als die Vernunft. Er bewahre eure Herzen und eure Gedanken bei Jesus Christus. Amen.

 

 

Begrüßung:

Herzlich willkommen bei uns an diesem Abend!

Für Viele gehört es einfach dazu, sich heute auf den Weg in die Deutsche Kirche zu machen. Es ist eine Tradition, schon seit Jahrzehnten. Hier sein mit Menschen, die dieselbe Sprache sprechen, dieselben Lieder singen und dieselben Geschichten kennen.

Traditionen sind den meisten wichtig. Gerade zu Weihnachten.

Aber echte Weihnachtsfreude braucht auch Geheimnisse. Nicht nur für Kinder, die es kaum erwarten können, die Geschenke auszupacken.

In diesem Gottesdienst wollen wir dem Geheimnisvollen an Weihnachten auf die Spur kommen.

 

I Faderns och Sonens och den heliga Andens namn. Amen.

I julens under blir det möjligt:

Mörkret fylls av ljus.

Natten vänds till dag.

Världen fylls av liv –

och Gud är nära.

 

Varmt välkomna till Tyska kyrkan och till vår julsångsgudstjänst som vi traditionsenligt firar redan på Lillejulafton.

Ni hittar alla texter och översättningar till bibelläsningarna i programmet.

Låt oss be.

 

 

Tagesgebet:

Gott,

Wünsche und Sehnsüchte bringen wir mit zu diesem Fest.

Geh uns zu Herzen, wenn wir wie jedes Jahr, wie jede Generation die vertrauten Worte hören und die Lieder singen.

Lüfte du das Geheimnis von Weihnachten für uns.

Mach uns froh in dieser Nacht.

Amen.

 

 

Fürbitten:

Jesus Christus,

in der Stille der Nacht,

in die Dunkelheit von Menschenleben bist du geboren.

Wir bitten dich für alle, die zu Weihnachten allein sind;

wir bitten dich für die Kranken und für die, die heute Nacht Hilfe brauchen.

 

Gott, du machst dich schutzlos, angreifbar.

Wir bitten dich für alle, um die herum Krieg herrscht;

für die Kinder bitten wir, deren Körper und Seelen verwundet sind.

Gib denen Mut und Entschlossenheit, die Konflikte lösen und sich für Frieden einsetzen.

 

Wir freuen uns über deine Geburt, Jesus, und danken dir.

Wir bitten dich für alle, die uns fehlen.

Schenke uns und unseren Liebsten Freude zum Fest.

Das Geheimnis von Weihnachten – gib, dass es hineinstrahlt auch in die Zeit danach.

 

Was uns durch den Kopf geht und was unser Herz bewegt, das legen wir in die Worte hinein, die du uns zum Gebet gegeben hast: Vater unser im Himmel …

 

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Christoph Gamer, geb. 1974, Pfarrer der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers. 1998-2002 Mitarbeit in der Isländischen Staatskirche. Seit 2013 als Pfarrer an der Deutschen Christinenkirche in Göteborg, Schweden tätig.



Christoph Gamer
Göteborg, Schweden
E-Mail: christoph.gamer@svenskakyrkan.se

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