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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Erster Weihnachtstag, 25.12.2018

Von der Krippe auf einem anderen Weg zurückgehen
Predigt zu Johannes 1:1-14, verfasst von Friedrich Seven

Text

1) Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2) Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3)Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

4) In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen.

5) Und das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

6) Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes.

7) Der kam zum Zeugnis, um von dem Licht zu zeugen, damit sie alle durch ihn glaubten.

8) Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht.

9) Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.

10) Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht, aber die Welt erkannte ihn nicht.

11) Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf.

12) Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, 13) die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.

14) Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

 

Liebe Gemeinde,

sicher waren einige von uns auch gestern, am Heiligen Abend, in der Kirche. Vielleicht haben Sie auch das Krippenspiel unserer Kindergottesdienstkinder gesehen oder ein anderes.

Aber auch, wenn Sie gestern den Weg in die Kirche nicht gefunden, vielleicht ja gar nicht gesucht haben, wissen Sie trotzdem so ungefähr, welche Geschichte da gestern gespielt und was von der Kanzel gelesen worden ist: Es begab sich aber zu der Zeit... .

Diese Worte sind uns von alters her vertraut.

Vom Weg nach Bethlehem, vom Kind in der Krippe, von den Hirten auf dem Felde bei den Hürden und von den Engeln am Himmel wurde gestern wieder erzählt. Auch wenn Sie nicht dabei waren, wissen sie das. So kennen wir den Heiligen Abend.

Doch damit liegt die Weihnachtsgeschichte noch nicht hinter uns.

Auch heute, am ersten Weihnachtstag, hören wir von dieser Geschichte, nur klingt alles ganz anders: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.

Da ist nichts von der Krippe zu hören, nichts von dem Kind, zu dem sich die Hirten aufgemacht haben und nichts von Maria und Josef. Hier geht es um Gottes Wort und, wie überraschend, um uns: Wir hätten Gottes Herrlichkeit gesehen.

Ist da wirklich von uns, wirklich von Dir und mir die Rede? Lass ich mich ansprechen, oder hör ich mir einfach nur an, wie da einer zu seinen Zuhörern spricht?

Trete ich in den Kreis und will ich es auch mir gesagt sein lassen, dass das Wort Fleisch ward, dass Gott zur Welt gekommen ist? Höre ich auf Gottes Wort als auf ein Wort, mit dem er schon die Welt und uns Menschen geschaffen hat, und in dem er sich als so mächtig erwiesen hat, dass er selbst Mensch werden konnte?

Auch das Johannes-Evangelium will uns nichts anderes erzählen, als was wir gestern schon hören konnten: Gott ist Mensch geworden in Jesus, seinem Sohn.

Weihnachten, das bedeutet: Gott hat sich selbst in die Welt begeben. Er ist in sein Eigentum gekommen.

Doch ist es nicht besser, wenn er uns fremd bleibt, gar nicht erst heimisch werden kann bei uns?

Wollen wir denn wirklich glauben, dass darin unser Heil liegen könnte, uns auf einen Menschen einzulassen, der es von einem Kind in der Krippe bis zu einem Verspotteten und Gekreuzigten gebracht hat?

Ist es nicht viel einfacher, mal wieder die anrührende Geschichte von der Geburt im Stall gehört zu haben? Sollen wir uns wirklich mit ihm auf den Weg machen bis vor sein Kreuz auf Golgatha?

Ähnlich soll uns Gott ja schon sein, eben einer, der da im Himmel auch mal Humor hat, mit väterlichen Augen auf uns sieht und uns manches nachsieht; aber so ähnlich, dass er Fleisch und Blut annimmt und am Ende gar verblutet, das muss doch nicht sein.

Wir haben am Heiligen Abend gerne zugehört und freudig in den Lobgesang mit eingestimmt. Aber das, was uns das Johannes-Evangelium hier zumutet, davon hören wir lieber nichts mehr.

Das Wort ward Fleisch, das klingt doch am Tag nach Heiligabend so, als wollte uns einer die Freude an all den schönen Bildern vom Stall und von der Krippenaustreiben.

Doch auch die Hirten, unsere Freunde aus der Weihnachtsgeschichte, haben nichts anderes gehört und gesehen, als dass ihr Heiland ärmlich in Windeln liegt. Anders als wir heute, waren sie noch nicht durch den Weihnachtszauber vorbereitet, mit dem wir uns heute immer wieder in eine richtige Stimmung versetzen können.

Ihnen musste der Lobpreis der Engel, ihnen musste das, was sie gehört und gesehen hatten, reichen; und wie es uns Lukas erzählt, hat es ihnen zum Glauben gereicht. Sie breiten aus,was sie gehört und gesehen haben. Sie wissen: Da hat nicht irgendwer zu ihnen gesprochen, sie haben nicht irgendein Kind gesehen, sondern den Heiland, wie ihnen der Herr kundgetan hat.

Sie haben etwas gefunden, was sie ohne Gottes Wort nicht hätten finden können: das Kind und den Glauben daran, dass sie an der Krippe des Sohnes Gottes gestanden haben.

Sie schenken dem Kind nicht Glauben, sondern sie glauben an das Geschenk.

Auch ihnen ist in dieser Nacht eine Geburt widerfahren, die neue Geburt des Glaubens.

Daran will uns die Weihnachtsgeschichte bei Johannes erinnern, dass Gott mit dem Wort anfängt und wir damit anfangen können, diesem Wort zu glauben.

Ein Anfang des Glaubens kann darin liegen, Gott darum zu bitten, er möchte uns im Glauben stärken.

Ein Anfang kann auch darin liegen, dass wir gerade darin stark werden wollen, das Heil vom geborenen Heiland und nicht von uns selbst zu erwarten. Das unterscheidet das Weihnachtsgeschenk von all den anderen Gaben, mit denen wir uns sonst beschenken. Es ist keine von Gott kalkulierte, keine auf Ebenbürtigkeit bedachte Zuwendung, bei der er noch etwas zurück hielte. Gott gibt sich uns hier ganz, gibt sich mit Haut und Haar für uns verloren.

Wir haben ihn vor uns nicht in Schutz nehmen, nicht retten können.

Er ist zu uns vom Himmel herabgestiegen, wir können ihn nicht wie einen Hoffnungsträger hoch halten, so hoch, dass er für uns den Sieg in der Welt davontragen könnte. Sein Reich ist nicht von dieser Welt. Er hat uns befreit, dass er sich dem Gesetz des Stärkeren, wie es unter uns Menschen Geltung beansprucht, nicht angepasst hat.

Er hat sich dem Gesetz der Welt nicht gebeugt und damit das Recht des Schwachen nicht gebeugt.

Sein Sieg liegt in seiner Liebe zu uns Menschen.

Darum feiern wir Weihnachten als das Fest der Liebe, der Liebe, die sich als stärker erweisen wird als der Tod.

Wir können von der Krippe auf einem anderen Weg zurückgehen, auf dem wir von der Liebe weitergeben, die wir erfahren haben. Wir müssen nicht schenken, aber wir dürfen weitergeben von dem, was uns gegeben worden ist, von dieser Gabe, die umso reicher wird, je mehr wir davon verteilen und ausbreiten.

 Amen!



Dr. Friedrich Seven
Bad Lauterberg, Niedersachsen, Deutschland
E-Mail: e-mail:friedrichseven@t-online.de

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