Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag nach Epiphanias, 27.01.2019

Predigt zu Matthäus 8:1-13(dänische Perikopenordnung), verfasst von Poul Joachim Stender

Müßigkeit ist aller Laster Anfang. Einige haben gesagt, Faulheit ist, wenn du im Bett sitzt und keine Lust hast dich hinzulegen. Die Bibel warnt ständig vor Faulheit. Da steht u.a.: „Lässige Hand macht arm“, da steht auch: „Durch Faulheit sinken die Balken, und durch lässige Hände tropft es im Haus“. Das ist wahr. Man kann schnell ein undichtes Haus bekommen, wenn man nicht aufpasst und das Haus in Stand hält. Man kann bei einander viele schlechte Eigenschaften akzeptieren. Aber es fällt schwer, Faulheit zu akzeptieren. Wenn Kinder nicht nach dem Spielen aufräumen, ist das nichts anderes als Faulheit. Die dänische Gesellschaft ist eine Wohlfahrtsgesellschaf t. Wir stehen morgens früh, und wir gehen fleißig unserer Arbeit nach und kommen am späten Nachmittag zurück. Niemand kann den Dänen Faulheit vorwerfen. Wenn man in meinen Gemeinden spazieren geht, kann man sehen, wie aktiv wir sind. Die Häuser sind gut erhalten und gepflegt.

  Aber trotz all der Kritik an der Faulheit gibt es etwas, was schlimmer ist als physische Faulheit. Nämlich geistige Bequemlichkeit. Und da sind wir Dänen wirklich ganz faul. Wir können, wenn wir nicht aufpassen, in einer geistigen Krise enden, die viel katastrophaler sein wird als eine wirtschaftliche Weltkrise. Es erfordert großen Fleiß und viel Mühe, seine Seele zu erhalten. Das tut man nicht, indem man drei bis vier Stunden täglich fernsieht. Das tut man auch nicht, indem man täglich 24 Stunden arbeitet. Unser Geist muss ganz so wie unsere Wohnungen und unsere Körper und unsere Straßen gepflegt werden. Es ist nichts anderes als geistige Faulheit, nicht in die Kirche zu gehen oder nicht zu Gott zu beten. Warum ist die Kirche heute nicht voll? Warum sind die Leute geistig träge? Es ist bequemer, Brötchen zu essen und Zeitung zu lesen als Lieder zu singen und seinen Geist anzuregen. Es ist ja schön, dass die Leute Sport treiben und damit Übergewicht bekämpfen. Es ist aber nicht nur der Körper, der übergewichtig werden kann. Unser größtes Problem sind übergewichtige Ego’s, die einer Schlankheitskur bedürfen. Kirchgang und Gebet sind der Sport und die Fitness für den Geist. Sie eröffnen uns eine Welt, die ungeahnte Tiefen und Höhen enthält. Es ist auch geistige Faulheit, dass man nicht hin und wieder ein gutes Buch liest oder ordentliche Gedichte oder dass man ein wenig über Leben und Tod nachdenkt. Oder wie wäre es mit einem Besuch in einem Museum oder einem Besuch in einem Kino, um einige unserer guten nordischen Filme zu sehen! Mag sein, dass man keine Lust hat. Da ist so viel anderes, was man tun soll. Das Haus muss gepflegt werden, Man muss Essen machen, Waschen usw. Aber wenn man geistig faul ist, dann schließt man sich selbst aus von neuen Gedanken, Ideen und Menschen. Die Welt wird für uns unendlich kleiner.

   In einem unserer Pfingstlieder schreibt Grundtvig: „Lieblichkeit mach‘ selbst die Trägen hellwach“. So ist es. Das ist die Ewigkeit, Gottes Sohn, der uns aus unserer geistigen Trägheit erweckt, so dass wir mehr Appetit auf mehr Leben bekommen und nicht glauben, das wichtigste im Leben sei Geld zu verdienen und alles um uns in Ordnung zu bringen. Die heutigen Bibeltexte, sowohl aus dem Alten als auch dem Neuen Testament handeln davon, so groß im Geist zu sein, dass man seinen Horizont erweitern kann. Im fünften Buch Mose heißt es, dass wir den Fremden lieben sollen. In der Zeit des Alten Testaments war der Fremde ein Freund, dem man noch nicht begegnet war. Im heutigen Dänemark ist der Fremde ein Feind, dem man am liebsten nicht begegnet. Was ich hier sage, hat nichts zu tun mit der heutigen Politik gegenüber Fremden. Natürlich kann Dänemark nicht unkritisch alle und jeden aufnehmen. Aber grundsätzlich ist der Fremde ein Freund, dem wir noch nicht begegnet sind. Wenn wir unseren Geist mit dem Wort Gottes trainiert haben und uns darin geübt haben, unsere Gedanken zu öffnen, dann besteht die Möglichkeit, dass unser Geist so offen ist, dass wir auch die Fremden lieben können, die zu uns kommen.

  In dem Text aus dem Matthäusevangelium begegnen wir Christus als dem, der seinen Umgangskreis immer größer macht. Ein Aussätziger drängt sich zu ihm vor. Die Aussätzen waren die Fremden der damaligen Zeit. Sie waren ausgesondert. Sie lebten getrennt von anderen Menschen. Aber Jesus nimmt den Mann an, heilt ihn und bringt ihn zurück in die menschliche Gemeinschaft. Dasselbe gilt für den Offizier, diesen unreinen Heiden, der zu Jesus kommt und darum bittet, dass sein kranker und leidender Knecht geheilt wird. Er wird nicht abgewiesen, sondern Jesus bietet sogleich an, ihm in sein Haus zu folgen.

  Die Pointe im Evangelium ist nicht, dass Jesus den Aussätzigen heilt und den Knecht des Offiziers gesund macht. Natürlich kann der Sohn Gottes Wunder vollbringen. Die Pointe ist, dass Jesus die Fremden liebt. Er schließt sie in seinen Kreis ein und gibt ihnen die Gemeinschaft mit anderen Menschen. Und das muss seine Botschaft für uns heute sein. Wir dürfen nicht in geistige Trägheit verfallen. Das führt dazu, dass wir uns einschließen, wie in den alten dänischen Vierseithöfen. Wir sollen unseren Geist trainieren und anregen durch Grund Vertiefung, so dass wir wie Christus imstande sind, den Kreis um uns zu erweitern. Christus nimmt uns an, damit wir die Menschen annehmen, die in unserem Dasein auftauchen und ein Teil unserer Gemeinschaft sein wollen. Es ist schrecklich mit all den Ghettos in unserer Gesellschaft. Die Reichen wohnen an der Küste des Öresunds. Die Flüchtlinge konzentrieren sich in den Wohnblöcken der Vorstädte.  Es wäre im Grunde auch furchtbar, wenn das Christentum zu Wohnblöcken von Katholiken, Baptisten, Methodisten, Orthodoxen usw. würde. Wir schaffen Gemeinschaften, indem wir uns isolieren und andere ausschließen. Aber Christus will uns alle mit in seinem Kreis haben. Hier auf Erden und einst in der Ewigkeit. Amen.



Pastor Poul Joachim Stender
Kirke Såby, Dänemark
E-Mail: pjs(at)km.dk

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