Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

4. Sonntag vor der Passionszeit, 10.02.2019

Predigt zu Matthäus 17:1-9 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Rasmus Nøjgaard

Verwandlung

Es ist eine Anfechtung des Christentums, dass die Zeit der Offenbarung nur ein Augenblick war, der wunderbare Glaube eines Moments. Wir sind für die Nachwelt auf die Offenbarung hinter dem dunklen Schleier von Moses angewiesen mit einer Durchschaubarkeit wie die Klarsicht durch eine beschlagene Frontscheibe eines Opel Kadett. Das Christentum ist darauf angewiesen, Erkenntnisse durch die Verwandlung zu erlangen. Der christliche Glaube ist darauf angewiesen, Erkenntnis durch die Verwandlung zu erlangen, auf Griechisch Metamorphose, die nur flüchtig Licht und Gewissheit über das Menschenleben bringt. So wie damals Moses mit dem Gesetz auf steinernen Tafeln vom Berg herabkam in verwandelter Gestalt, so dass er nur am Altar vor Gott den Schleier lüften konnte. Das Gebot Gottes blieb verschleiert, stumme Zeichen auf Steintafeln, nicht ein erlösendes Gesetz. Das Gesetz Gottes verstanden die Menschen damals nicht, und Jesus hegt keine Illusion darüber, dass sich die Zeiten so verändert hätten, dass sie es nun verstünden. Deshalb gebietet er dem kleinen vertrauten Kreis seiner Jünger, nichts von dem zu verraten, was sie gesehen haben, ehe ihnen ein Schlüssel zum Verständnis verliehen wird, die Auferstehung des Menschensohnes von den Toten. Diese endgültige Verwandlung des irdischen Jesus in den himmlischen Christus ist der Schlüssel für das Verständnis nicht nur des Lebens Jesu sondern auch für das Verständnis von Moses und Elia und des jüdischen Volkes. Deswegen feiern wir so lange die Heiligen drei Könige, weil diese Zeit wichtiger ist und mehr grundlegend als die Weihnachtszeit. Hier in der Zeit der Heiligen drei Könige feiern wir die doppelte Bedeutung der Verwandlung, dass Gott sich zu erkennen gibt im Menschensohn und der Menschensohn in Gott. Das verbindet den alten Bund unlösbar mit dem neuen Bund, so dass niemand die beiden wieder trennen kann. Die Heiligen drei Könige, das ist in sich selbst ein Perspektivenwechsel von Dimensionen, denn Gott ist nun nicht mehr der lokale Gott, sondern ein universeller Gott für alle Menschen von Süden bis zum Norden, vom Osten bis zum Westen. Gott ist die Mutter aller Gottesbilder, missverstanden, verzerrt und missbraucht, aber nun endgültig offenbart in Jesus für alle Völker und Geschlechter. Die Heiligen drei Könige sind zusammen mit Ostern die Offenbarung des verborgenen Gottes, die Zeit der Epiphanie.

Hier oben auf dem Berg zusammen mit Jesus, Moses und Elia ist gut sein, ruft Petrus spontan. Und er schlägt sogleich vor, drei Hütten zu bauen, eine für jeden, vielleicht um sie hier festzuhalten.

Hier oben ist alles verwandelt, zum ersten und einzigen Mal im Matthäusevangelium ist Jesus nicht mehr Körper, sondern eine strahlende Sonne. Das ist ein merkwürdiges Detail, das wir nicht bei den anderen Evangelisten im Neuen Testament finden. Außer vielleicht bei Johannes, wo Jesus nach seiner Auferstehung scheinbar einen anderen leiblichen Charakter hat, so dass Maria ihn nicht anrühren darf, ‚noli me tangere‘ – rühr mich nicht an. Während sich bei Lukas nicht Jesus verändert, sondern die Augen sich verändern, die sehen: ‚Ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten‘. Ich verstehe die unklaren sprachlichen Formulierungen gut, wir erfahren nicht richtig, wie es sich mit dem Leib Jesu verhält, und es spricht denn auch direkt gegen ein evangelisches Verständnis, dass Jesus nicht wie wir ein Mensch mit Fleisch und Blut war. Wenn man das nicht wegredigiert hat, somussein Schlüssel dafür sein, wie man den Bericht des Evangelisten Matthäus über den Menschensohn Jesus zu verstehen hat.

Die Beobachtung ist natürlich nicht etwas, was ich selbst entdeckt habe und für mich in Anspruch nehme. Das tat schon eine alte Schrift mit dem Namen Die Offenbarung es Petrus. Das ist ein Pseudonym, bei dem sich der Autor als Petrus ausgibt bzw. vorgibt, Petrus zu sein oder einen wahrheitsgetreuen Bericht über Petrus zu liefern. Diese Schrift stammt aus der Zeit eine Generation nach dem Matthäusevangelium in der Mitte des zweiten Jahrhunderts, vielleicht später, und sie wurde wie so viele andere Schriften über Jesus und den Kreis um ihn nie ein Teil des Kanons. Die Offenbarung des Petrus ist für uns interessant, weil hier deutlich wird, dass nicht nur wir Lutheraner kritisch sind gegenüber Petrus, sondern auch die ersten Christen sahen in dem Angebot des Petrus, Hütten für die himmlischen Wesen zu bauen, nicht weniger als eine teuflische Versuchung. Petrus wird direkt mit dem Versucher verglichen, dem Jesus nach seiner Taufe in der Wüste begegnet, also mit dem Bösen selbst, dem Widersacher des Lichts und des Lebens, dem Satan.

Infolge der Schrift Die Offenbarung des Petrusreagiert Jesus völlig ablehnend auf das ansonsten vornehme Angebot des Petrus, die drei Hütten, mit diesen starken Worten:

Satan führt Krieg gegen dich, Petrus, und er hat deinen Sinn verfinstert. Und die Lebensart dieser Welt hat dich besiegt. Deine Augen und deine Ohren werden eines Tages verstehen, dass es eine göttliche Wohnung gibt, die nicht von Menschenhand gemacht ist.

Wir kennen Petrus ziemlich gut aus allen vier Evangelien, er enttäuscht immer wieder die Welt wie sich selbst, er ist in Wirklichkeit so menschlich und sympathisch, ohnmächtig und mutlos, wie er ist. Es gelingt ihm nicht, an der göttlichen Herrlichkeit der Verklärung festzuhalten und sie zu einem permanenten Zustand zu machen. Es liegt eine tragikomische Ironie in der Art und Weise, in der Petrus posthum vergöttert wurde. Die Offenbarung des Petrusbetont bereits eine Generation später, dass wir kein Reich der Herrlichkeit  auf Erden erwarten dürfen. Kein Stuhl darf sich auf Erden des göttlichen Richterstuhls bemächtigen, der gehört allein unserem Herrn Jesus Christus. Wir müssen darauf verzichten zu richten und stattdessen auf den versöhnenden Kreuzestod Jesu verweisen. Wie dies in einem Witz gesagt wird: Während die Menschen von den Schriften her zu definieren versuchen, was Liebe ist, legt Jesus die Schrift durch seine Liebe aus.

Kurz vor dem Erlebnis auf dem Berge erzählt Jesus seinen Jüngern, das er am Kreuz sterben muss und am dritten Tage auferstehen wird. Aber Petrus nimmt Jesus beiseite und weist ihn zurecht: Das darf nie geschehen! Worauf Jesus seine berühmten Worte zu Petrus sagt: Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

Da ist nichts Beschämendes in dem Glauben von Petrus, Johannes und Jakobus. Sie waren so wie wir sind. Auch wir müssen uns bemühen, das Geheimnis Gottes zu verstehen. Wohl wissend, dass wir die Bedeutung nicht einfangen und die Universalität lokal definieren können. Das Verstehen lebt nicht im Erleben, sondern in der Botschaft. Das Wort, das Fleisch wurde, das litt und gekreuzigt wurde, am dritten tage auferstand und in den Himmel auffuhr, von wo unser Herr uns seinen Heiligen Geist sendet. Ich wage es, „zu uns“ zu sagen, denn die Heiligen drei Könige haben die Botschaft universell gemacht. Hier erhält die Geburt eine Bedeutung nicht nur für das jüdische Volk, sondern für alle Völker.

Seitdem hat sich die Kirche in erster Linie durch das Kreuz darstellen lassen. Das Emblem der Verwandlung per excellence. Denn es erinnert uns daran, dass wir uns nicht auf dem Berg aufhalten. Denn Jesus nahm die Herrlichkeit vom Berg mit und offenbarte sie mitten unter uns in der Sprache der Demut und der Liebe. In der Liebe, die die Menschen mit Gott durch den Tod und die Auferstehung Jesu versöhnte. Diese Liebe ist die eigentliche Verwandlung jedes Menschen.

Das soll allen Völkern erzählt werden. Denn der Menschensohn ist von den Toten auferstanden. Amen.



Pastor Rasmus Nøjgaard
Kopenhagen, Dänemark
E-Mail: rn(at)km.dk

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