Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Estomihi, 03.03.2019

Predigt zu Matthäus 3:13-17 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Anne-Marie Nybo Mehlsen

”Was macht das für einen Unterschied?” „Was bringt es mir?“ Das sind typische Fragen, die wir uns alle stellen, die wir nach der Jahrtausendwende leben. Das hat uns nicht klüger gemacht, nicht demütiger oder liebenswerter, wenn Sie mich fragen. Ich will da nur hinzufügen, dass dies auch für mich gilt. Es ist sehr schwer, dem Zeitgeist und der allgemeinen Entwicklung um einen herum zu widerstehen. Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich denke: „Was bringt es mir?“, so als müsste alles einen Gewinn oder eine Belohnung bringen.

Die glücklichen Augenblicke sind natürlich die Zeiten, wo wir uns überhaupt keine Fragen stellen, wo sich alles von selbst ergibt und wir ganz vergessen, danach zu fragen, ob es uns etwas bringt oder einen großen Unterschied macht. Man denke nur einmal zurück an die Zeit des letzten Monats …

Wer von uns hätte es nicht nötig, die Perspektive zu wechseln und umgekehrt alles neu zu sehen, neu werden – sich verändern?

Zum Besseren!

Ein warmer Sommertag am Meer oder an einem See – das Wasser, das uns angenehm kühlt, ohne zu kalt zu sein, der Duft des (Salz-) Wassers und die Leichtigkeit des Körpers. Oder das warme Bad an einem kalten Wintertag, wo man sich fühlt, als krieche der Frost in Knochen und Muskeln hinein. Danach fühlt man eine Frische, die wie ein neuer Beginn ist.

Nehmen wir uns ein Bad. Wie Jesus und Johannes bei der Taufe. Johannes war ein größerer Kulturpessimist als die meisten. Er meinte, dass Gier und Eigennutz dazu geführt hatten, dass die Menschen Gott und die Gebote vergaßen, wie wir für einander einstehen sollen.

Aber er war nicht ohne Hoffnung. Er sah ganz im Gegenteil eine große Hoffnung ganz nahe: Gott selbst ist auf dem Wege zu uns. Das Reich Gottes ist vor der Tür ganz nahe, und wenn wir da hinein kommen und bereit sein wollen, dann ist jetzt die Zeit gekommen. Nur ein Bad – und alles ist neu wir an einem Frühlingsmorgen.

Aber es ist auch anders! Die Veränderung beginnt bei uns selbst, mit dir und mir. Aller Verkehr auf Abkürzungen, Abstecher und Nebenwege sind infolge Johannes dem Täufer verboten. Hier ist die getreue Ausübung von Buße und Besserung gefordert.

Dann kommt Jesus daher – ein 30-jähringer, der von zuhause weggelaufen ist. Er hat seine sichere Position als ältester Sohn des Zimmermanns verlassen, die große Liebe seiner Mutter, und die Hoffnung mehrerer Halbgeschwister, dass er nun die Familie In Nazareth weiterbringen würde.

Er ist ausgegangen, um einem größeren Ruf zu folgen, dem Ruf seines himmlischen Vaters, der SOHN im eigentlichen Sinne zu sein, Sohn des Reiches Gottes. Menschensohn. Alles in einem. Und er will erst von Johannes getauft werden. Er will eins werden mit der Erwartung, dass das Reich Gottes schon mitten unter uns ist, unter Menschen, und dass Gott nicht nur in einem fernen Himmel zu finden ist oder wenn die Welt untergeht, sondern dass Gott hier ist, jetzt alle Tage und in Ewigkeit.

Jesus lässt sich taufen wie die Menschen. So gesehen ist dies die Fortsetzung der Inkarnation – der Geburt in der Weihnacht. Gott besteht auf dem Menschlichen – um es zu durchdringen und zu verändern.

Veränderung aber hat ihren Preis, sie kostet etwas! Jesus muss danach in die Wüste – und das erweist sich als richtig. Der Teufel selbst versucht ihn davon zu überzeugen, dass es eine Belohnung geben muss, einen Gewinn, Sohn Gottes zu sein. Dass man die Schöpfermacht zu etwas gebrauchen kann.

Aber nein – Schöpfermacht, Poesie, Lebenskunst, Güte – die lassen sich nicht gebrauchen, das sind Gaben, die ausgeteilt werden müssen, aus denen man schöpfen kann – und das ist das Geheimnis der ganzen Veränderung. Sehe das, wer kann!

Wie mit allem anderen, in das Jesus hineingeht, wird alles verändert, wo er ist. Das ist wie ein Saatkorn, das in die Erde fällt. Davon haben wir am letzten Sonntag gehört. Der Bauer säht. Und was geschieht? Erst vergeht das Korn in der Erde – weg für immer – und dann doch nicht. Die hellen Keime durchbrechen jede Logik und wachsen zur vollen Reife und Ernte des Korns – zum Leben für viele. Wer wirklich hungrig ist, weiß, was das tägliche Brot bedeutet. Der echte Durst weckt den Sinn für das reine Wasser. Wir, die wir schon zu viel gegessen haben, ahnen ein wenig von dem Wunder, wenn wir eine Tasse Tee oder Kaffee in der Frühlingssonne trinken und es genießen, Luft zu holen.

Karneval, Fleisch ade! Die lange Wanderung der Fastenzeit zum Unabwendbaren, zu Kreuz und Tod, lädt ein zum Spiel! Zur Veränderung – und deshalb verkleiden wir uns und feiern Feste, als wären wir verrückt. In der Frühjahrssonne oder bei Schnee - wir wissen nie, wie das Wetter wird. Aber wir wissen, was unterwegs ist, was uns bald erwartet. Die Frühlingsblumen und die Vögel weisen den Weg zum ungeduldigen Springen der Knospen im Grünen.

In vieler Hinsicht stehen wir mitten in den Ereignissen – mit dem Sinn des Johannes dafür, dass Veränderung nötig ist, dass das Neue kurz vor der Tür steht – und zugleich eins mit dem verwundbar Menschlichen in Jesus. Der darauf besteht, mit uns eins zu sein, den Alltag und das Leben mit uns zu teilen - der darauf besteht bis an das Ende der Welt.

Er siegt – die Veränderung siegt - denn sie hat die Kraft der Schöpfung mit sich und ist insoweit unvermeidlich. Lasst uns feiern wie verrückte, und danach eine Art und Weise finden, wie wir bis zur neuen Nachricht von Ostern fasten. Lassen wir uns Gott anheim geben und die Taufe annehmen. Lasst uns sein wie Neugeborene im Reich und Menschenleben Gottes!

Ade die Gier! Ade der Eigennutz! Hier ist kein Gewinn sicher, aber alles möglich. Lasst uns feiern wie verrückt – verrückte Frühjahrsnarren, die wissen, dass das Reich Gottes nahe ist – nicht nur gleich um die Ecke, sondern mitten unter uns. Amen.



Pastorin Anne-Marie Nybo Mehlsen
Ringsted, Dänemark
E-Mail: amnm(a)km.dk

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