Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 24.03.2008

Predigt zu Apostelgeschichte 10:34a.36-43, verfasst von Jann Schmidt

(Neue Zürcher Bibelübersetzung)

Petrus tat seinen Mund auf und sprach:

Das ist das Wort, das er den Israeliten gesandt hat, als er die Botschaft des Friedens verkündigte durch Jesus Christus, der Herr ist über alle. Ihr wisst ja, was sich zugetragen hat in ganz Judäa, seit den Tagen, da Johannes in Galiläa die Taufe verkündigte: Ihr kennt Jesus von Nazareth und wisst, wie Gott ihn mit heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat; er zog umher und tat Gutes und heilte alle, die vom Teufel unterdrückt wurden, weil Gott mit ihm war. Und wir sind Zeugen all dessen, was er im Land der Juden und in Jerusalem getan hat, er, den sie ans Holz gehängt und getötet haben. Ihn hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen - nicht dem ganzen Volk, sondern den Zeugen, die Gott vor langer Zeit bestimmt hatte, uns, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben nach seiner Auferstehung von den Toten. Und er hat uns aufgetragen, dem Volk zu verkündigen und zu bezeugen, dass er es ist, der von Gott zum Richter über Lebende und Tote bestellt ist. Darum bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen Vergebung der Sünden empfängt, wer immer an ihn glaubt.

Liebe Gemeinde,

in diesen Sätzen hat Petrus das Evangelium von  Jesus Christus kurz und prägnant zusammengefasst. Der heutige Predigttext ist selbst eine Predigt. „Ihr wisst ja, was sich zugetragen hat",  - ruft Petrus den Predigthörern im Haus des römischen Hauptmanns Kornelius zu. Und dann nennt er bekannte Wegmarken im Leben Jesu: Die Taufe durch Johannes, das Wunder-Wirken in Galiläa, die Kreuzigung, den Tod und dann die Auferweckung am dritten Tag. In der Tat: Eine knappe Gesamtschau der Lebensgeschichte Jesu, eine der kürzesten Predigten aus der Geschichte des Christentums, alles drin und alles dran, eine eindrückliche Predigt, eine Predigt übrigens, um die der Apostel gebeten wurde.

Die Szene spielt in Caesarea Philippi, einer Hafenstadt am östlichen Mittelmeer. Von dort aus hält Rom, die damalige Weltmacht, die unterworfenen Völker in Schach. In Caesarea Philippi - im Norden Palästinas - ist eine römische Garnison stationiert, und Hauptmann Kornelius ist einer ihrer Befehlshaber. Er hat Boten ausgeschickt ins 50 Kilometer entfernte Joppe. Sie sollen Petrus nach Caesarea holen, den Prediger und Apostel, von dessen Wirken auch der römische Hauptmann gehört hat. Petrus lässt sich - nach einigem Bedenken - einladen, macht sich mit wenigen Begleitern auf den Weg und trifft im Haus des Hauptmanns auf dessen Freunde und Verwandte. Die erste kleine Hausgemeinde außerhalb der jüdischen Grenzen ist versammelt, um die gute Nachricht zu hören. Der Apostel hat seine Bedenken überwunden, geht auf diese ihm fremde Welt zu und predigt das Evangelium von Jesus Christus: „Ihr wisst ja, was sich zugetragen hat, ... ihr kennt Jesus von Nazareth:"

Gekreuzigt, gestorben und begraben, auferstanden von den Toten - und wir, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, wir haben ihn gesehen, nach seiner Auferstehung. Wir sind Zeugen und können bezeugen, dass alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.

Kurz und knapp predigt Petrus der Gemeinde im Haus des Hauptmanns Kornelius das Evangelium von Jesus Christus. In wenigen Sätzen ist das Ganze gesagt: Die Nähe Gottes in dem Mann aus Nazareth, der predigend und heilend durch Palästina zieht; die Gegenwart des Auferstandenen, der als der lebendige Herr über den Tod erfahren wird. Und denen, die mit ihm essen und trinken, werden die Augen geöffnet, damit sie ihn erkennen können.

In der Tat: Eine Kurzpredigt, in der alles gesagt ist. Eine Szene, die ihresgleichen sucht, eine Szene, in der das Evangelium seinen Weg in die Welt antritt. Petrus, der Jünger und Apostel, einer der Wortführer der ersten Christengemeinden im jüdischen Volk, bringt das  Evangelium in ein heidnisches Haus, überwindet die Grenzen Israels und erfährt, dass das Evangelium allen Völkern gilt. Hier in Caesarea Philippi, im Haus eines römischen Soldaten wird die gute Nachricht zu einer Botschaft für alle Völker. Zuerst dem Volk Israel gesagt, dann aber auch allen anderen Völkern zugesagt. Ein Evangelium mit weltumspannendem Horizont.

Diesen Jesus, den sie gekreuzigt haben, den kennt  ihr doch. Ihr kennt seinen Weg, sein Handeln, sein Wort. Er war mitten unter euch, Mensch unter Menschen. Das wisst ihr doch.

In einfachen Sätzen  beschreibt der Prediger das Leben Jesu. Ein Leben, dass Zeichen der Hoffnung setzte, ein Leben, dass den Aufstand wagte gegen die zerstörenden und lebensfeindlichen Mächte, damit niemand an den Rand der Gesellschaft geschoben wird, damit niemand gemieden oder verachtet wird. Mit Worten und Taten hat Jesus ausgeteilt, zum Leben verholfen und Leben gegeben und schließlich auch sein Leben gegeben, denn am Karfreitag geht der Sohn Gottes den Weg in die äußerste Gottesferne. Hinabgestiegen in das Reich des Todes - heißt es im Glaubensbekenntnis.

Das Kreuz auf Golgatha scheint allerdings zunächst denen Recht zu geben, die diesen Kampf für das Leben von vornherein für aussichtslos halten. Jesu Tod scheint denen Recht zu geben, die dem Leben keine Chance geben wollen. Das Grab scheint denen Recht zu geben, die die Tage ihres Lebens vom Tod diktieren lassen.

Doch Kreuz und Grab sind nicht der Schlusspunkt dieser Lebensgeschichte. Der Tod hat Jesus nicht zum Schweigen bringen können. Im Gegenteil: Die Macht des Todes wird gebrochen. Der Tod wird in seine Schranken gewiesen: Jesus ist auferstanden - am dritten Tage auferstanden von den Toten, sprechen wir mit dem Glaubensbekenntnis

Das ist die Wende, die aus dem scheinbaren Scheitern eine Rettung für alle werden lässt. Das ist die Osterbotschaft in der Predigt des Petrus: Gott hat dem Leben eine Bresche geschlagen, seinen Sohn am dritten Tag auferweckt, damit wir leben, damit alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen. Er schenkt allen neues Leben, Leben  über den Tod hinaus, Leben, das den Tod sprengt. Das ist die Osterbotschaft, denn aus Karfreitag ist Ostern geworden, aus der Niederlage wurde ein Sieg. Das predigen wir, sagt Petrus, das bezeugen wir.

Und so hat es angefangen:

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?" werden die Frauen am leeren Grab gefragt. „Er ist nicht hier, er ist auferstanden!", wissen die Engel. Der Lebende ist nicht im Grab eurer zerbrochenen Hoffnungen zu finden. Er ist nur dort zu finden, wo ihr einen neuen Blick für den Alltag, einen neuen Blick für das Leben gewinnt. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier!" Er ist dort, wo Menschen sich gegenseitig aufrichten, sich gegenseitig Hoffnung schenken. Er ist dort, wo Menschen der Liebe über den Hass zum Sieg verhelfen. Er ist dort, wo Menschen das Herz brennt, wie den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus. Er ist dort, wo Menschen das Herz brennt  - mitten in eisigen Zeiten. Sucht den Lebenden bei den Lebenden - auch bei den heute und hier Lebenden. Dort lässt er sich finden. Das ist die Osterbotschaft, das ist die Botschaft von der Auferstehung.

„Winzig sind die Argumente des Lebens gegen den Tod", heißt es in einem modernen Osterlied. Diese Erfahrung ist alltäglich. Was haben Christen schon für Argumente für das Leben gegenüber all dem, was uns jeden Tag begegnet? Menschen ohne Arbeit und abhängig von Harz IV, Opfer der ungebrochenen Gewinnmaximierung der Konzerne. Menschen ohne Sinn und Ziel. Menschen, deren Liebe zerbrochen oder missbraucht wurde. Die Botschaft von Ostern scheint Vielen heute bedeutungslos, weil das Leben doch seinen Gang zum Tod nimmt. Leid und Enttäuschungen sind alltägliche Erfahrungen. Die da oben und ihre Entscheidungen lassen für viele hier unten die Hoffnung auf Leben schwinden.

Die Argumente des Lebens gegen den Tod sind wirklich winzig. Aber so schwach die Argumente des Lebens auch sein mögen, sie haben doch Geschichte gemacht. Sie haben viele Mächte und menschliche Machenschaften überdauert. Die winzigen Argumente des Lebens haben unendlich vielen Menschen Hoffnung, Halt und Zuversicht gegeben. Es sind Argumente, die ihnen Kraft gaben und Kraft geben, Leid und Tod nicht zu verdrängen, sondern auszuhalten. Die Argumente des Lebens mögen winzig und klein sein, aber totzukriegen sind sie nicht. Sie mögen wirklich winzig sein, die Argumente des Lebens gegen den Tod - aber sie sind gewichtig, denn sie geben unserm Leben Zukunft und Hoffnung. Das ist die Osterbotschaft, die Botschaft vom Sieg des Lebens über den Tod.

Was aber ist dieses österliche Leben? Was macht das Auferstehungsleben aus? Kann man Leben finden? Kann man Leben lernen? Was ist das Leben jenseits des Todes? Die Auferstehung Jesu war keine Rückkehr in das irdische Leben - und auch unsere Auferstehung wird keine Rückkehr in die Welt sein.

Damit ist deutlich: Es geht nicht nur um unser Leben zwischen Geburt und Tod. Es geht nicht um ein Leben, das aus ‘Schlaf und Arbeit, Spaß und gutem Essen' besteht. Es geht um mehr. Es geht um ein anderes Leben, um das wahre Leben - mitten in diesem Leben. Es geht um einen neuen Horizont des Lebens. Es geht um das Leben mit und bei Gott.

In das irdische Leben hinein - und darüber hinaus - hat Gott ein Leben gegeben, das anders ist, als das Leben, das jedermann kennt. Dem irdischen Leben ist himmlisches Leben gegeben, dem vergänglichen Leben ist bleibendes Leben gegeben. Und das ist keine Fata Morgana, sondern erreichbare Wirklichkeit, weil das andere Leben am Ostermorgen begonnen hat. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?" werden die Frauen am leeren Grab gefragt. Damit wird dem Leben ein neuer Horizont geöffnet.

Nicht auf das Jenseits wird vertröstet, sondern schon hier und heute ist es möglich. Wer dieses Leben will, muss jedoch zum Leben umkehren. Jesus hat dazu viele Anstöße gegeben. Wer sich von ihm anstoßen lässt, weiß, dass Besitz und Geld nicht wirklich wichtig sind. Wer sich von ihm ins Leben helfen lässt, spürt, dass er einen Blick für seine Mitmenschen bekommt, merkt, wo es wichtig ist, für andere da zu sein. Wer der Spur Jesu folgt, bekommt den Blick für das Geschenk eines Lebens, dem auch der Tod kein Ende setzen kann. Das ist der neue Horizont des Lebens, der neue Horizont eines Lebens nach der Auferstehung.

Jesus steht dafür, dass dieses Leben gelingt. In seiner Nachfolge ist Leben mehr, als ein hektischer Ablauf von Stunden, Tagen, Jahren und Jahrzehnten. In seiner Nachfolge ist Leben mehr, als ein Haufen von Gedanken, Wünschen, Begierden und Erwartungen.

Er ist auferstanden, am dritten Tage auferstanden von den Toten - das ist die Osterbotschaft in der Predigt des Petrus. Dem Tod ist seine Macht genommen. Aus dem Todes-Geschehen am Karfreitag ist an Ostern eine Lebens-Geschichte geworden. Es ist vollbracht, es ist Ostern geworden.

Amen

 



Kirchenpräsident Jann Schmidt
Evangelisch-reformierte Kirche
www.reformiert.de
E-Mail: jann.schmidt@reformiert.de

(zurück zum Seitenanfang)