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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Osternacht, 20.04.2019

Christus ist das Licht
Predigt zu 1. Thessalonicher 4:13-18, verfasst von Rudolf Rengstorf

Liebe Gemeinde!

Zwei Nachtgottesdienste feiern wir im Jahr. Zur Christnacht lädt volles Glockengeläut. Die aus dem Dunkel kommende Gemeinde wird vom warmen Glanz des Christbaums empfangen. Und das hat seinen guten Grund. Weihnachten kommen wir nach Hause – dahin, wo wir Kinder waren und es immer noch sind als Töchter und Söhne Gottes.

Ganz anders ist das in der Osternacht. Die Nacht draußen herrscht auch drinnen in der Kirche. Kein Glockenton, kein Licht, die Orgel bleibt stumm. Man stolpert eher hinein, hat Mühe, sich zurechtzufinden, Und unheimlich ist, was wir im Dunkeln zu hören bekommen. Sündenfall und Sintflut. Wir – so wird uns auf die Seele gelegt – leben in einer Welt, die sich von Gott entfernt hat und in der Menschen im Dunkel von Hunger und Kriegen, von Seuchen, unheilbaren Krankheiten verschwinden. Und Gott? Er lässt noch etwas spüren von seiner fürsorglichen Schöpfermacht im Wechsel von Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und Nacht. Kein Wunder, dass viele Mensche sich – wenn irgendwo – dann in der Natur mit Gott verbunden fühlen im Ahnen einer höheren Macht, die das alles in Gang hält und durchwaltet. Andere sehen in dem großen Kreislauf von Werden und Vergehen Gesetzmäßigkeiten, die jeden göttlichen Zauber verloren haben.

Doch egal wie wir zur Natur stehen – das Geheimnis des Menschen vermag sie uns nicht zu entschlüsseln. So gewiss wir für eine Zeitlang an dem Kreislauf von Werden und Vergehen teilnehmen, den Frühling, die Sonne, die länger werdenden Tage genießen, so gewiss fallen wir da auch raus. Weil so vieles unumkehrbar, endgültig, nicht wiederholbar ist bei uns. Und am Ende gilt das für unser Leben als ganzes. Es endet unwiederholbar im Tod. Undurchdringliches Dunkel kommt auf uns zu und umfängt uns oft genug schon mitten im Leben. Ein Dunkel, auf das kein Sonnenaufgang folgt; eine Aussichtslosigkeit, die uns niemand zu erhellen vermag, weil jeder – auch der Gescheiteste – dem Abbruch des Lebens hilflos ausgesetzt ist..

In das Dunkel der Osternacht wird ein Licht gebracht mit dem Ruf „Christus ist das Licht!“. Denn er hat gesagt: „Ich bin das Licht der Welt. Wer an mich glaubt, wird nicht im Finstern wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.“ Und so wird das Licht Christi an alle weitergereicht, die gekommen sind. Und jeder, der eben noch im Dunkeln saß – im Dunkel, das Tod und Ohnmacht im Leben verbreiten –hat nun ein Licht in der Hand, das ihn und sie mit Christus und allen anderen Gottesdienstbesuchern verbindet. Und das, obwohl das mit der Auferstehung damals noch gar nicht recht klar ist, Fragen und Zweifel noch längst nicht behoben sind.

Und in dieser Nacht des Lebens, das durch das Licht Christi erhellt wird, bekommen wir für die Predigt das älteste Osterzeugnis zu hören, das wir in der Bibel haben. Im ersten Brief, den wir vom Apostel Paulus haben, lange geschrieben, bevor die Ostergeschichten in den Evangelien verfasst wurden, schreibt Paulus an die von ihm gegründete Gemeinde in Thessaloniki folgendes:

 

Wir wollen euch aber, Brüder und Schwestern, nicht im Ungewissen lassen über die, die da schlafen, damit ihr nicht traurig seid wie die andern, die keine Hoffnung haben.

Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die da entschlafen sind, durch Jesus mit ihm führen.

Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrig bleiben bis zum Kommen des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind.

Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Ruf ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und die Toten werden in Christus auferstehen zuerst.

17 Danach werden wir, die wir leben und übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken, dem Herrn entgegen in die Luft. Und so werden wir beim Herrn sein allezeit.

So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.      

 

Zunächst ist da vieles dunkel. Weil die Gemeinde damals sich in einer uns ganz fremden Lage befand. Wie Paulus war sie davon überzeugt, dass die Wiederkunft Christi nahe bevorstand und mit ihr das Ende der Welt und der unverhüllte Beginn des Reiches Gottes.

Die dafür verwendeten Bilder von der Stimme des Erzengels, der Posaune Gottes und dem vom Himmel herabkommenden Herrn mögen uns bizarr erscheinen. Aber wir bitten doch auch um das Kommen des Reiches Gottes. Wie und wann das geschehen wird, weiß kein Mensch. In jedem Fall aber wird dann alles Tun der Menschen, abgeblasen: Schluss jetzt mit allem, womit ihr die Schöpfung durcheinanderbringt und ins Chaos stürzt. Denn jetzt kommt Er, der armselig in die Welt gekommen und am Kreuz gestorben ist – also ganz von unten unter euch gewirkt hat und das Reich Gottes immer nur zum Vorschein bringen konnte , jetzt kommt er von oben in der unumschränkten Macht Gottes, um die Welt genau nach dem Willen und Wohlgefallen des Vaters zu gestalten.

Die Christen in Thessaloniki lebten also in der Erwartung, diese Wiederkunft Christi stehe nahe bevor. Desto beunruhigter waren sie darüber, dass inzwischen einige von ihnen gestorben waren. Was war nun mit ihnen? Hatten sie vergeblich geglaubt und gehofft? Und – so fragte sich insgeheim wohl auch mancher – wie ist das mit mir, wenn ich vor der Wiederkunft Christi sterbe? Die Hoffnung der ersten Christen galt also gar nicht der Auferstehung von den Toten, sondern der Wiederkunft Christi für die Lebenden.

So herrschte in der Gemeinde tiefe Trauer nicht nur über den Tod ihrer Lieben, sondern zugleich darüber, dass diesen die Wiederkunft Christi vorenthalten schien. Darüber, schreibt Paulus nun, braucht ihr nicht zu trauern. Eure Toten werden bei der Wiederkunft Christi in gleicher Weise zum Zuge kommen wie die Lebenden, ja sogar noch vor ihnen, damit deutlich wird, dass der Tod am Ende ausgespielt und nichts mehr zu sagen hat.

Und wie begründet Paulus das? Nein, nicht mit dem Versuch, die Auferstehung Jesu als Sieg über den Tod nachzuweisen, nicht mit Geschichten vom leeren Grab oder den Erscheinungen des Auferstandenen. So hilfreich diese Geschichten für das Verständnis von Ostern auch sein mögen. Das älteste Osterzeugnis, das wir haben, begründet die Hoffnung auf Teilhabe an Christus über den Tod hinaus genau mit dem, was wir mit den Thessalonichern gemeinsam haben: „Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so schreibt Paulus so wird Gott auch die, die da entschlafen sind, durch Jesus mit ihm führen.“ Der Sieg über den Tod unserer Lieben, der Sieg über auch meinen Tod steckt also immer schon drin im Glauben an Christus mit drin.

Was Sie und ich über die Auferstehung Jesu von den Toten wissen und sagen können und wie das nach dem Tode sein wird, das sieht mit Sicherheit bei jedem anders aus, und fast überall ist dieses Glaubenswissen oder -ahnen mit Zweifeln vermischt. So war das unter Christen von Anfang an. Wie sollen unsere sterblichen Hirne Ostern auch begreifen können! Aber wir wären doch gar nicht hier, wenn wir nicht empfänglich wären für das Licht Christi. Nicht empfänglich wären dafür, dass sein Licht auch durch uns weiterleuchtet. Wir wären nicht hier, wenn der auferstandene Jesus uns nicht längst erfasst hätte. Unser Glaube an ihn ist deshalb immer der Glaube an den Auferstandenen und die Teilhabe an seinem Leben. Und – daran lässt die Bibel in all ihren Osterzeugnissen keinen Zweifel – Auferstehung ist nicht etwas, was als ein Faktum feststeht wie etwa das Kreuz. Nein, der Auferstandene ist darauf aus, den Glauben unter seinen Anhängern zu entzünden. Den Glauben, der auch nach zweitausend Jahren noch auf seine Worte und Geschichten hört, sich von ihnen anrühren und bewegen lässt. Den Glauben, der dabei einen inneren Halt gewinnt und darauf aus ist, bei Jesus zu bleiben in Ewigkeit Amen.

 



Superintendent i.R. Rudolf Rengstorf
Hildesheim, Niedersachsen, Deutschland
E-Mail: Rudolf.Rengstorf@online.de

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