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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstmontag, 10.06.2019

Schlüsselfrage
Predigt zu Matthäus 16:13-19, verfasst von Christoph Kock

 

Wer ist Jesus? – Was die Leute sagen

Jesus will’s wissen. Seit einiger Zeit ist er unterwegs. Was dabei passiert ist, zieht seine Kreise. Es wird geredet. Wo Jesus auftaucht, definiert sich Gemeinschaft neu. Zerbrochenes wird heil, Hunger gestillt. Wer als abgeschrieben gilt, ist gottgesucht. Dass Gottvertrauen Grenzen durchlässig macht, hat Jesus selbst erst lernen müssen. Und das von einer Frau.

Wie das alles auf die Leute wirkt, unter die Jesus gegangen ist? Jesus will’s wissen.

 

13 Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach:

Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei?

14 Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten.

 

Die Jünger fassen zusammen, was ihnen zu Ohren gekommen ist. Gott und Jesus gehören zusammen. Das ist für die Leute klar. Die Frage ist nur wie. Vielleicht ist Jesus einer der alten oder gegenwärtigen Propheten:

Du bist Elia. Am Ende der Zeiten wird Elia dafür sorgen, dass sich die Generationen wieder einander zuwenden. Vielleicht ist es soweit.

Oder du bist Jeremia. Einen neuen Bund hat er in Aussicht gestellt. Eine direkte Verbindung zwischen Gott und den Menschen. Keiner muss sich mehr über Gott etwas sagen lassen. Jeder trägt Gottes Weisung im Herzen. Vielleicht ist es das.

Oder du bist Johannes der Täufer. Umkehr hat er gefordert, auch von den Mächtigen. So persönlich ist er dabei geworden, dass König Herodes ihn gerade erst zum Schweigen gebracht hat. Vielleicht ohne Erfolg. Wenn’s darauf ankommt, macht Gott sogar Tote lebendig. Wer weiß.

 

 

Wer ist Jesus? – was Petrus bekennt

Jesus hört zu und fragt weiter. Was die andern sagen ist nahe dran, aber noch nicht auf den Punkt. Was sagen seine eigenen Leute?

 

15 Er sprach zu ihnen: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?

16 Da antwortete Simon Petrus und sprach:

Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn!

17 Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel.

18 Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen.

19 Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

 

Jesus fragt die Jünger und Simon Petrus antwortet. Du bist der Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Der Anfang des Bekenntnisses ist gemacht: „Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn“ –  und Jesus ist begeistert. Simon Petrus hat sich nicht auf das verlassen, was die Leute so sagen. Vielmehr hat Gott ihn in die Karten schauen lassen.

Jesus hebt den einen Jünger hervor. Simon wird zum Petrus, zum Felsenmann. Das Wortspiel verbindet Jesus mit einer Verheißung: Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen. Damit nicht genug: Petrus werden Schlüssel angekündigt mit der Macht, zu binden und zu lösen.

 

 

 

 

Wer ist Petrus? – Antwort im Petersdom

Wer ist Jesus? Eine Frage ist beantwortet. Eine neue steht im Raum. Wer ist dieser Mann, auf den Jesus aufbaut? Der Schlüssel bekommt, die über das hinauswirken, was vor Augen ist. Wer ist Petrus?

Eine Antwort findet sich in Rom, sie ist in Stein gemeißelt. Dort war ich mit angehenden Pfarrerinnen und Pfarrern während meiner Ausbildung. Der Besuch im Petersdom ist mir noch deutlich vor Augen: Morgens gehen wir durch das Gewirr der Katakomben unter dem Dom. Stehen schließlich an einem Grab, hören dessen Geschichte. Seit dem 2. Jahrhundert wird es als Grab des Jüngers und Apostels Petrus verehrt. Darüber steht der Hauptaltar. An Weihnachten und Ostern zelebriert der Papst die Messe auf dem Fundament des ersten Bischofs von Rom. Später der Rundgang durch den Petersdom. Wie klein ist der Mensch in Gottes Haus. Wie groß der sitzende Petrus mit dem Schlüssel in der Hand. Vor ihm warten Menschen geduldig darauf, seinen rechten Fuß zu berühren. Wie beeindruckend der Altar über dem Petrus-Grab mit dem Baldachin. Mein Blick geht weiter bis in die Kuppel. Die Buchstaben über mir so groß, dass ich sie gut lesen kann: „TU ES PETRUS ET SUPER HANC PETRAM AEDIFICABO ECCLESIAM MEAM ET TIBI DABO CLAVES REGNI CAELORUM.“ „Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und dir werde ich die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ Die Schlüsselstelle. Mit Petrus beginnt, auf Petrus ruht diese Kirche.

 

 

Wer ist Petrus? – Antworten im Matthäusevangelium

Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

Petrus bekommt von Jesus Macht. Sie ist verbunden mit einem Auftrag an alle Jünger. Das Matthäusevangelium endet mit den Worten des auferstandenen Christus:

Darum gehet hin und lehret alle Völker:

Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes

und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.

Alle Völker lehren. Aber was? Petrus hat hier eine Schlüsselrolle. Er bekommt die Macht zu binden und zu lösen. Petrus soll festlegen, was erlaubt ist und was nicht. Wie etwas zu verstehen ist und wie nicht. Das hat vor Gott Bestand. Was für eine Aufgabe. Insbesondere wenn sie nur auf einem Menschen lastet. Aber das steht schon bei Matthäus in Frage.

Zwei Kapitel später geht es um Sünden in den eigenen Reihen. Die ganze Gemeinde ist gefragt. Nicht wegsehen, sondern konfrontieren. Der die Sünde nicht lässt, schließt sich selbst aus. Jesus sagt:

Alles, was ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein. (Mt 18,18)

Binden und Lösen. Jemand aus seinen Sünden befreien oder ihn bzw. sie dabei behaften. Das hat vor Gott Bestand. Aufgabe nicht eines einzelnen, sondern der ganzen Gemeinde. Zugleich verbunden mit der Mahnung, dass es Vergebung nicht genug geben kann.

Aber was ist eine Sünde und was nicht? Worauf kommt es an? Petrus bekommt Macht zu bestimmen, wie Jesu Lehre weiterzugeben ist. Das kann Menschen den Weg zu Gott eröffnen, ihn aber auch verstellen. Was für eine Verantwortung. Wie groß sie ist, leuchtet an anderer Stelle auf. An seinen jüdischen Gegnern kritisiert Jesus scharf, dass bei ihnen Lehre und Handeln nicht übereinstimmen. Sie tun nicht, was sie sagen. Die Folge ist katastrophal: Sie verschließen den Himmel. Sich und anderen.

Ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen. Ihr geht nicht hinein und die hineinwollen, lasst ihr nicht hineingehen. (Mt 23,13)

Jesu Auftrag geht in die entgegengesetzte Richtung. Worauf es Jesus ankommt, soll unter die Leute in Israel. Nein, noch weiter: Es soll unter alle Völker. Die Schlüssel des Himmelreichs sind als Türöffner gedacht, nicht als Zugangskontrolle.

 

 

 

 

Wer sind wir?

Liebe Pfingstgemeinde hier in Herz-Jesu,

die Macht, die Petrus zugewiesen kommt, ist mir suspekt. Sie soll so weit reichen, dass Gott sich an menschliche Entscheidungen bindet. Ob nun die des Petrus oder der ganzen Gemeinde. Mich erschrickt das. So viel Verantwortung?! Was geschieht, wenn Menschen Fehler machen. Verlängert Gott sie in die Ewigkeit?! Hoffentlich nicht. Gut, dass Matthäus nur eine Stimme ist neben anderen.

Und doch lässt es sich empirisch belegen: Ob Menschen einen Zugang zum Glauben gewinnen oder verlieren, liegt oft an Erfahrungen, die sie mit anderen Menschen machen. Im Guten wie im Schlechten. Matthäus legt den Finger dorthin, wo es wehtut, wird nicht müde zu betonen, dass Reden und Handeln übereinstimmen müssen. So fängt Glaube an zu leuchten. Da geht es nicht um Macht, sondern um Dienst. Als die Jünger wissen wollen, wer der größte im Himmelreich ist, zeigt Jesus auf ein Kind und empfiehlt ihnen, umzukehren und sich in Demut zu üben. Eine bleibende Herausforderung.

Wer ist Jesus? Was sagen die Leute? Darüber informiert uns der Spiegel pünktlich zu Ostern mit der neuesten Umfrage. Aber was sagen wir? Wer bekennt, dass Jesus der Christus ist, steht in einer Verantwortungsgemeinschaft. Wir reden durch das, was wir tun. Wie wir mit Vielfalt und Widersprüchen zurechtkommen. Wie wir miteinander umgehen. Wie wir Macht verteilen und damit anderen dienen. Das wird wahrgenommen. Unsere Antwort auf diese Schlüsselfrage öffnet oder verschließt Wege.

Ein Beispiel: Mit Interesse verfolge ich die Aktion Maria 2.0. Sie versucht, den Dienst von Männern und Frauen in der katholischen Kirche neu zu bestimmen. In der evangelischen Kirche im Rheinland sind Frauen und Männern im Pfarramt erst seit 44 Jahren gleichberechtigt. Obwohl es schon mehr als 500 Jahre her ist, dass Martin Luther das „Priestertum aller Getauften“ in der Bibel wiederentdeckt und stark gemacht hat. Solange hat es gedauert. Welchen Entscheidungen fühlt sich Gott verbunden? Da bin ich ratlos und bleibe auf Spurensuche. Der Auferstandene, so erzählen alle vier Evangelien übereinstimmend, ist zuerst Frauen erschienen, deren Wort damals vor Gericht nicht galt. Ostern beginnt mit Frauen am Grab, die Kirche bleibt auf ihr Zeugnis angewiesen. Das hat Gott ziemlich clever eingefädelt.

Jesus gründet seine Kirche auf einen Felsen. Sie besteht aus lebendigen Steinen. Aus Menschen, die ihm nachfolgen. Gebe Gottes Geist, dass in ihrer Mitte geschieht, wovon sie zu reden haben. Zu aller erst von Jesus und davon, wie er Menschen begegnet ist: Gemeinschaft definiert sich neu. Zerbrochenes wird heil, Hunger gestillt. Wer als abgeschrieben gilt, ist gottgesucht. Dass Gottvertrauen Grenzen durchlässig macht, hat Jesus selbst erst lernen müssen. Und das von einer Frau. Und dann will Jesus es von uns wissen: Wer sagt denn ihr, dass ich sei?

 

Amen.

 

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Liedvorschläge: EG 268 (Strahlen brechen viele), EG.RWL 566 (Der Geist des Herrn)

 

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Dr. Christoph Kock, geb. 1967, Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland. Seit 2007 Pfarrer an der Friedenskirche in der Evangelischen Kirchengemeinde Wesel.



Pfarrer Dr. Christoph Kock
Wesel, Nordrhein-Westfalen, Deutschland
E-Mail: christoph.kock@ekir.de

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