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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 21.07.2019

Um Gottes willen: Geht los!
Predigt zu Matthäus 9:35-10,10, verfasst von Kira Busch-Wagner

Liebe Gemeinde,

vielleicht ja ganz gut, dass manche am vergangenen Sonntag nicht in der Kirche waren. Sie verpassten zwar die großartige Vorstellung der nächsten Konfirmandinnen und Konfirmanden. Ihnen entging zwar die Taufe eines neuen Gemeindegliedes, verstanden genau in eben dem Sinn, wie es jetzt im neuen Wochenspruch heißt: Aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es. Gottes Handeln an uns.

Aber wie gesagt, vielleicht ganz gut, dass manche vergangenen Sonntag nicht da waren. Denn damit fällt nur wenigen der Widerspruch auf: 

Hörten wir doch letzte Woche im Zusammenhang der Taufe den Auftrag des Auferstandenen: Wo er sagt: „Geht hin in alle Welt. Lehrt die Völker alles, was ich euch befohlen, wozu ich euch gesendet habe.“

Und jetzt, heute, in einem Abschnitt weiter vorne im Evangelium, sagt Jesus: „Geht allein zu den Verlorenen aus Israel. Geht nicht zu den Heiden. Geht nicht zu den Völkern jenseits von Israel.“

Was damit machen?

In einembleibt der Evangelist Matthäus sich treu. Jesus sagt: Geht los! Brecht auf! Macht euch auf den Weg! Jesus sendet seine Jünger, seine Schüler um Gottes willen.

Sie haben bei ihm gelernt. Sie verstehen, wie nahe Gottes Tag und Gottes Reich ist. Sie hören das von Jesus und werden dann aufgefordert, es weiterzugeben:  Siegesbotschaft vom Reich. Nicht vom Römischen Reich, auch nicht vom Reich der Herodessöhne in Galiläa, Judäa und Samaria. Es geht ihm um Gottes Reich mitten unter den Menschen. Man kann es erkennen: im Reich Gottes haben Schreckensgeister keinen Platz. Menschen sind nicht verängstigt und jammervoll alleingelassen. Hier gibt es Heilung. Und selbst der Tod muss den Rückzug antreten. Das ist Jesu Siegesbotschaft. Das ist sein Evangelium. Jesus bleibt damit nicht zu Hause. Er bringt das unter die Leute. In die Städte und Dörfer Galiläas, in die Lehrhäuser und Synagogen, auf die Marktplätze und die Krankenzimmer.

Und die, die bei ihm lernten, sollen gleichfalls sein Wort weitertragen, sollen weitergeben und ihrerseits zu Lehrerinnen und Lehrern werden. Sollen als Multiplikatoren wirken. Dazu müssen sie raus.

Jesus verlangt sich selbst viel ab. Und genauso viel von den Jüngern. Wenn man in der Bibel weiterliest, die Verse nach unserem Predigtabschnitt, da kommt das erst noch: Ich sende euch wie Schafe unter Wölfe. Ihr müsst mit Verleugnung rechnen. Ihr müsst damit rechnen, dass die Leute euch vor Gericht zerren. Ihr müsst mit all dem rechnen, was mir, Jesus, selbst widerfährt. Ungerechtes Urteil und Verfolgung, vielleicht sogar Tod.

Er mutet das ihnen zu und beharrt: Brecht auf. Geht los. Macht euch auf den Weg. Geht eurer Aufgabe nach. Ich traue sie euch zu. Ich vertraue sie euch an. Ich sende euch los.

Sie haben Vorbilder. Abraham, von dem wir in der Lesung gehört haben. Ihre Vorfahren, ihre Urmütter und -väter, die auf Gottes Geheiß hin aus Ägypten aufbrachen in die Freiheit. Oder jene, die sich aus Babylon aufmachten zurück ins Land Israel, um Jerusalem und den Tempel Gottes wieder aufzubauen. Jetzt sollen sie, die Jesusleute, aufbrechen. Mit noch weniger Gepäck, noch leichter, noch beweglicher. Gottes Reich ist so nah! Gott selbst wird für sie sorgen. Um Gottes willen: es geht los.

Liebe Gemeinde, es gibt in Wien eine wunderbare Kirche. Eine Trinitatiskirche wie unsere hier, die Kirche „Zur Heiligsten Dreifaltigkeit“. Viele sagen zu ihr „Wotrubakirche“ nach dem Bildhauer, der hier wirkte. Zwischen hoch geschichteten Betonblöcken blickt die Gemeinde durch riesige Glasscheiben nach draußen. Kein Gottesdienst ohne den Blick auf die Umgebung. Von außen sehen die Betonblöcke fast aus wie eine Baustelle. Die Frau, auf deren Engagement der Bau zurückgeht, wollte zeigen – so ist sie in Wikipedia zitiert, dass „Kräfte wirksam sind, die dem Geist des Unglaubens wiederstehen“.

Ich verstehe es so: sie war überzeugt von der Nähe des Reiches Gottes. Und von der Sendung der Gemeinde dorthin, wo sie hinschauen konnte. Zu den Menschen. In die Stadt. In das Land außen rum. Der eigene Standort, der sollte vorläufig sein. Wie eine Baustelle. Eine Zwischenstation. Von der man wieder aufbricht zu nächsten Etappe.

Als ich mit der Familie vor ein paar Jahren dort war, hatte die Gemeinde einen Wahlspruch in den Eingang gehängt. Ich weiß es nicht mehr wörtlich, aber in der Art: „Wir wollen den Menschen Heimat geben“. Der Kirchenbau aber sagte: Seht hin. Geht los. Bringt das, was ihr hier hört, unter die Leute.

Vielleicht hat der Kirchenbau die Menschen überfordert. Der Kirchenbau weist seine Gemeinde hinaus. Wenn die Gemeinde sich versammelt, hat sie immer im Blick, was draußen vor sich geht. Der Kirchenbau von Fritz Wotruba und Fritz Gerhard Mayr kommt mir vor wie eine Predigt, wie eine Auslegung unseres Abschnitts aus dem Matthäusevangelium. Geht und verkündet.

Klar: wenn Menschen auf der Suche sind nach Schutz und Fürsorge, wenn sie heimatlos sind, dann ist es sicher geboten, Heimat zu geben.

Gleichzeitig dürfen wir nicht vergessen: Jesus sendet seine Leute raus aus ihrer Heimat. Raus aus der Sicherheit. Er sendet sie, zu verschenken, was sie selbst bekommen haben. Heilung und Leben, Gottes Gegenwart und Nähe. Sie sollen hören. Lernen. Das Leben mit ihm teilen. Und aufbrechen.

 

Vor drei Wochen (am 29. Juni) sandte Papst Franziskus einen Brief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“. Das letzte Mal gab es einen päpstlichen Brief nach Deutschland 1937. Damals waren vor allem die Bischöfe angesprochen, interessanterweise aber gezielt auch Jugendliche und Gemeindeglieder, weil es um den Nationalsozialismus in Deutschland ging.

In diesen Tagen also erneut ein Brief aus Rom. Man könnte fast fragen: Steht es so schlimm um uns hier? Immerhin: Franziskus wendet sich an eine Kirche auf der Pilgerschaft. An eine, die unterwegs ist. Die sich aufgemacht hat. Er schreibt, so sagt er in den ersten Zeilen, aus der Beschäftigung mit der Schrift in diesen Tagen nach Ostern und Pfingsten. Er erinnert an das Zeugnis Maria Magdalenas von der Auferstehung. Und wie in der Apostelgeschichte die Jesusleute jede Gelegenheit nutzen zur Verkündigung. Er dankt den Gemeinden in Deutschland für ihr Engagement hier und in der Welt. Für ihr ökumenisches Wirken. Und dann geht es ihm ausdrücklich noch mal um die Kirche unterwegs. Zwei Motive entfaltet er.

Franziskus ruft auf zur Synodalität (3). Syn-ode – wir kennen das ja - bedeutet: gemeinsam auf dem Weg. Ausdrücklich wünscht sich der Papst im Brief, dass Gemeinden und Kirchenleitungen zusammen sich auf den Weg machen unter der Leitung des Heiligen Geistes. Das ist also wie in der Pfingstgeschichte, wo auch jeder die Flamme des Geistes nur beim andern bezeugt kann. Nicht bei sich selbst.

Und dann - zum Zweiten - wiederholt Franziskus, was er anderswo auch schon gesagt hat: Die Christen müssten hinausgehen (8) mit der Freude am Evangelium. Und weltweit Sorge füreinander zu tragen (10). Damit es da kein Missverständnis gibt: Vorweg unterstreicht Franziskus, was zu unserm Wochenspruch passt: Niemand ist durch Werke und Anstrengung gerechtfertigt. Nicht durch Aktivitäten. Und auch nicht durch immer neue Strukturmaßnahmen oder Erneuerungen, nicht durch immer neue Umfragen und Pläne, Berechnungen und Prognosen. Gerechtfertigt sind wir, sagt der Papst (6), „durch die Gnade des Herrn, der die Initiative ergreift.“

Das tut doch gut, zu wissen, dass über die Konfessionen hinweg, Christinnen und Christen an diesem Sonntag und auch sonst sich beschäftigen mit dem Ruf und der Sendung Jesu, sich mahnen lassen:  Geht und predigt und sprecht: Das Königreich der Himmel ist nah. Und die Leute sollen es spüren an Leib und Seele.

 

Ja, Jesus schickt seine Schüler zunächst zu den eigenen Leuten. 12 Männer zählt Matthäus auf. Repräsentanten für die ehemals 12 Stämme. Ganz Israel soll erfahren: Gott hat seine Kinder im Blick. Sein Reich ist nahe. Das Imperium nicht ewig.

Nach Ostern, mit Jesu Auferweckung, sollen auch die Völker, sollen jetzt auch die Heiden von Jesus lernen. Mit der Auferweckung sollen auch die Völker lernen über den Gott vom Zion, über den Gott Israels. Welch ein Geschenk, dass die Schüler Jesu sich am Ende noch einmal haben senden lassen. Noch weiter. In noch größere Fremde. Unter all die fremden Völker. Auch zu uns. Welch ein Geschenk, welch eine Gnade, dass so hat Kirche entstehen können. Dass wir dazu gehören. Und unsererseits von Jesus hören: Brecht auf. Geht los. Und bezeugt: Gott ist nah.

 

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Fürbitte – Zwischenrufe „Geh mit uns auf unserm Weg“ (vgl. Liedvorschläge)

Du Gott, hast Abraham aus seiner Heimat gerufen, ihm Nachkommen und Land verheißen.

Du hast Josef nicht allein gelassen, als seine Brüder ihn verkauften,

du hast ihn nach Ägypten geführt und zum Segen werden lassen für viele in Hunger und Not.

Du hast Israel von den Fleischtöpfen Ägyptens in die Wüste geführt,

um dort dein Wort und deine Weisung zu schenken.

Du hast dein Volk in die Verbannung begleitet um - zurück im Lande -  aufs Neue mitten unter ihnen zu wohnen.

Du hast Jesus erwählt, deine Nähe zu verkünden und dein Reich aufscheinen zu lassen vor aller Welt.

 

Darum bitten wir dich auch für deine Kirche,

dass sie sich immer neu herausrufen lässt

aus Trägheit zum rechten Tun

Und aus dem Eifer zur Ruhe.

Wir rufen zu dir: Geh mit uns auf unserm Weg ….

 

Wir bitten dich für das Miteinander der Konfessionen,

dass wir einander Zeugnis geben von deinem Wort

und von der Freue deiner guten Botschaft.

Stärke uns, miteinander und voneinander zu lernen

in deinem Geist. Wir rufen zu dir: ….

 

Wir bitten dich für alle, die nichts mehr erwarten,

für die, die sich am Rande sehen. 

Für die Jugendlichen, die als zu leise oder zu laut empfunden werden.  

Für alle, denen es schwerfällt, sich mitzuteilen,

Hilf uns, uns aufzumachen zu ihnen und zuzuhören. Wir rufen zu dir: ….

 

Wir bitten dich für alle, die unfreiwillig Heimat oder Familie verlassen mussten,

für alle, die sich fremd fühlen und unsicher in ihrer Umgebung.

Wir bitten dich für alle, die an einen bestimmten Ort gebunden sind.

Kranke zuhause oder in Kliniken.

Alte Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, wenn sie auch nur ihre Wohnung verlassen wollen.

Kriegsgefangene und Häftlinge, die auf Kontakt von außen warten.

Lass uns Wege zueinander finden. Wir rufen zu dir …

 

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Liedvorschläge

EG 182 Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt …

EG 260 Gleichwie mich der Vater gesandt hat …

EG 395 Vertraut den neuen Wegen

EG 262/263 Sonne der Gerechtigkeit, besonders die Strophen 5-6

 

Aus: „Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder“ (2018):

70 Mit dir o Herr die Grenzen überwinden …

41 Geh mit uns auf unserm Weg …

71 Mögen sich die Wege …

 

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Quelle: https://dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2019/2019-108a-Brief-Papst-Franziskus-an-das-pilgernde-Volk-Gottes-in-Deutschland-29.06.2019.pdf



Pfrin Kira Busch-Wagner
Karlsruhe, Baden-Württemberg, Deutschland
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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