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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

15. Sonntag nach Trinitatis, 29.09.2019

Der Reiche und Lazarus
Predigt zu Lukas 16:19-31 (ökumenische Perikopenordnung), verfasst von Rubén Bernal

Das Gleichnis vom reichen Mann und Lazarus ist nicht dazu bestimmt, die Existenz der Hölle als physischen Ort zu verteidigen. Diejenigen, denen es darum geht, die Hölle beweisen zu wollen, werden nur den Inhalt der Botschaft entstellen. In der Theologie wird ein Sprichwort verwendet, das uns genau zu dieser Vorsicht auffordert: die Logik eines Gleichnisses ist immer symbolisch, nie argumentativ. Jesus greift hier einfach auf eine Rhetorik und eine Vorstellung zurück, die im späten Judentum bekannt ist, und dessen Zeitgenosse er war, und von dort aus wird er eine Erzählung gestalten, die auf das wahre Herz seiner Lehre zeigt. Als pädagogische Ressource nehmen die Gleichnisse Jesu immer Elemente auf, die seiner Umgebung bekannt und angemessen sind; in diesem Fall ist es die Ressource, die zwischen „dem Schoß Abrahams" und „Hades" unterscheidet.

Was will Jesus uns also mit diesem Gleichnis lehren? Zuerst stellt er uns die Ungerechtigkeit vor, die in der Welt herrscht, wo es sehr reiche Menschen gibt und andere, die sehr arm sind. Das Lukasevangelium legt großen Wert auf die Frage von Armut und Reichtum. Das Reich Gottes, das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude (Rom. 14,17) billigt nicht die Ungerechtigkeit dieses Ungleichgewichts. Der reiche Mann im Gleichnis, der sich selbst darstellend lebte (Vers 19), hatte die Wirklichkeit der Armut ganz in seiner Nähe, direkt vor der Tür seines Hauses (Vers 20).

Der reiche Mann, wie jeder Jude, wusste genau, was das Gesetz des Mose vorschrieb und was einige Propheten über soziale Gerechtigkeit gesagt hatten. Er kannte seine Pflichten gegenüber den Bedürftigen. In Jesaja 58,7 steht, dass das wahre Fasten zu Gott darin besteht, das Brot mit den Hungrigen zu teilen, die Armen unterzubringen, die Nackten zu bekleiden und sich nicht vor dem Bruder zu verstecken. Der Prophet Amos, angetrieben durch den Geist Gottes, protestierte energisch gegen die Ungerechtigkeiten, die soziale Ungleichgewichte hervorrufen. Es gibt noch viele weitere Beispiele wie diese.

Heutzutage profitieren viele Menschen von institutioneller Gewalt und Ungleichheiten, die es einigen ermöglichen, auf Kosten anderer zu leben, weil sie wissen, dass andere Menschen in die absolute Marginalität verbannt werden. Das Problem der Einwanderung im Mittelmeerraum oder an der Grenze zwischen Mexiko und den USA ist ein umfangreiches Symptom dafür.

Wie der reiche Narr (Lk 12,13-21), lebt unser Protagonist so, dass er seine Güter für sich selbst häuft, er lebt entfremdet anderen gegenüber (außer seinen reichen Freunde gegenüber, die er zu Banketten einlädt, V. 19), er dient dem Gott-Mamon, was mit der Nachfolge Christi unvereinbar ist (16,13), denn die Nachfolge Jesu Christi erfordert unsere Hingabe an andere (Mt 25,34-46).

Bisher konnten wir feststellen, dass das Gleichnis den Zweck hat, die Menschen auf unsere Verantwortung gegenüber den Armen aufmerksam zu machen. Eine Verantwortung, die sich in erster Linie an die Reichen richtet, aber in zweiter Linie an uns alle, die wir die neue Gesellschaft der Herrschaft Gottes fördern. Jeder, der „ein wenig mehr" hat (es ist nicht nötig, reich zu sein), muss es den Bedürftigen zur Verfügung stellen (Lk 3,11).

Es gibt jedoch noch eine weitere Lehre im Gleichnis. Am Ende sehen wir einen Dialog zwischen dem reichen Mann und Abraham. Der reiche Mann (der nach seinem Tod für den Abgrund bestimmt ist, als Folge seiner Entscheidung, „nicht teilzunehmen" am Willen Gottes zu Gerechtigkeit und Gleichheit) versucht, seine Stimme zum „Schoß Abrahams" zu erheben, wo die Gerechten wohnen.

In dem Wissen, dass er nichts mehr für sich selbst tun kann, bittet er Abraham um eine Hilfe für seine fünf Brüder, die so leben, wie er gelebt hat: auch sie sind Diener des Mammons, sie leben für sich selbst vom Gewinn, ohne sich um die Bedürfnisse anderer zu kümmern. Viele von uns leben in diesem Zeitalter des Komforts und der Freizeit entfremdet gegenüber anderen.

Der reiche Mann bittet Abraham, dass Lazarus von den Toten zurückkehrt, um seinen Brüdern Zeugnis abzulegen und sie zu warnen, dass sie eine Veränderung in ihrem Leben brauchen (Vv. 27-30). Er ist überzeugt, dass der einzige Weg für seine Brüder, ihre Lebensweise zu bereuen und eine gerechtere anzufangen, die dem Willen Gottes entspricht, darin besteht, dass ein Toter ihnen erscheint und sie überzeugt (Vers 30).

Abraham antwortet jedoch, dass diese Brüder, die das Gesetz des Mose und die Lehren der Propheten kennen, sie nicht anwenden, also auch nicht auf jemanden hören werden, der von den Toten aufersteht (V. 31).

Jeder, der den Willen Gottes (in diesem Fall seinen Willen gegenüber den Benachteiligten) nicht annehmen will, wird wissen, wie er tausend Wege finden kann, sich zu entschuldigen, sei es vor den Propheten und Mose oder vor jemandem, der von den Toten zurückgekehrt ist.

Das Spannende, wenn wir uns in der Gegenwart betrachten, ist, dass wir ja schon einen haben, der von den Toten auferstanden ist! Vor dem Auferstandenen haben wir die Möglichkeit, uns entweder selbst zu entschuldigen oder aber sein Leben, das er für andere hingegeben hat, für uns als Beispiel zu nehmen.

Lieber Vater, danke für das Beispiel, das wir in Jesus haben. Danke für das Leben der Hingabe, des Lebens der Nachfolge bis zum Kreuz. Als Jünger wollen wir diesen Schritten folgen und Teil dieser guten Nachricht für die Armen werden, dieses befreienden Programms für Gefangene und Unterdrückte und der Heilung für diejenigen, die krank sind. Bemächtige uns in deinem Geist, dich in der Not anderer zu erkennen. Im kostbaren Namen Jesu, Amen!



Pfr. Rubén Bernal
Malagá, Spanien
E-Mail:

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