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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Buss- und Bettag, 20.11.2019

Echt jetzt? - Schminktipps von Barbara Schöneberger
Predigt zu Römer 2:1-11, verfasst von Peter Schuchardt

Liebe Schwestern und Brüder,

 

kennt ihr Barbara Schöneberger? Sie ist eine Entertainerin, Sängerin, Moderatorin, ein Star  im deutschen Fernsehen. Sie gibt eine eigene Zeitschrift heraus und hat einen Instagram-Account im Internet. Auf diesem Account äußert sie sich immer wieder einmal zu bestimmten Themen. Ihre Fans haben dann die Möglichkeit, das zu kommentieren. Und sie hat viele Fans, Follower heißt das heute. Vor ein paar Tagen aber kriegte Barbara Schöneberger großen Ärger. Ein Shitstorm ging über sie hinweg. Shitstorm (das muss ich, denke ich, nicht übersetzen) ist ein Begriff für eine Menge ablehnender Bemerkungen und Reaktionen. Was war geschehen? Frau Schöneberger hatte in einem kleinen Film gesagt: „Ich finde es nicht toll, wenn Männer sich schminken. Männer sollen Männer bleiben.“  Wutentbrannt schimpften viele, sie habe ein antiquiertes Männerbild, sie sei homophob, hätte also Vorbehalte gegenüber schwulen Männern und überhaupt, so eine Einstellung  passe nicht mehr in unsere Zeit. Barbara Schöneberger versuchte dann noch, sich ein wenig zu retten. Sie meine natürlich nicht die bunten Jungs, also schwule Männer, die sich gerne schminken dürften. „Nein“, sagt sie: „Ich meine Männer, mit denen ich früher ausgegangen bin.“ Diese Männer sollen Männer bleiben. Sie will, so übersetze ich, dass diese Männer echt sind. In ihrem Gesicht sollen die Spuren des Lebens und der Jahre sichtbar sein. Nichts soll überschminkt werden. Denn die Schminke überdeckt  diese Lebensspuren, die Narben, die Falten. Frau Schöneberger sagt übrigens von sich selber, sie werde beim Einkaufen nie erkannt, weil sie da nicht geschminkt sei. Also ist die Barbara, die mich im Fernsehen anstrahlt, eine künstliche, eine, die ihre Falten, ihre Sorgen, die Spuren des Lebens hinter ihre Schminke versteckt.  Und zwar so sehr, dass ich die echte Barbara, die mir im Supermarkt oder auf der Straße begegnet, gar nicht erkennen würde. Ich weiß: Viele Frauen und auch Männer schminken sich, um ihre Schönheit noch mehr zu betonen. Sie fühlen sich damit wohler. Kein Pickel, keine Narbe, keine Augenringe sollen anderen Anlass geben, über sie zu lästern. Aber ich weiß eben auch: Das Fernsehen mit seiner bunten Show- und Glitzerwelt zeigt mir eine künstliche Welt. Eine Welt, in der alle lustig und fröhlich und gut drauf sind. Eine Welt, in der jemand wie Barbara Schöneberger sich vermutlich nie ungeschminkt zeigen würde. Vielleicht, weil sie befürchtet, dass über diese echte, ungeschminkte dann auch ein Shitstorm hereinbricht, wie gealtert sie sei und dass man ihr ja auch die Lebensspuren ansehe. Vielleicht hat sie auch Angst, ob die echte Barbara auch noch so beliebt ist wie die, die am Sonnabendabend die Fernsehshow moderiert.

 

Ich erzähle euch davon, weil es heute darum geht, echt zu sein. Heute feiern wir den Buß- und Bettag. Es ist der Tag am Ende des Kirchenjahres, um auf mein eigenes Leben zu sehen. Es ist der Tag, um mich selber anzusehen. Und das ungeschminkt. Denn auch wenn Frau Schöneberger keine geschminkten Männer mit Rouge auf den Wangen und Kajalstrich überm Auge mag: Im übertragenen Sinn gehen wir alle, jede von uns, ob Mann, ob Frau, geschminkt durch das Leben. Du verdeckst die Spuren der Angst in deinem Gesicht. Die verweinten Augen, weil du nicht mehr ein noch aus weißt, zeigst du lieber nicht. Du setzt trotz der Schuld, die dein Herz zerfrisst, dein strahlendes Lächeln auf, sobald du durch die Haustür gehst. Das hilft oft, den Tag zu überstehen. Denn ich kann nicht jedem zeigen, wie es wirklich in meinem Herzen und in meinem Leben aussieht. Aber wenn ich diese Maske, diese Lebensschminke gar nicht mehr ablege, dann kommt mein wirkliches Ich ja gar nicht mehr zum Vorschein. Dann habe ich keine Möglichkeit mehr zu zeigen und zu sagen, wie es wirklich um mich steht, wie es mir wirklich geht. Aber das ist so wichtig, ja, ich denke, es ist lebenswichtig. Ich brauche jemanden, bei dem ich alle Schminke abwischen und alle Masken ablegen kann. Endlich so sein, wie ich wirklich bin, mit allen Narben, Falten, Sorgen, Ängsten. Dazu brauche ich vor allen Dingen Vertrauen zu dem anderen. Ich brauche die Gewissheit: Du wirst dich nicht abwenden. Du wirst mich nicht verspotten und über mich herziehen. Bei dir darf ich leben.

 

Gott lädt uns heute ein, so zu ihm zu kommen. Wir dürfen uns ungeschminkt  zeigen - und echt. Denn das ist der Sinn dieses Tages. Buße tun meint in der Sprache der Bibel: „Kehr um“ „Sieh dir an, was verkehrt gelaufen ist, wo du einen falschen Weg gegangen bist. Und dann kehr um auf deinem Lebensweg. Lass das Verkehrte hinter dir und versuche, neu anzufangen.“ Und weil dieser Tag auch ein Bet-Tag ist, kannst du fest darauf vertrauen: Gott will dir dabei helfen.

 

Zu dieser Umkehr lädt auch der heutige Predigttext aus dem Römerbrief ein. Der Apostel Paulus ruft uns darin auf, ungeschminkt unser Leben und Verhalten anzusehen: 1. Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der du richtest. Denn worin du den andern richtest, verdammst du dich selbst, weil du ebendasselbe tust, was du richtest. 2 Wir wissen aber, dass Gottes Urteil zu Recht über die ergeht, die solches tun. 3 Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? 5 Du aber, mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen, häufst dir selbst Zorn an für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, 6 der einem jeden geben wird nach seinen Werken:7 ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichem Leben; 8 Zorn und Grimm aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit; 9 Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die das Böse tun, zuerst der Juden und auch der Griechen; 10 Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die das Gute tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen. 11 Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.(Röm 2, 1-11)

 

Das, liebe Schwestern und Brüder, ist nun wirklich ein Blick auf mein Leben, der nichts beschönigt und nichts überschminkt. Es mag ja sein, dass ich mein Leben bis jetzt erfolgreich und einigermaßen gut geführt habe. Natürlich versuche ich Tag für Tag, den Geboten Gottes gemäß zu leben. Doch sobald ich mich nun dazu aufschwinge, andere, die das nicht tun, zu verurteilen, verstoße ich sofort gegen Gottes Gebote. Denn für Paulus ist klar: Gott ist voller Güte, Geduld und Langmut. Und er will geduldig warten, bis seine Güte jeden Menschen zur Buße, zur Umkehr bringt. Sobald ich aber den anderen verurteile, der noch auf dem verkehrten Weg ist, stelle ich mich nicht über diesen Sünder, sondern sogar über Gott und seine Güte. Und sobald ich mich über Gott stelle, werde ich selber zum Sünder. Denn Sünde heißt ja im tiefsten Sinn: Ich höre nicht auf das, was Gott sagt. Wenn ich den anderen verurteile, weiß ich es in dem Moment besser als Gott selber. Was für eine Überheblichkeit spricht da aus mir! Eine Überheblichkeit, die mich im gleichen Moment sofort verurteilt. Du bist nicht besser als der andere, du bist genauso. Und wenn du diesen Weg gehen willst, andere zu verurteilen, dann ist klar: Du bist auch verurteilt. Wenn du sagst: Der andere hat Gottes Zorn verdient, dann du genauso. Wenn du dem anderen die Schminke von dem Gesicht wischen willst und seine Fehler und Narben zum Vorschein kommen, dann hält Gott dir den Spiegel vor und zeigt dir: Genauso siehst du aus. Echt.

 

Aber Gott sei Dank ist das ja nicht der einzige Weg. Gott ruft uns ja dazu auf, umzukehren, einen anderen Weg zu gehen. Und dieser Weg sieht so aus: Vertrau auf Gottes Güte, Geduld und seinen Langmut. Das ist es, was dich leben lässt, selbst wenn du Schuld angehäuft und Fehler gemacht hast, selbst dann, wenn du dein Spiegelbild nicht mehr erträgst. Seine Güte und Geduld tragen und ertragen dich.

 

Und weil Gott so mit dir umgeht, geh du auch so mit deinem Nächsten um. Sei geduldig. Wünsche und tue ihm Gutes. Hab einen langen Mut, traue ihm zu, dass auch er sich ändern kann. Wenn du das tust, dann lebst du die Liebe, mit der Gott auch dir begegnet.

 

Und wenn du dann einen Spiegel in die Hand nimmst und dein Gesicht ansiehst, ungeschminkt, dann wirst du spüren: So bin ich in echt. Und obwohl ich so viele Spuren sehe, die ich am liebsten verstecken möchte, weiß ich: Das bin ich. Dieser echte Mensch, dieses echte Ich ist von Gott geliebt und getragen. Und als dieses echte Ich möchte ich heute neu anfangen, heute am Buß- und Bettag. Gott will mir helfen. Darauf vertraue ich.

Amen

 

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Pastor Peter Schuchardt (geb. 1966), ist Gemeindepastor in Bredstedt/Nordfriesland und Klinikseelsorger an der DIAKO Nordfriesland in Riddorf



Pastor Peter Schuchardt
Bredstedt, Schleswig-Holstein, Deutschland
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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