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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Advent, 01.12.2019

Ablegen den alten Schlafanzug – anziehen das strahlende Taufkleid! Zur Arbeit. Zum Fest!
Predigt zu Römer 13:8-12, verfasst von Kira Busch-Wagner

Liebe Gemeinde,

manche unter Ihnen mögen sich heute morgen ganz ausdrücklich überlegt haben: Was ziehe ich denn an zur Kirche. Die Tauffamilie, die Eingeladenen, die Gäste. Was ziehe ich heute morgen an, haben sich vielleicht auch die Konfis überlegt, die Kandidaten zum Ältestenamt, die Mitwirkenden im Gottesdienst. Und die Eltern der Kita-Kinder haben vielleicht schon gestern abend manches gerichtet: Siehst du, das darfst du morgen anziehen. Das schöne Kleid. Den besonderen Pulli.

Ich weiß nicht, ob es in den Familien heutzutage noch Diskussionen gibt von der Art: So gehst du mir nicht in die Kirche, so gehst du mir nicht in die Schule, unter die Leute, auf dieses Fest.

Selbst wenn wir zu unterschiedlicher Einschätzung kommen, im Grundsatz dürften die meisten sich einig sein: Zu bestimmten Gelegenheit zieht man Besonderes an.

Und eines haben heute Morgen alle geschafft:  Niemand steckt mehr im Schlafanzug, niemand im Nachthemd. Die Nacht ist vorbei. Heller Tag ist geworden. (Selbst wenn ihn die Wolken ein wenig eingrauen). Alle haben die Stunde erkannt. Selbst wenn es lange finster geblieben ist. Dann war die Stunde da – ganz so, wie Paulus schreibt.

Egal was wir anhaben heute Morgen: viele von uns tragen unsichtbar noch ein anderes Gewand mit sich herum: ihr Taufkleid. Sie sind getauft. Sie haben Christus angezogen, wie Paulus es nennt. Sie haben den Glauben und seine Gemeinschaft um sich herumgelegt, sich angetan: zum Schutz, zur Wärme, als Zeichen der Gemeinschaft und um bei vielen Gelegenheiten richtig angezogen zu sein. Und um ausgerüstet zu sein fürs Leben. Ähnlich wie beim Fußballtrikot, wo der Sponsor vermerkt ist: Klaiber Markisen oder EnBW oder Telecom. So ist das Taufkleid gesponsert, gegeben, mit einem Auftrag versehen durch Gott selbst. Das Taufkleid ist eine Art Arbeitskleidung. Zu tragen für das, wozu wir berufen sind. Und so unsichtbar das Taufkleid ist - sichtbar soll werden, wozu die Getauften berufen sind, aufgerufen sind und woran man sie erkennen kann: dass sie sich an die Gebote und Weisungen Gottes halten. An Weisungen, die jeden anderen Menschen als Gottes Geschöpf erkennen lassen. Allen, wirklich allen im Guten entgegenzukommen. Weil er geliebt ist von Gott wie jeder von uns selbst. Und wir darum am Ende Beauftragt sind, den Nächsten und uns selbst zu lieben, weil wir uns gleichen. Die oder der andere: wie ich.

Anders als andere Kleider verschleißt das unsichtbare Taufkleid nicht durch den Gebrauch, sondern durch den Nichtgebrauch. Das unsichtbare Taufkleid, das uns umgelegt ist, wird dünn und löchrig bei Nichtgebrauch, wird brüchig und hält nicht mehr recht zusammen. Darum lädt uns der Apostel Paulus immer wieder ein: Zieht an euer Taufkleid! Jeden Tag neu. Zieht an den Herrn Jesus Christus. Gebraucht eure Taufe, euer Taufkleid und lasst es sichtbar werden. Lasst es aufstrahlen, erahnen, sichtbar werden, indem ihr Gottes Auftrag und Gebot nachkommt. Anlegen eine ganz unmilitärische, eine lebens- und friedensschaffende Waffe des Lichts. Ein Peacemaker wahrer Art.  

Denn die Welt, in der wir leben, ist manchmal schon sehr finster. Paulus hat das genauso erlebt. Und wusste: wer im Finstern sitzt, hofft auf das Licht, das ganz sicher, ganz bestimmt kommt. Wie eben ein Wächter auf den Morgen wartet. Und ungeduldig auf die einsetzende Dämmerung. Genau deswegen begehen wir die Adventszeit. Die Wartezeit auf das Kommen Jesu. Jedes Jahr. Und im Grunde genommen jeden Tag. Um die richtige Ungeduld zu lernen, das richtige hoffnungsvolle, gewisse und beharrliche Warten. Aus diesem Grund hängt das violette Parament vor der Kanzel und dem Altar. Nein, nicht das Schwarze. Es ist nicht tiefste Nacht. Nicht furchtbarstes Dunkel. Wir warten auf den Morgen, das Licht, den Tag, und ein wenig dämmert es schon. Am Christfest, an Weihnachten liegt das weiße Parament. Jetzt aber befinden wir uns noch in den Schatten der Nacht. Noch im Zwielicht. Doch es geht dem Morgen entgegen. Mit unserem Taufkleid gehen wir auf den Morgen zu.

 „ …. die einen sind im Dunkeln/ und die andern sind im Licht/ und man siehet die im Lichte,/ die im Dunkeln sieht man nicht, heißt es bei Bertold Brecht in der Dreigroschenoper. Die Adventszeit, wo wir selbst uns dessen bewusst sind in der Erwartung des Morgens zu leben, die erinnert uns: wir stehen noch nicht im vollen Glanz Gottes. Und bis dahin haben wir noch ein wenig Zeit. Wir haben Zeit, während des Wartens, in der Adventszeit, unsere Augen ins Dunkel zu richten. Um die Menschen dort zu sehen. Anders als die Reichen und Privilegierten bei Brecht es tun. Die Adventszeit will uns auch die sehen lassen, die uns Brot für die Welt in diesem Jahr so besonders vor Augen führt: Die Müllkinder in Mosambik, für die zur Schule gehen zu können ein großes Geschenk ist. Die angeblich Unberührbaren in Indien, die viel zu selten zu ihrem Recht kommen. Kleinbauern in Peru oder Tansania, die durch Unterstützung zu einer besseren, nachhaltigeren Landwirtschaft kommen. Auch sie warten drauf, eintreten zu können in eine lichtere Welt, in ein besseres Leben bis uns Gottes Licht umfängt.   

Die Nacht ist vorgerückt, der Tag aber nahe herbeigekommen, schreibt Paulus. Von Paulus hat selbst Brecht sich beeindrucken lassen. „Die Nacht hat zwölf Stunden. Dann kommt schon der Tag.“ Heißt es in einem seiner Lieder. Dass wir auf Gott zuwarten, dass Gott uns erwartet mit seinem Licht. Daran hat Paulus keinen Zweifel. Mit seinem Brief, unserem Predigtabschnitt, wendet der Apostel sich an uns Wartende, an uns in der Morgendämmerung und im Zwielicht Erwachende. Dass wir aufstehen. Dass wir uns aufmachen. Und Paulus ruft uns und sich selbst auch zu: So lasst uns ablegen die Werke der Finsternis. Wie Nachtwäsche, lasst uns ablegen alles, was nicht ins Licht gehört, alles weg wie einen verschwitzten Schlafanzug. Weg mit den Werken der Finsternis, mit den falschen, unpassenden Taten für den Tag mit Christus. Lasst uns anlegen das helle, lichte, meist ja unsichtbare. aber hoffentlich ausstrahlende und so sich immer wieder erneuernde Taufkleid. Dass es zur Arbeitskleidung werde und zur Festkleidung gleichermaßen. Für diesen Tag. Für unser Leben als Christen. Bis Gottes Licht alles überstrahlt. Amen.

 

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Zum Kontext:

Wie in vielen Gemeinden wird der Gottesdienst in der Trinitatiskirche im Karlsruher Stadtteil Durlach-Aue mitgestaltet durch die Kinder der Kita. Und ein Kind wird getauft.

Und dies alles in dem großen liturgischen Rahmen der Adventszeit mit der neuen Perikopenreihe II, mit dem Beginn der großen 61. Spendenaktion „Brot für die Welt“.

 

Lieder:

Selbstverständlich EG 1 Macht hoch die Tür

Zur Predigt EG 16 Die Nacht ist vorgedrungen

Mit und für Kinder, aber auch zur ethischen Ausrichtung: EG 17 Wir sagen euch an den lieben Advent. Und alles, was das Gesangbuch an Adventslieder noch hergibt.

 

Fürbitten:

Bei den Fürbitten lassen sich vielleicht Konfirmanden ansprechen, die kurzen Informationen zu den Lebensumständen derer, für die gesammelt wird, vorzutragen.

Die Liturgin bzw. der Liturg nimmt das Anliegen im Gebet auf.

Informationen und Bitten wechseln sich mehrfach ab.

 



Pfrin Kira Busch-Wagner
Karlsruhe, Baden-Württemberg, Deutschland
E-Mail: Kira.Busch-Wagner@kbz.ekiba.de

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