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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Advent, 08.12.2019

Predigt zu Matthäus 25:1-13 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Tine Illum

Das Fest der Liebe und der Freude

 

”Ich werde mich freuen” sagte sie.

Sie ging in die dritte Klasse. Und ein paar Stunden, nachdem sie mit den Vorkonfirmanden in der Kirche gewesen waren, sollten sie zum Schulfest. Sie redeten von nichts anderem. Die neuen Kleider, die Haare die kunstvoll geflochten werden sollten, und sie hatten den Einmarsch geübt. Alle Vorbereitungen waren getroffen.

  Nun musste man nur auf das Fest selbst warten. „Was wirst du denn tun, wenn du nach Hause kommst?“ fragte ich. „Ich werde mich freuen“. Das war das einzige, wofür Platz war: Sich freuen.

Und darum geht es heute. Sich freuen. Auf das Schönste warten. Das ist der Lebensstil des Advent. Sich über alle Maßen freuen.

Das sollen die Brautjungfern heute. Sie sollen dem Bräutigam mit Lampen in den Händen entgegengehen, einen Festumzug veranstalten, so dass es alle sehen können. So feiert man Hochzeit im Orient. Sie sollen voller brennender Erwartung sein. Alles Gute erwartet sie.

Wir sind zu freudiger Erwartung bestimmt --- nicht zu mutlosem Warten. Wir sind dazu bestimmt, überschwänglich klug zu sein und nicht dumm und berechnend.

   Wir sind dazu bestimmt, Missmut zu meiden. Dazu bestimmt, uns so sehr zu freuen, dass das, worauf wir warten, unsere Lebenseinstellung und unser Sein in der Welt prägt. Erwartung …. das ist das Vorzeichen unseres Lebens. Das ist Glaube. 

Jesus spricht von dem, was in unserem Leben und Glauben das Wichtigste ist, davon spricht er in dem, was wir seine Gleichnisse nennen. Denn er vergleicht mit etwas, was wir kennen. Ewas, das dem gleicht. Aber eben nur gleicht. 

Gleichnisse sind nicht Gleichungen, wo alles aufgehen muss. Meist steht nur ein Punkt im Mittelpunkt im Gleichnis. Heute geht es nicht wie so oft um die Nächstenliebe. Heute geht es um etwas anderes, es geht darum, die erwartungsvolle Freude am Leben zu erhalten. Geduldig und vertrauensvoll darauf zu warten, dass das Beste eintreffen wird.

„Das Volk, das im Finstern wandelt, wird ein großes Licht sehen“, so hören wir es jeden Sonntag im Gottesdienst. Das ist unsere Zukunftsvision. Die freudige Erwartung soll unser Leben bestimmen.

 

Es ist wichtig, dass ich mir das klar mache, denn sonst kann das Gleichnis leicht zu einer Erzählung werden, dass die Klugen die weniger Klugen aufs Kreuz legen. Denn unmittelbar sehe ich vor mir einige etwas vergessliche Brautjungfern, die vielleicht nicht imstande waren auszurechnen, wieviel Öl sie mithaben mussten – und einige altkluge Pedanten, die wie immer alles unter Kontrolle haben. 

   So gesehen ist das hier nichts anderes als eine kleinbürgerliche Erzählung über kluge Vorsorge. Dass die Dummen die sind, die nicht wissen, wieviel Öl nötig ist, um die Lampen brennen zu lassen, sie sind die

Verlierer. Eine Erzählung darüber, dass Gott sich auf unsere Prämissen einlässt, nämlich dass einem das widerfährt, was man verdient.

 

So denken wir leicht, wenn wir vergessen, was das Vorzeichen nicht nur für das Gleichnis, sondern auch für unseren ganzen Glauben ist: Jesus ist nicht gekommen um uns zu verurteilen und auszuschließen – sondern er ist zu jedem gekommen, der sich selbst verburteilt und ausgeschlossen hat, um uns zu finden und uns das wieder und wieder hören zu lassen: Ich bin mit euch alle Tage bis an das Ende der Welt. Du hast nichts zu fürchten und alles zu erwarten. 

   Die Erzählung handelt nicht von Gefühlen, nicht darum geht es, ob ich Freude empfinde. Sie ist von Gott gefordert. Eine große Provokation – vielleicht noch mehr für uns, die wir daran gewöhnt sind, bei allem zu fragen, wie sich das anfühlt. 

  Freude ist eine Forderung: Ihr sollt hoffen. Ihr sollt auf meine Verheißungen vertrauen. Ihr sollt die freudige Erwartung am Leben erhalten. Ihr sollt leuchten.

 

So höre ich das Gleichnis in einer neuen Weise:

  Die klugen Jungfrauen sind die, die alles verbraucht haben. Aus reiner und bloßer Erwartung … sie haben die Haare geflochten und die Lippen blutrot gefärbt … sie haben Öl in Mengen gekauft – denn hier sollte nicht gespart werden … sie haben sich grenzenlos vorbereitet – aus reiner und purer Freude. Und sie können an nichts anderes denken. Sie wollen nichts anderes als sich freuen. Sie wissen, dass es nichts gibt, was wichtiger wäre.

  Die Dummen aber sind die altklugen und vernünftigen. Sie haben ausgerechnet, wenn der Bräutigam zur festgesetzten Zeit kommt, dann würde gerade genug Öl für die Lampen da sein, und dann wird nichts verschwendet. Und wenn er nicht kommt, wie sie es erwartet haben, dann ist er wirklich selbst schuld, wenn er nicht so festlich empfangen wird. Sie haben ja anderes zu tun als ihre Zeit mit Warten zu verschwenden. 

  So wird das plötzlich eine ganz andere Geschichte. Dann ist es Dummheit, sein Leben in berechnender Gleichgültigkeit und kalter Resignation zu verspielen. Klug sein heißt, die Lampen brennen lassen und warten und warten – immer das Beste erwarten. Immer ein kleines Licht in der Finsternis sein. Immer leuchten. Weil wir glauben, dass alles mit einem Fest endet.

Advent ist Wartezeit und Zeit des Erwartens. Und Wartezeit hat mehrere Aspekte. In erster Linie denken wir wohl an Weihnachten. Aber heute geht es darum, dass unser ganzes Leben eine Adventszeit ist. Eine Zeit froher Erwartung. 

Es geht um das, was wir den Tag des Gerichts nennen. Der letzte Tag auf der Erde, die wir kennen. Gibt es dann eine Zukunft … für die Welt … für dich und mich? Was ist dann zu erwarten? Gehen wir nur einem Untergang entgegen? Einem dunklen und strengen Winter des Untergangs? Haben wir den Mut, in froher Erwartung zu leben? Und wollen wir das eigentlich? Oder verkriechen wir uns in mutloser Erwartung der reinen Hölle auf Erden?

Es braucht Menschen, die das Öl der Erwartung in der Lampe haben. Die der Freude den Weg bahnen und Licht bringen. Die von dem Königssohn in der Krippe erzählen, der aus dem Himmel Gottes kommt und ein Mensch wird, der unser Leben lebt und es von innen kennt.

  Er, der so demütigend stirbt und so entehrt und ohnmächtig, wie man nur kann -  und der den Tod von innen erhellt und die Ostersonne über all unsere Tage leuchten lässt – auch die allerfinstersten. Auf ihn warten wir in unserem adventlichen Leben. Eben dies sollen wir hören, dass wir allen Grund zur Freude

haben. Denn das Gegenteil liegt oft so nahe – aus vielen Gründen. Du sollst dich freuen. Du sollst in froher Erwartung leben. Du sollst leuchten. 

Am Ende des Gottesdienstes hören wir vielleicht „Wachet auf ruft uns die Stimme“ von Bach. Man nennt ihn oft den „fünften Evangelist“, weil er das Evangelium von Jesus Christus in Musik umsetzt. 

  Bach hat diese Musik zum Gleichnis von den zehn Jungfrauen geschrieben. Er erzählt von dem Verhältnis zwischen Gott und den Menschen, von der lange erwarteten Begegnung zwischen dem Bräutigam und der Braut. So wie er es im Matthäusevangelium gehört hat – und so wie er es durch das Evangelium von Christus deutet, der das Osterlicht und der leuchtende Stern für alle ist, die verloren sind. Er erzählt vom letzten Tag – dem Tag des Gerichts, dass dies die Begegnung mit Christus ist, dem Bräutigam. 

  Wir können den Bräutigam still und ruhig kommen hören – und wir können die Braut hören, die ihm fast tanzend entgegenkommt. Aber dann – es ist als komme sie aus dem Takt und der Tonart. Was denn nun? Finden sie sich doch nicht? Kann sie ihn nicht finden. Oder geht er über in ihre Tonart und sucht nach ihr, nur um zu sehen, dass sie weiter tanzt? Oder gibt er auf?

  Glücklicherweise keines von beidem. Der Bräutigam bleibt endlos geduldig in seinem Ton und seinem Gang, in der sicheren Gewissheit: Ganz gleich wie seine Künftige umherirrt, sie werden sich finden. Und das tun sie. Es endet gut. 

Bach deutet das Gleichnis im Lichte des Glaubens. Es endet gut. Der Bräutigam ist stets unterwegs mit dem Fest. Lasst den Mut nicht sinken, auch wenn es länger dauert, als ihr dachtet. Haltet aus. Dein Licht soll brennen. Sei verschwenderisch mit der Hoffnung. Deine Erwartung soll leuchten.

Wenn einmal alles vorbei ist – für den einzelnen Menschen, für mich und für die Welt – dann endet alles in der Freude und dem Licht. In der Hochzeitsfeier – dem Fest des Lebens und der Liebe. 

Und diese erfreuliche Erwartung ist denn wohl auch zwei Lichter am Adventskranz wert. Gehen wir hin und freuen uns. Amen.



Pastorin Tine Illum
DK-6091 Bjert
E-Mail: ti(at)km.dk

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