Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christnacht, 24.12.2019

Predigt zu Lukas 2:1-14 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Christiane Gammeltoft-Hansen

Es begab sich aber zu der Zeit, wo Tannengirlanden mit Sternen über den Weg gespannt waren. Der Käsehändler hatte ein Heinzelmännchen in das Fenster gestellt und der Schlachter servierte Glühwein für seine Kunden.

Es begab sich aber zu der Zeit, als die Dunkelheit dicht war. Die Kinder warteten auf Schnee. Der war noch nicht gekommen, aber sie warteten noch immer, denn Kinder geben ihre Träume nicht so schnell auf. Und in der Dunkelheit hatten die Erwachsenen extra Licht aufgestellt. Bäume, Büsche, Blumenkästen waren in Lichtketten eingewickelt, so dass die der Dunkelheit widerstanden.

Und es begab sich zu der Zeit, dass sie alle anfingen, mit einander zu reden. Nicht nur An den Mittagstischen, in der Kantine oder beim Weihnachtsfest. Da war ein gemeinsames Gespräch in der ganzen Welt entstanden. Ein Mädchen im Norden sprach mit einem Jungen im Süden. Edin Mann im Westen erkundigte such, wie es einer Frau im Osten ging. Die vielen Gespräche hin und her hatten eine neue globale Gemeinschaft geschaffen. Stimmen, die nie zuvor zu Worte gekommen waren, konnte man plötzlich hören. Man teilte Erzählungen mit einander über das Leben in Afghanistan, den USA und Südafrika. Ja vom Leben in der ganzen Welt. Und sie wurden dabei klüger. Plötzlich erhielten sie ein Wissen, das sie vorher nicht gehabt hatten. Die sozialen Medien verschafften ihnen unmittelbaren Zugang zu denen, die dafür kämpften, die Zerstörung der Natur zu begrenzen, die für Gleichberechtigung und Frieden kämpften. Und in dem großen gemeinsamen Gespräch fiel es leicht, sich dem anzuschließen.

Es begab sich aber zu der Zeit, wo gerade ein Klimagipfel stattfand. Die Augen der Welt ruhten auf der Hoffnung auf ehrgeizige Pläne und feste Absprachen zum Schutze der Natur. Die Hoffnung erfüllte sich nicht, deshalb hofften sie weiter mit den Jungen an der Spitze. In diesen Tagen hatten die Jungen nämlich gelernt, dass es zu unsicher war, es den Erwachsenen zu überlassen, den Kurs für die Zukunft zu bestimmen. Die Erwachsenen waren zu sehr von ihren eigenen Interessen geleitet, und dann mussten die Jungen ihnen ja beibringen, was Nachhaltigkeit ist. 

Das war nach der Wahl in Dänemark. Ja, da war ja immer irgendwo eine Wahl. Diesmal war es in Großbritannien. Jeder war zu seinem Wahllokal gegangen, um seine Stimme abzugeben. Vielen hielten den Atem an. Nun holten sie wieder Luft. Es ist ja begrenzt, wie lange man seinen Atem anhalten kann. Und zwischen den Wahlen muss man ja auch seine Dinge regeln.

Und dann geschah es!

Es ist nicht ohne Bedeutung, wie etwas beginnt. Das Weihnachtsevangelium beginnt in der dänischen Bibel mit einem „und“, „und es geschah in diesen Tagen“, in der Übersetzung Luthers heißt es „aber“, „es begab sich aber zu der Zeit“, eine Übersetzung des griechischen „de“, das man wörtlich wie bei Luther mit „aber“ oder auch sinngemäß mit „und“ übersetzen kann wie in der dänischen Bibel. „Und“ ist so ein kleines Wort, man überhört es leicht. Aber wenn man erst bemerkt hat, wie es hier zu Beginn der Weihnachtsgeschichte steht, enthält es entscheidende Bedeutung für die Erzählung. Mit diesem „und“ wird nämlich die die Weihnachtsgeschichte mit unserem Leben verbunden.

Es geschieht so viel in unserer Welt, „und“ dann geschieht auch dies. Mit einem „und“ begibt sich die Weihnachtsgeschichte mitten in das hinein, was sonst noch geschieht. Sie bricht nicht unsere Geschichte

ab, sie landet mitten in ihr. Mit dem kleinen „und“ wird gesagt, dass die Botschaft von Weihnachten nicht an einem fiktiven Ort und zu einer fiktiven Zeit ergeht. Es geschieht in dieser Welt, die wir kennen, wo die Städte Nazareth und Bethlehem heißen und wo das politische System seine Bürger aufruft, sich zählen zu lassen. Und wenn es in der bekannten Welt geschieht, so bedeutet dies, dass es auch in der Welt geschieht, in der es viele andere Städtenamen gibt. Wo der Kalender 24. Dezember 2019 sagt und viele sich unter den Gewölben der Kirche eingefunden haben. 

Und dann geschieht es.

Es geschieht, dass Gesang erklingt.

Viele sind es, die singen. Und sie singen so laut, dass der Gesang hinaus in die Finsternis wogt.

Sie singen ein Lied, das Generationen vor ihnen gesungen haben, ein Lied das vom Himmel und der Erde handelt. Gott und Menschen, ein Lied voll von Dank. Sie singen ihr Leben groß, so als hätten sie einen Augenblick alle Lichterketten ausgemacht und einen größeren Himmel entdeckt. Dass nicht nur Sterne an den Tannengirlanden hängen, sondern Sterne am Firmament. Und dass diese Sterne Gucklöcher sind in einen noch größeren Himmelraum.

Schön ist die Erde,1 singen sie und fahren fort mit Worten über Friede, Freude und Sinn.

Wer weiß, vielleicht ist da einer, der draußen im Dunkeln vorbeigeht und bei dem sich die Frage meldet, ob das nicht bloß Träumer sind. Ob sie sich nicht eben da in der Kirche aus ihrer eigenen Wirklichkeit entfernt haben, um von etwas zu singen, was nicht existiert. Dass da kein „und“ in ihrem Gesang ist. Die Dunkelheit ist ja dicht. Ist es da nicht unrealistisch, von einem Frieden zu singen, der so umfassend ist, dass er nicht nur dem einzelnen gilt, sondern allen, unbedingt allen. Und ist es nicht naiv, von einer Welt als einem wunderbaren Ort zu reden, wenn es damit nicht zum Besten bestellt ist, wie wir den blauen Planeten bewahren? 

Vielleicht ist da einer der Vorübergehenden, der bei sich selbst denkt, dass die Singenden von der Erde abgehoben sind. Dass sie wie Kinder sind, die den Traum vom Schnee nicht aufgeben wollen.

Und doch singen sie. Sie singen und werden vom dem getragen, von dem sie singen. Der Gesang ist nämlich keine unrealistische Vision, er ist eine Möglichkeit. Der Friede ist keine Utopie. Der Friede ist ein „und“. Ein Friede, der zur bekannten Welt und den bekannten Orten in Beziehung steht. Und die schöne Erde ist diese Erde. 

Das Leben wird nicht größer als die Träume, die wir von ihm haben. Deshalb singen sie, und die Hoffnung wächst damit.

Die Botschaft von Weihnachten, das ist der Traum Gottes von der Welt. Das ist die Geschichte davon, dass die Hoffnung in die Welt gekommen ist. Dass sich der Himmel bei uns ereignen kann und dass die Welt beseelt ist, voll von Geist. Gott kommt in der Welt an, nicht als Topmanager oder Staatschef unter5 so vielen, sondern als kleines Kind.

In diesem Kind hat die Welt ein Zentrum, aus dem Mitmenschlichkeit, Vergebung und Liebe strömt. Das Kind ruft das Beste in uns hervor. Das haben wir bitter nötig, denn da ist so vieles andere, was den niedrigsten gemeinsamen Nenner anspricht. Das Kind ruft nach Vertrauen, Freude und Kampf für das

Leben, wenn es nötig ist. Und das Kind überlässt die Zukunft nicht dem Untergang. Das Kind hat Anspruch auf Zukunft.

Das Lied wurzelt in der Ankunft dieses Kindes. Diese Ankunft bedeutet das Kommen einer Hoffnung, die so sehr gewachsen ist, dass sie sich nicht mehr dämpfen ließ: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“, singen die Engel in der Weihnacht, und so singen wir auch heute:

Schön ist die Erde, 

schön klang‘s von Seele zu Seele weit:

Friede auf Erden,

freut euch ihr Menschen,

geborn ist uns der Heiland heut.2

 

Amen.



Pastorin Christiane Gammeltoft-Hansen
DK-2000 Frederiksberg
E-Mail: cgh(at)km.dk

(zurück zum Seitenanfang)