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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach dem Christfest, 29.12.2019

Predigt zu Matthäus 2:13-23 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Eva Tøjner Götke

Matthäus 2,13-23 - Jer. 31,15-17; Röm. 3,19-22a (dänische Perikopenordnung)

 

Heute besteht kein Zweifel: Es war in dieser Welt, in die das Kind in der Krippe hineingeboren wurde, und keine andere Welt.

Mann könnte ansonsten in den vergangenen Weihnachtstagen seine Zweifel haben.

Die heimelige warme Weihnachtskrippe mit Esel und Ochse und die Hirten auf dem Felde sind so friedvoll, dass es leicht zu einer weltfremden Traumlandschaft wird – festlich gestaltet mit einigen Heinzelmännchen, Trompetenengeln und Weihnachtsmännern.

 

Aber es besteht kein Zweifel, er ist in diese Welt gekommen.

Nun kennen wir sie.

Allzu gut. Gerade in der Zeit, in der wir leben, gerade jetzt.

Menschen auf der Flucht vor wahnsinnigen und skrupellosen Herrschern

Väter, die ihre Kinder auf den Arm nehmen und ihre Heimat und ihr Land verlassen, um Asyl zu suchen in der Fremde und den Kindern eine Zukunft zu geben.

Gewaltherrscher und kaltblütige Massaker.

Der Kindermord in Bethlehem.

König Herodes ordnete an, dass nicht nur die einjährigen zu töten seien, „nehmt sie bis zu zwei Jahren, dann sind wir sicher“.

 

Er war von Anfang an ein Flüchtling, der Heiland.

Und dieses Schicksal teilt er mit vielen vielen Menschen.

Komm nicht und sage, die Welt der Bibel habe nichts mit uns zu tun.

Er wurde zur Weihnacht in diese Welt hinein geboren.

Nun kennen wir sie.

Der Zauber ist vorbei, so scheint es.

Die Wirklichkeit steht vor der Tür.

Die Autobahnen sind überfüllt mit langen Schlangen von Autos.

Autos, gefüllt mit Weihnachtsgeschenken und satten, müden Menschen, die unterwegs sind.

Sie kriechen durch Dänemark, über Fünen, den Großen Belt wie ein großer langer Flüchtlingsstrom. 

 

Weihnachten war ein Ausnahmezustand- mit Frieden und Freude.

Heute ist Aufbruchstimmung.

Nun können wir bald nicht mehr. Nicht mehr essen. Oder mehr zusammen sein.

Die Streitigkeiten nehmen langsam Form an.

Wir sind müde, haben uns Mühe gegeben, damit alles gut geht.

Nun sind wir wieder in der Welt, die wir kennen.

Und die ist, wie sie ist- und immer gewesen ist.

Dem können wir nicht entfliehen.

In diese Welt werden Kinder jeden Tag hineingeboren.

Einige in Armut und Unsicherheit – adere in eine Welt von Geborgenheit und Überfluss.

 

Und auch Gottes Sohn, der Erlöser, kam in diese Welt.

Das ist die frohe Botschaft.

Er kam in unsere Welt. So wie wir sie kennen.

 

Das ist es, was die frohe Botschaft, die wir an Weihnachten gefeiert haben, glaubwürdig macht.

Das ist es, was sie trostreich macht.

 

Glaubwürdig, weil seine Botschaft der Liebe nicht eine andere Welt betrifft, nicht andere Menschen angeht als solche wie wir, die sich auf dem Rücksitz über Lappalien streiten.

 

Darin liegt der Trost. Darin, dass es keinen Trost gibt.

Keinen falschen Trost, wie wenn wir uns selbst hören, wie wir mit den wohlmeinenden Worten kommen: „Du wirst sehen, es wird schon gehen!“

Wir dem anderen wünschen, dass er oder sie ‚weiterkommen‘ - wie wir sagen. Aufbruchsstimmung. Oder sind wir das selbst? Die es nicht ertragen können - Dass es ist, wie es ist, und wir wollen es nicht wahrhaben.

Menschen können so Schreckliches erleben, dass eskeinen trost gibt.

Der Kindermord in Bethlehem ist die Grunderzählung.

Wie wir es von Rachel hören, die Matriarchin aller Mütter, die ihre Kinder verlieren.

Rachel weint über ihre Kinder.

Sie will sich nicht trösten lassen.

Denn sie sind nicht mehr.

 

Der Trost des Evangeliums liegt darin, dass all der Schmerz und die Trostlosigkeit, die in dieser Welt sind, ernst genommen werden.

Gott wurde Mensch.

Kam in diese Welt, die wir allzu gut kennen

Nahm sie auf sich. Nahm es auf sich, hier zu leben.

Um mit uns zusammen zu sein -darin.

 

Es ist die Liebe, die tröstet. Liebe – das Leben mit einender teilen, zusammen sein.

Es ist die Liebe, die tröstet.

Die Liebe, die alles erträgt und alles vergibt.

Das ist der Glaube an die Liebe, zu der er zurückkehrte, um sie uns zu offenbaren – nicht nur mit Worten, sondern mit seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung – und mit der er stets zu uns zurückkehrt. Diese Liebe ist es, die uns tröstet und erlöst.

Das ist der Glaube, der uns Menschenwürde verleiht, wenn wir uns mitten im Unglück und der Grausamkeit verloren fühlen, vergessen, verlassen und nicht sehen können, dass wir etwas wert sind.

Wenn wir uns darüber schämen, dass es so ist, wie es ist, und dass wir daran nichts ändern können, wie gern wir es wollten – unseren eigenen Idealen zu entsprechen, ein guter und offener Mensch zu sein.

Aber wir können nicht leben, ohne auch gegenüber einander zu versagen.

Auch denen gegenüber, die wir angeblich lieben.

Das ist ja unbegreiflich. Was geschieht mit uns? Waren fallen wir ein ums andere Mal?

 

Die frohe Botschaft der Weihnacht – wir haben es wirklich nötig an einem Sonntag nach Weinachten wie diesem, auf sie zu hören: Dass Gott die Welt liebt und uns in ihr - trotz all ihrer Grausamkeit und all unserer Machtkämpfe, die sich auf der großen politischen Szene und in den Dramen des Alltags abspielen.

 

Denn also hat Gott die Welt geliebt – dass er seinen eigeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben erben.

Wenn wir darauf vertrauen, vertrauen wir auf ihn, der den ganzen Weg ging für uns und der den ganzen Weggeht mit uns, so dass wir uns damit versöhnen können, das die Welt ist, wie sie ist.

Nicht sich versöhnen in dem Sinne, dass man sich nur damit abfindet.

Selbstverständlich müssen wir etwas tun, dort wo wir die Macht haben, etwas zu tun.

Und wir sind in hohem Maße dafür verantwortlich, dass die Welt so aussieht, wie sie es tut. Auch unsere Welt – zu einem gewissen Grad.

 

Das Evangelium hält uns ja gerade an unserer Verantwortung fest.

Wir können der Wirklichkeit nicht entfliehen.

Und doch tun wir dies vielleicht viel mehr, als wir glauben.

Wir müssen ja weiter. Die Geschäfte öffnen wieder. Und wir können unsere Weihnachtsgeschenke umtauschen. Ausverkauf. Alles heute zum halben Preis.

 

Sich mit der Welt versöhnen, wie sie ist, das liegt im Glauben daran, dass es eine Macht gibt, die größer ist als die, die in Gewaltherrschaft ausartet und Menschen auf die Flucht treibt.

Die Macht der Liebe.

Sie ruft nach uns.

So wie sie nach Josef an diesem Tag ruft: „Steh auf, und nimm das Kind und seine Mutter mit dir!“

So ruft sie auch uns: Steh auf.

Gibt uns eine Zukunft und eine Hoffnung – zündet ein Licht an in der Finsternis und macht alles neu, all das, was wir kennen und wo wir glaubten, es könne nicht anders sein. Amen.



Pastorin Eva Tøjner Götke
Odense, Dänemark
E-Mail: etg(at)km.dk

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