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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 24.03.2008

Predigt zu Apostelgeschichte 10:34a.36-43, verfasst von Anita Christians-Albrecht

Wenn ich aus unserem Küchenfenster schaue, habe ich in diesen Tagen einen großen, wunderschön blühenden Forsythien-Strauch vor Augen. Schön und gelb leuchtet er mir entgegen. Und oft ist es mir schon aufgefallen: Auch wenn es regnet und der Himmel grau ist - seine helle Farbe leuchtet dagegen an. Auch wenn ich am Küchentisch sitze mit einer Tasse Tee und nachdenke über das, was in meinem Leben grau in grau ist - die Forsythien halten dagegen.
Auch in diesem Jahr freue ich mich wieder darüber. Frost und Tod haben ein Ende., die Sonne bekommt wieder mehr Kraft, die Natur wacht auf, und bald fängt es wieder überall an, das Wachsen und Blühen und Reifen. Dafür steht mein Forsythienstrauch ein.
Mitten in dieser Frühjahrszeit feiern wir Ostern. Das wichtigste Fest für die Christen - sagen die Theologen. Die Gottesdienste aber bleiben leer.
Ostern - das sind bunt bemalte Eier und Hasen aus Schokolade.
Ostern - das sind Kinder, die im Garten nach Osternestern suchen.
Ostern - das ist vielleicht auch ein langer Spaziergang, ein schönes Frühstück oder eine große Kaffeetafel. Ein wichtiges Kirchenfest aber ist es für die meisten schon lange nicht mehr.  
Und ich glaube, auch wir, die wir heute hier in der Kirche zusammen sind, haben es mit Ostern schwer. Auferstehung von den Toten ..., ein neuen Leben - stärker als der Tod? Wer soll das glauben? Bleibt nicht sowieso alles beim Alten?
Die große Botschaft von Ostern in die kleinen Münzen unseres Alltags einzuwechseln, so dass sie helfen und Mut machen, das ist eine schwere Aufgabe, liebe Gemeinde. Ich bin deshalb froh, dass der Predigttext für heute selbst so etwas wie eine Predigt ist und mich dabei unterstützt.  
Bevor ich aber nun diese Predigt, die von Petrus stammt, vorlese, will ich erst einmal erzählen, wie es überhaupt dazu kam, dass Petrus sie gehalten hat, in einem Privathaus, bei einem Mann, dessen Haus er eigentlich gar nicht hätte betreten dürfen.
Petrus predigt. Nicht vor einer x-beliebigen Gemeinde, nein, vor einem römischen Hauptmann und seinen Verwandten und Freunden. Petrus ist Jude. Der andere, Kornelius, ist ein heidnischer Mann, mit dem man nach Petrus' Meinung keinen Kontakt haben darf und den man schon gar nicht besucht. Aber da hat Gott sebst nun anscheinend eingegriffen. Petrus hatte eine Erscheinung, berichtet die Apostelgeschichte (Apg. 10, 9f), er hört etwas und sieht etwas, und plötzlich weiß er Bescheid: Der Unterschied zwischen rein und unrein, zwischen Juden und Heiden - der gilt vor Gott nicht.
Auch Kornelius bekommt es mit Gott zu tun. Ein Engel sagt ihm, dass er Petrus rufen lassen soll. Ja, einfach ist es nicht, aber Gott gelingt es schließlich, dass diese beiden Männer sich treffen. Und nun ist Petrus bei Kornelius in seinem Haus. Zum ersten mal wird Menschen, die nicht im jüdischen Glauben aufgewachsen sind, von Jesus erzählt:
Predigttext (Apostelgeschichte 10, 34a. 36-43)
Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: 36Er hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle. 37Ihr wisst, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, 38wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit Heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. 39Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. 40 Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, 41nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten. 42Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, dass er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. 43Von diesem bezeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.
So kurz und knapp kann Petrus predigen. In ein paar Sätzen skizziert er Jesu Leben. Er erzählt, was Jesus gesagt und getan hat, dass er Menschen gesund machte an Leib und Seele und dass er ans Kreuz genagelt und getötet wurde. Und dann erklärt er den Leuten, worauf es eigentlich ankommt: Dass Gott diesem Jesus recht gegeben und ihn auferweckt hat von den Toten und dass Menschen, auch er, Petrus, ihre Erfahrungen gemacht haben mit diesem Christus, der stärker ist als der Tod. Und dass er, Petrus, nun das Nahe liegende tut: dass er das weitersagt und anderen davon erzählt. Das, was mit Jesus in diese Welt hinein gekommen ist, gilt, sagt Petrus. Das glaube ich. Dafür stehe ich ein.
Und Petrus hat seine Predigt noch nicht einmal beendet, da fällt schon der Heilige Geist auf alle, die ihm zugehört haben. Die ersten Heiden werden getauft. Und damit ist die Grundlage gelegt dafür, dass auch wir in XY von Jesus und von Ostern erfahren konnten.
Was ist mit diesem Petrus passiert, dass er so predigen kann? Wir haben das doch noch vor Augen, wie armselig er sich verhalten hat! Was wollte er nicht alles ausrichten und auf sich nehmen? Und am Ende war er nur ein elendiger Feigling, der so große Angst hatte vor den Menschen, dass er Jesus verleugnete.
Dann aber muss etwas mit ihm geschehen sein, genauso wie mit all den anderen Jüngern, die nach dem Tod Jesu doch total verängstigt waren. Wie hätte es sonst zu dieser Bewegung kommen können, die über die ganze Erde ging?
Als Petrus dachte: Nun ist alles aus! Als er sah: Nun geht alles kaputt! Als er begriff, wie wenig er als Mensch ausrichten kann, da fing alles erst an. Da war Jesus, da war Gott ihm plötzlich ganz nahe. Und er weiß auf einmal, dass nichts vergebens war, er merkt, dass Gott ihn liebt, immer und ewig: Jesus ist auferstanden. Er hat alles in der Hand, auch den Tod, der uns Menschen so sehr zu schaffen macht. Auch die Schuld, die uns so oft nicht zur Ruhe kommen lässt.
Und Petrus, der Angsthase, steht auf einmal in Jerusalem auf dem Marktplatz und predigt. Petrus, der Angsthase, erzählt den Heiden von Jesus Christus und schickt das Evangelium in die ganze Welt. Petrus hat verstanden, worum es Ostern geht.
Für die meisten von uns ist Ostern nichts Besonderes mehr. Wir haben schon manches Osterfest gefeiert und manche Osterpredigt gehört. Petrus aber weiß, dass Ostern Antwort gibt auf die wichtigste Frage, die wir Menschen überhaupt stellen können, auf die Frage nach dem Tod. Alles in unserem Leben ist unsicher, hat schon der heilige Augustinus gesagt. Das einzige, was sicher ist, ist der Tod. Und solange der Mensch auf die Frage nach dem Tod keine Antwort gefunden hat, kann er nicht glücklich und zufrieden leben.
Ostern sagt uns nun - und das ist es, was Petrus so frei und sicher macht - Ostern sagt: Es gibt eine Antwort auf eure Frage nach dem Tod. Und diese Antwort ist Jesus Christus. Er ist für uns gestorben, er hat unseren Tod auf sich genommen. Er und seine Liebe sind stärker als der Tod. „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!", das sagt er uns zu. Und eine wichtigere Botschaft gibt es für uns Menschen nicht.
Petrus hat das begriffen, was ein kleiner achtjähriger Junge einmal ganz einfach ausgedrückt hat. Bischof Reinhold Stecher hatte ihn in einem kleinen Bergdorf kennen gelernt. Er erzählte den Kindern in der Schule viel von Jesus, wie er geboren wurde, was er tat und sagte, dass er leiden musste und schließlich gestorben und nach drei Tagen wieder auferstanden ist. Als er die Kinder fragte, was ihnen an diesen Geschichten am besten gefallen hatte, meldete sich unser kleiner Bauernjunge und antwortete: „Das alles so gut ausgeht!"
Das ist es, wonach wir uns sehnen, liebe Gemeinde, dass alles gut ausgeht. Nicht umsonst enden die meisten Filme und die meisten Bücher mit einem Happy End.  
Und doch wissen wir, das das wahre Leben kein Film ist. Das wusste auch der kleine Junge. Seine Familie war arm. Das Happy End ist weit weg, wenn Ehe zerbrechen, wenn Menschen ihre Arbeit verlieren, erst recht, wenn jemand sterben muss und andere traurig zurück lässt.  
Was bedeutet dann Ostern? Dass wir uns auf ein besseres Leben freuen können nach unserem Tod? Mir fällt dazu der kleine Witz ein von dem Ehepaar, das zusammen in den Himmel kommt. Er ist 94 geworden, sie 88. Dort im Himmel ist es einfach wunderbar: Goldenes Licht, herrliche Musik, Ruhe und Frieden ... Der Mann aber stapft ärgerlich durch die Wolken un murrt: „Du mit deinen dämlichen Knoblauchpillen. Das alles hätten wir auch schon 30 Jahre eher haben können!"
Dietrich Bonhoeffer schreibt dazu: „"Nun sagt man, dass im Christentum die Auferstehungshoffnung verkündigt würde. Das Schwergewicht fällt nun auf das Jenseits der Todesgrenze. Und eben hierin sehr ich den Fehler und die Gefahr. (Ich denke) ... die christliche Auferstehungshoffnung verweist den Menschen in ganz neuer und ... verschärfter Weise an sein Leben auf der Erde."
Was würden wir antworten, wenn die Leute uns nach Ostern fragen: Was bedeutet es für dich, dass Jesus auferstanden ist von den Toten?
Ich glaube, mir würde es genauso gehen wie Petrus. Ich würde erzählen, was ich mit diesem Jesus erlebt habe. Stellt euch das vor, würde ich sagen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen: Menschen waren am Ende und wussten nicht mehr ein noch aus; und dann hatte das Leben sie auf einmal wieder. Ich würde von Wilfried erzählen: Als die Ärzte ihm die Diagnose „Krebs!‘ stellten, brach für ihn erst einmal eine Welt zusammen. „Dann aber, in der Reha", sagt er mit, „hat sich die Psychologin gewundert. Woher ich meine Kraft habe und meinen Mut, wollte sie wissen. Aus meinem Glauben, habe ich gesagt, und sie hat mich nur angeschaut!"
Und ich würde von Lisa erzählen. Vor gut einem Jahr ist ihr Mann Günther im Garten einfach umgefallen. Gehirnbluten. Seitdem ist er ein Pflegefall und lebt in einem Heim. Sprechen kann er fast nicht mehr, aber er versteht genau, was um ihn herum passiert. Früher hatte Günther viele Freunde. Die meisten aber kommen nicht mehr. Sie können das nicht aushalten, sie können sein Leiden nicht mit ansehen. Nur Lisa, die kommt, jeden Tag. Sie schenkt ihm all die Liebe, die sie noch geben kann.
Das ist unsere Welt, liebe Gemeinde, eine Welt, in der lange nicht alles gut ausgeht, eine Welt, in der Menschen leiden müssen und sterben. Und doch gibt es Wilfrieds und Lisas in dieser Welt. Sie wissen, dass das Leiden nicht das letzte Wort hat, sie können hinsehen und aushalten. Sie haben verstanden: Gott hat alles in der Hand, auch das, was uns Angst macht und zusetzt. He hilft uns und trägt das, was wir nicht tragen können.
Was Petrus erlebt hat und bezeugt, was Menschen heute hoffen und glauben, das kann man nicht beweisen. Und wenn man das dann weitersagen will, dann hat man es manchmal schwer. Ich muss dabei an die Pappröhren denken, mit denen wir als Kinder spielten. Wenn man dort reinschaute, bekam man wunderbare farbige Muster zu sehen. Und wenn man das Rohr drehte, klapperte es ein wenig und das Muster veränderte sich. Für uns war das wie ein Wunder. Kaleidoskop hießen diese Röhren.
Einer meiner Cousins war nun besonders neugierig. Er wollte wissen, wie das alles so funktionierte. Er nahm das Rohr auseinander und fand drei Spiegel, mehrere Glasstückchen und zwei Kunststoffscheiben. Ja, nun wusste er Bescheid. Zusammensetzen aber konnte er das Kaleidoskop nicht wieder.  
Ich denke, so ähnlich ist es auch mit unserem Glauben an diesen Jesus, der stärker ist als der Tod, mit den Erfahrungen, die wir mit diesem Glauben machen. Wenn man genau untersuchen will, wie das alles möglich ist, fällt es einem auseinander und man kommt keinen Schritt weiter. Es muss uns genügen, dass wir ab und zu einen kleinen Blick werfen dürfen in Gottes andere Welt, auch wenn der Vorhang anschließend wieder zufällt.

Es gibt Momente in unserem Leben, da wissen wir genau, dass alles gut ist oder gut wird,. Da sehen wir die bunten Farben unseres Lebens, da wissen wir: Alles hat Sinn. Aber festhalten und festnageln können wir solche Momente nicht.
Gut, wenn wir uns daran immer wieder erinnern lassen können. So hat Martin Luther sich von seiner Frau Käthe raten lassen, sein Haus doch ein wenig zu verschönern. Und er ließ den Bogen über der Haustür ändern und dort ein "Vivit" (lat.) anbringen: "Er lebt!". Die Antwort auf die wichtigste Frage unseres Lebens hatte er nun immer wieder vor Augen.
Wenn ich an meinem Küchentisch sitze und meinen Forsythienstrauch betrachte, bedeutet das für mich das gleiche. Und ich freue mich über die wunderbare Lebensfarbe, die mit ganzer Kraft in meinen Alltag hinein scheint. Amen.



Pastorin Anita Christians-Albrecht

E-Mail: Anita.Christians-Albrecht@t-online.de

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