Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Invokavit, 01.03.2020

Ich bin unter euch wie ein Diener
Predigt zu Lukas 22:24-32(dänische Perikopenordnung), verfasst von Rasmus Nøjgaard

Die Fastenzeit hat begonnen. Das Fest der Heuchler. Hier gedeiht der Betrug, dass wir eine kurze Übung durchmachen und dadurch Kontrolle über uns selbst als ein frommes Verdienst gewinnen können. Aber nur für eine kurze Zeit, und dann ist die Fastenzeit vorbei. Was nutzt es, 40 Tage lang auf Essen und Trinken zu verzichten, wenn der Rest des Jahres ein Festmahl ist? Eine Einübung ins Christentum, die man jedoch so schnell wieder verlässt wie sie begonnen hat, von Aschermittwoch bis Ostern. Dass ist wie wenn man das Klima retten will, indem man Skiferien macht oder wandert, ohne jedoch daran zu denken, dass man dazu mit dem Flugzeug anreist.

   Das Evangelium ist radikaler, es fordert nicht nur eine kurze Buße. Noch während sie am Tisch zur Ostermahlzeit sitzen und kurz vor der Verleugnung des Petrus und dem Verrat des Judas am Ölberg streiten die Jünger darüber, wer unter ihnen der Größte ist – und das nachdem sie Jesus seit ihrer Berufung am See Genezareth gefolgt waren und nicht einmal Petrus die einfache Botschaft Jesu verstanden hatte, dass niemand der Größte ist. Wir sind alle Diener für die Welt. Überraschenderweise ist der Dienst an der Welt kein religiöses oder heiliges Anliegen. Die Botschaft Jesu ist ein Verweis auf ein weltliches Leben ohne religiöse Zugehörigkeit. Die Jünger sollen nicht Diener Gottes und Jesu Schüler sein, sondern der Älteste soll sein wie der Jüngste und der Leiter soll wie ein Diener sein. Sie sollen sich der Welt hingeben und ihr dienen. Sie sollen sich nicht als Wohltäter feiern lassen, sondern sich darüber freuen, etwas Gutes tun zu können. So wie Jesus es auch getan hat. Das ist ein Evangelium, das nicht religiös und partikulär ist, es hebt nicht ein bestimmtes Volk hervor oder bestimmte Religionen, sondern fordert allein eine universelle Identität, dass man überall und zu jeder Zeit Diener der Menschen sein soll.

Wir hätten sehr wohl eine Erhöhung der Jünger erwarten können, und sie haben das offenkundig selbst erwartet, aber da soll keine Erhöhung stattfinden, ohne dass sie die Form einer jenseitigen Verwandlung annimmt, wenn sie wieder am Tisch des Herrn sitzen. Die Erhöhung geschieht mit anderen Worten im Lichte des Todes und der Auferstehung Jesu. Jesu eigene Hingabe für den Dienst an der Welt durch Leiden und Tod zeigt einem jeden den Weg, die Wahrheit und das Leben. Die Erwartungen der Jünger werden mit anderen Worten enttäuscht, als der bußfertige Weg mit Jesus und die letzte Verhöhnung durch das Volk nicht schließlich durch Erhöhung, Reichtum und Mach kompensiert werden. Die Verheißung eines Platzes am Tisch des Herrn hat keinen Wert. Sie haben Heilungen und Totenerweckungen erlebt, aber eine Auferstehung haben sie nicht erfahren. Wie sollten sie an eine jenseitige Belohnung glauben?

Aber Gottes Sohn ist geduldig, und er weiß, dass niemand etwas versteht, ehe er sich selbst als der Gekreuzigte und Auferstandene offenbart hat. Er weiß, dass der Kelch nicht an ihm vorübergeht. Deshalb sieht er voraus, dass Petrus vom Satan versucht werden wird. Außer Jesus selbst sind es nur wir Leser und Zuhörer, die die Ereignisse der nächsten Tage kennen. Die Enttäuschung über die Gefangennahme und das unvermeidliche Leiden Jesu ist so groß, dass Petrus Jesus drei Mal verleugnet, ehe der Hahn kräht, und Judas beschießt, seinen geplanten Verrat zu verwirklichen. Der Abfall ruft die Erinnerung wach an die Taufe Jesu und die darauf folgende Versuchung in der Wüste, wo ihn der Satan zum größten, reichsten und mächtigsten Mann machen will. Das entspricht der Prüfung Hiobs durch den Satan. Hiob ist selbst das

Vorbild dafür, dass sich das Gottesverhältnis nicht in Reichtum und Erfolg wiederspiegelt, sondern in einem leidenschaftlichen Kampf zwischen Gott und dem Menschen. Das Leben mit Gott ist ein Jakobskampf, den niemand unbeschadet übersteht.

Es ist mit anderen Worten nicht so, dass die Jünger ihre Aufgabe nicht hätten kennen müssen. Die Botschaft der Demut und Nächstenliebe ist schon eine Forderung in den alten Schriften. Schon hier hat sich Gott als Vater der Barmherzigkeit offenbart. Jesus wiederholt und bekräftigt diese Botschaft, er gibt seinen Jüngern zu verstehen, dass er keinen anderen Weg anweist als die Aufgabe der Demut und des Dienens. Es geht nicht nur im Lukasevangelium darum, das zu betonen, auch im Johannesevangelium wird dieses Anliegen klar hervorgehoben, wenn Johannes nicht vom letzten Abendmahl berichtet, sondern im Bericht über das Ostermahl den Augenblick in den Mittelpunkt stellt, wo Jesus die Füße seiner Jünger wäscht und sie schon hier mit dem demütigen Dienst für die Welt beauftragt. 

Die Geduld Jesu mit seinen Jüngern ist grenzenlos. Das ist heute auch unser Trost. Er verurteilt weder Petrus noch Judas, beiden gegenüber lässt er verstehen, dass es der Fürst der Finsternis, Satan selbst, ist, der im ihnen wirkt. Beide haben die Hoffnung, dass sie umkehren und nicht im Unglück sterben mögen. Aber die Enttäuschung und die Ohnmacht nimmt Judas das Leben, er kann sich nicht damit versöhnen, dass Jesus nicht die Welt verändern soll, sondern ihnen nur gebietet, ihr zu dienen. Judas sollte die Auferstehung nicht erleben, und er erlebt damit nicht wie die anderen Jünger die hoffnungsvolle Verwandlung. Keiner von ihnen sollte alt werden, alle starben im Dienst der Demut mit der Überzeugung, dass sie schon dazu erhöht waren, am Tisch des Herrn zu sitzen. Der Tod und die Auferstehung Jesu ist der Bund, durch den die Jünger erlöst werden. Ein Glaube daran, dass Christus den wahren Weg angewiesen hat in demütigem Dienst an der Welt.

Das ist etwas anderes als kurzzeitiges Fasten und Festhalten an Geburtsrecht und eigenem Verdienst. Das ist die Übung, die uns die Fastenzeit gebietet, in vierzig Tagen uns selbst herauszufordern im Lichte des demütigen Dienstes Jesu, dass wir den Tod und die Auferstehung Jesu besser verstehen, ehe wir dann über den Kreuzestod Jesu trauern und seine Auferstehung feiern. 

Wir alle müssen uns selbst fragen: Bin ich dem Ruf Christi treu? Folge ich dem Evangelium Jesu oder lasse ich mich durch Satan versuchen?

Diese Frage muss jeder für sich beantworten, und kein anderer kann uns im Namen Gottes richten. Denn wir stehen alle vor Gottes Angesicht, der uns heute zu sich ruft, weil er schon einen Platz bereitet hat an seinem Tisch. Der barmherzige und gnädige Gott ruft uns zu sich, und wenn wir umkehren, grüßt er uns mit diesem Ruf: Stärke deine Brüder! Amen.



Pastor Rasmus Nøjgaard
DK-2100 København Ø
E-Mail: rn(at)km.dk

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