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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christi Himmelfahrt, 01.05.2008

Predigt zu Lukas 10:38-42, verfasst von Joachim Ringleben

 

„Vita activa"

Liebe Gemeinde!

I

Dem einen oder der anderen ist nicht ganz wohl bei dieser Geschichte. Nimmt Jesus nicht zu einseitig Partei für die Maria, und sollen wir ihm eine Hausfrauen-Schelte zutrauen? Das ist eher unwahrscheinlich bei ihm, dem Freund der Gastmähler, und die Fortsetzung der Geschichte im Joh.-Evangelium betont, daß er beide Schwestern in sein Herz geschlossen hat (11, 5); beide sind ihm zugetan und in ihrer Weise fromm. Auch dürfen wir Jesu Menschenliebe kaum zutrauen, daß er für die Situation der Hausfrau kein Verständnis hätte, deren nicht abreißendes Gefordertsein in unserer Gesellschaft unter dem Diktat eines ökonomisierten Arbeitsbegriffs weder als Arbeit gilt noch finanziell entlohnt wird. Nicht vorstellbar, daß Jesus das religiös noch verstärkt hätte!

Nun könnten manche meinen, der Prediger müsse natürlich auf Seiten von Maria sein - eben weil er ja auch aufs Zuhören aus ist. Aber machen wir uns klar: Jetzt sind wir alle Maria; - aber wir sollten auch bedenken, daß wir in dieser Stunde nur deshalb auf Gottes Wort hören können, weil andere für uns die Martha sind; das fängt hier in der Bursfelder Küche an - gleich neben der Kirche - und reicht weiter über Tankstellen, Polizei, Krankenhäuser usw.

Die schöne Benediktiner-Regel: ora et labora, Bete und Arbeite, d. h. erst der Gottesdienst, dann das Studium mit Prof. Jäckle, diese schöne Regel erscheint in unserer Geschichte auf zwei Schwstern verteilt; aber dabei vertragen sie sich nicht. Wird also der schöpfungsgemäße Rhythmus: 6 Tage Arbeit und am 7. Ruhe, von Martha durchbrochen, indem sie den Sonntag zum Alltag macht? Maria jedenfalls erfüllt das 3. Gebot, den Feiertag zu heiligen, und hört auf Gottes Wort aus Jesu Mund. Martha geht völlig in der vita activa auf, tätiger Liebe zu dem, der ihr Gast ist. Maria weiß, daß Gottesdienst bedeutet zu feiern; sie pflegt zu Füßen ihres redenden Gastes ein otium cum dignitate, Muße in höchster Bedeutung. Aber jeder von uns weiß: wir können nicht immer Maria sein, auch wenn wir uns wünschen, ständig auf Gottes Wort zu hören (wie der Fromme aus Ps 1, 2). Nicht zufällig geht unserer Erzählung bei Lk die Geschichte vom barmherzigen Samariter voraus, und es folgt ihr das Vaterunser. D. h.: die Szene mit den beiden Schwestern steht zwischen tätiger Nächstenliebe und Gott zugewandtem Gebet! Die gottgewollte Realität unseres zeitlichen Lebens besteht allenfalls in Unterbrechungen unserer vita activa durch Stunden einer vita contemplativa, d. h. eines Sichöffnens für das Ewige. Diese aber auch ganz wahrzunehmen und auszuschöpfen, darum geht es in der Geschichte. Martha und Maria, sie stehen für das Verhältnis zu Gott, und das wird daran sichtbar, wie sie sich zu Jesus verhalten.

Genauer besehen handelt es sich hier um ein Verhältnisdreieck: Jesus im Verhältnis zu zwei Frauen und diese beiden in einem verschiedenen Verhältnis zu ihm sowie als Schwestern noch in einem besonderen Verhältnis zueinander. Eine von ihnen, Martha, bewegt sich, wie es scheint, in diesem Beziehungsdreieck unruhig hin und her.

Doch achten wir erst einmal auf die wichtigen Einzelheiten.

 

II

Vita activa - das ist das Lebenselement von Martha. Als der befreundete Jesus in ihr Dorf kommt, empfängt sie ihn, lädt ihn ein, nimmt ihn bei sich auf - von Anfang an sie die Aktive. Und Jesus kehrt bei ihr ein; als sei ihre Bitte erfüllt: „Komm Herr Jesus uns sei unser Gast ..."! Kein Wunder, daß sie für ihn tun will, was sie nur kann, und ihm es wohl sein lassen in ihrem Hause: ihm, diesem heimatlos und obdachlos Herumziehenden (Lk 9, 58), ein paar gute Stunden bereiten. Wahscheinlich tischt sie auf, was Keller und Küche nur hergeben, und sie tut es gern aus liebevollem Herzen.

So stellt sie eine besonders aktive Beziehung zu Jesus her, leicht vereinnahmend, sogar dominierend; denn sie ist ja hier die Domina, die Hausherrin, und Jesus ist ganz ihr Gast und er soll nur das sein. Ganz selbstlos, will sie soz. nichts für sich selber, will jetzt nur für ihn dasein und bestmöglich sorgen.

Aber entspricht sie mit dieser Sorge für Jesus wirklich diesem besonderen Gast? Ist er doch der, der gesagt hat: „Sorget nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet ... Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung? ... Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen" (Mt 6, 25 u. 33; cf. Lk 12, 22f u. 31). Stellt Martha in bester Absicht die Lebensmittel über den Lebenszweck? Bleibt sie trotz der Anwesenheit Jesu nicht freiwillig ins Laufrad der natürlichen Bedürfnisse eingespannt? Will sie nicht vor allem selber geben, statt zu empfangen bei diesem Einen? Aber ist nicht dieser Gast der eigentlich Gebende? Von ihm gilt doch gerade: „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch" (1 Petr 5, 7).

Die unermüdlich Sorgende läßt ihren Gast nicht sein, was er ist. Und hält sie mit ihrer leiblichen Versorgung nicht ihn selber sich gerade vom Leibe? Wer bewirtet hier in Wahrheit wen?

 

III

Doch da ist noch ihre Schwester: Maria. Sie hat sofort verstanden, wer ihr Gast ist, was es mit ihm auf sich hat, der bei ihr einkehrt. Sie scheint zu wissen, daß Gottes lebendiges Wort wie „ein fahrender Platzregen" ist (Luther), dem man sich öffnen muß, solange er da ist.

Martha kann bei ihrem tätigen Hin und Her allenfalls hier und da ein Wort Jesu aufschnappen, ganz „beiläufig" - so wie das Wort oft dahin fällt, wo nicht tiefes Erdreich ist und sein Same verdorrt, wenn die Sonne darauf brennt, weil es nicht Wurzel fassen kann (cf. Mk 4, 5f). Maria aber läßt Jesu Wort bei sich Wurzel schlagen. Sie sitzt ruhig zu seinen Füßen und hört ihm wirklich zu. Hörend gehört sie ihm an. So eignet sie sich an, was dieser Gast ist: er und sein Wort. In seinem Wort ist er in Wahrheit für sie da; sie hat wirklich „Ohren zu hören".

Bei Martha geht die Liebe durch den Magen. Aber schon die Jungfrau Maria empfing den h. Geist durchs Ohr: im Hören auf Gottes Wort. Und wie Jesu Mutter Maria alles diese Worte „in ihrem Herzen bewegte und bewahrte" (Lk 2, 19 u. 51), so tut es auch diese Maria.

Maria zu Füßen des Herrn, ihm zuhörend - das ist ein ewiges Bild, und die Kunst hat es oft dargestellt. Jesus und die lauschende Maria, sie sind für sich wie im stillen Kämmerlein (Mt 6, 6), in einer exklusiven, intimen Beziehung. Denn Maria hört in Jesu Wort Gott zu ihr reden, und bei dieser Gottesbegegnung vergißt sie soz. alles um sich her, ist ganz Ohr und begegnet gerade so dem lebendigen Gott in seiner unausdenklichen Weite. In der Konzentration auf diesen einen Menschen Jesus tut sich ihr der Himmel auf.

Auch wenn Maria selber nichts sagt, weil sie an Jesu Lippen hängt - sie ist in einer inneren und lebendigen Zwiesprache mit ihm begriffen. Ihre äußere Passivität im Zuhören ist von innigster Lebendigkeit durchwirkt (G. Ebeling), und so ist ihr Hören selber „aktiv", ja es ist eine vita activa im geistlichen Sinn. Gottes Wort hören und es im Herzen bewegen - das ist eine menschliche Aktivität, die in die Ewigkeit herüberreicht. Indem Maria hört, empfängt sie das aktivste Leben, das es überhaupt gibt: das Leben Gottes, d. h. seinen Lebensstrom im göttlichen Wort. Ver-nehmen ist in diesem Falle seliger als „Geben". Die wahrhaft praktische Vernunft ist die hörende, die vernehmende Vernunft. Martha meint selber etwas tun und geben zu müssen - aber kann sie das Entscheidende tun? Sie erwartet denn auch eine Anerkennung durch Jesus aufgrund ihrer Leistung; Maria weiß sich einfach angenommen, indem sie hören darf.

Man kann wohl sagen: Martha verhält sich wie eine sorgende Mutter, Jesus aber verhält sich zu Maria - dieser jungen Frau mit dem Namen seiner Mutter - eher wie ein Vater zu seiner Tochter, denn sie ist ja Kind Gottes, gezeugt durch sein Wort (cf. 1 Kor 4, 15).

Jesus und Maria: wie beredt ist dieses Miteinander und Füreinander. In ihrer engen Beziehung sind sie gleichsam abgeschlossen gegenüber dem natürlichen Leben mit Essen und Trinken, Sorgen und Versorgen; vielmehr ist im unmittelbaren Verhältnis von Jesu Reden und Marias Hören das Reich Gottes da: mitten zwischen ihnen beiden (Lk 17, 21). Und das Reich Gottes besteht bekanntlich nicht in Essen und Trinken, sondern in Frieden und Freude im heiligen Geist (Röm 14, 17).

Hier herrscht für einen Augenblick ein völliges Sichverstehen, und Maria ist die, die sich von Jesus in ein erfülltes Jetzt hineinziehen läßt, eine erfüllte Zeit, die ewig ist (Kairos). Sie ist für die Zeit dieser Begegnung „der Welt abhanden gekommen", und für diese eine Stunde kann sie „fasten", gerade weil der Bräutigam da ist (cf. Mk 12, 19).

Ich sprach von einem ewigen Bild; so hat beispielsweise S. Kierkegaard sich das ewige Leben ersehnt: als ruhiges Sichunterreden mit Jesus. Auf seinem Grabstein in Kopenhagen steht der Liedvers: „Es ist nur eine kleine Zeit, so hab ich überwunden, so ist der ganze Streit mit eins verschwunden, so kann ich ausruhn' mich im Rosensaale und ewiglich mit meinem Jesus reden" (H. Brorson; 1694-1764).

Maria, das ist ein Inbild des Glaubens, der aus dem Hören kommt (Röm 10, 17). An ihr wird anschaulich, warum das Christentum die Religion des Glaubens ist und nicht des Gehorsams, nicht des Aktivismus, nicht der mystischen Versenkung, nicht der Ergebung oder der kultischen Praxis, auch nicht der moralischen Praxis. Glaube regiert hier das Verhältnis zu Gott, und vor Gott gibt es nur „eins, was nottut": dem Wort zu glauben.

 

IV

Nun wird Martha noch einmal anders aktiv; sie interveniert angesichts dieser intensiven Zweisamkeit zwischen Jesus und Maria: „Herr, fragst du gar nicht danach, daß mich meine Schwester allein dienen läßt? Sage ihr doch, daß sie mir helfen soll" (40). Sie benutzt ihren Gast, um an ihre Schwester heranzukommen: Jesus wird zum Mittel für ihren Zweck, auch Maria zur Mithilfe und zum Dienen zu bewegen. Die Schwester soll mit zupacken. Wir merken, wie Marthas Dienstbereitschaft in heimliches Herrschaftsstreben umschlägt. Sie begreift nicht, daß Maria gerade dadurch Jesus „dient", daß sie sich seinen Worten öffnet. Ein bißchen Eifersucht auf die Schwester mag hineinspielen: als hielte diese sich für etwas Besseres und sei sich zu schade für die Küchenarbeit. Tut sie nicht, als könne sie den Gast für sich allein haben?

Zugleich aber tritt Martha in Konkurrenz zu Jesus, der ja in Wahrheit hier der eigentlich Gebende und das Eigentliche Gebende ist und der selber bestimmt, wie er aufgenommen sein möchte, nicht aber sich dem leisen Zwang von Marthas Versorgungseifer unterwirft.

Ja, Martha kritisiert sogar auch ihren Gast; sie gibt ihm zu verstehen: läßt du Marias Nachlässigkeit etwa zu, oder merkst du gar nicht, wie ich mich hier abrackere, während diese da gar nichts tut? Bin ich dir denn ganz gleichgültig und nur als Küchenpersonal von Bedeutung oder warum zeigst du solche Vorliebe für meine Schwester?

Martha fühlt sich wie eine vernachlässigte Tochter. Nun ist zwar Maria keine „verlorene" Tochter - ganz im Gegenteil! -, aber Martha verhält sich und redet wie in dem bekannten Gleichnis bei Lk der ältere Bruder des verlorenen Sohnes. Als der Vater mit dem aus der Fremde und dem Elend Heimgekehrten feiert und er, der Ältere, von der Feldarbeit nachhause kommt und die spektakuläre Bevorzugung des jüngeren Bruders sieht, da sagt er in demselben vorwurfsvollen Ton wie Martha dem Sinne nach: „Siehe, so viele Jahre diene ich dir" - und wie belohnst du mich dafür, während du jetzt diesen deinen Sohn so eklatant bevorzugst (cf. Lk 15, 29f)!

Liebe Gemeinde, wir müssen beachten, daß Jesus erst jetzt, als Martha ihn und Maria tadelt, etwas über ihr eifriges Tun sagt; vorher kein Wort dazu - obwohl vielleicht auch das Martha schon kränkt. Aber Martha zwingt ihn jetzt, Stellung zu beziehen und ihr sorgendes Tun und das Verhalten der Maria überhaupt zu vergleichen. Jesus war sicher dankbar für Marthas Fürsorglichkeit, doch jetzt muß er ausdrücklich Wichtiges und weniger Wichtiges unterscheiden.

„Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe" (41). Er erkennt ihr Tun durchaus an. Zugleich ruft er sie zu sich selber. „Martha, Martha" - das besagt: komm zu dir selbst, erkenne die wahre Situation, erinnere dich daran, was ich bin und was du von mir haben kannst! Du machst Dir und uns eine Unruhe und sorgst Dich um vielerlei; nur das Eine, worauf alles ankommt, und auch für Dich ankommt, das läßt Du außer acht. Das Eine, worauf es ankommt, statt sich im Sorgen aufzureiben, ist: zuerst, vor allem andern, nach dem Reich Gottes zu trachten (Mt 6, 31). Es geht dabei um dich selber, deine Seele, und nicht um Vielgeschäftigkeit. Wenn du so weitermachst, wirst du im Alter nur sagen können: wenn mein Leben überhaupt köstlich gewesen ist, so ist es nur Mühe und Arbeit gewesen (Ps 90, 10) - und ist das nicht ziemlich trostlos?

Liebe Gemeinde, wir sehen: Jesus redet zwar gegen Martha und für Maria, aber damit redet er für jede Frau. Keine soll nur zum Sorgen für den Lebensunterhalt des Mannes dasein, sogar dies nicht einmal primär. Und keine soll sich vom Manne hindern lassen, das „gute Teil", d. h. das bessere, für sich zu erwählen. Ich rede hier nicht von der Ideologie sog. „Selbstverwirklichung", ich rede vom Gottesverhältnis. Und ich vergesse auch nicht, daß Maria und Martha keine Kinder hatten. Im übrigen wissen wir alle: es gibt auch männliche Marthas; vielleicht sogar mehr! Jesu Wort fordert von den Männern, die vom Sorgen verzehrt werden, Maria in sich zu entdecken - um ihrer Seele willen.

 

V

Nur „Eines ist wirklich notwendig" (42) - das hat Maria begriffen. Sie konzentriert sich, solange Jesus für sie da ist, auf das, was sie unbedingt angeht. Sie zentriert ihr Leben auf etwas Absolutes, das allem anderen im Leben Mitte und Halt gibt, und in Jesu Wort berührt dieses Absolute sie.

Martha lebt in einer Art Zerstreuung. Die äußeren Dinge des Lebens mit ihrem betäubenden Einerlei entfremden sie von sich selber; über dem Alltagskram vergißt sie sich, sie entgeht ihrem eigentlichen Selbst oder verdrängt es sogar, es ist, als schliefe sie mit offenen Augen.

Maria scheint ganz versunken und weltvergessen zu lauschen, Ort und Stunde entrückt. Aber im Hören auf Jesu Wort ist sie zum wahren Leben aufgewacht, oder besser: aufgeweckt worden - so wie Jesus später ihren Bruder Lazarus aus dem Todesschlaf wecken wird (Joh 11). Maria ist, auf Jesus hörend, „selbstvergessen" doch ganz bei sich; sie ist in Wahrheit wach, wach durch die Wahrheit.

Was ist nun „das Eine, was uns nottut"? Liebe Gemeinde, es ist das, was den Menschen zum Menschen macht. Jesus hat es dem Versucher gegenüber klar gesagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus Gottes Mund kommt" (Mt 4, 4). Das hat Maria für sich entdeckt, und das will Jesus auch ihrer Schwester Martha sagen.

Mit dem Einen, was nottut, erinnert Jesus an das Erste Gebot, das alles begründet und den Menschen zum Menschen macht: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt" (cf. Lk 10, 27f.). Genau so hört Maria.

Darum ist das Eine, was nottut, einfach nur Glauben. Man kann auch sagen: Jesus ist der Eine, der nottut, denn er hat eben Gottes Wort für uns: „Herr, zu wem sollen wir sonst hingehen? Du hast Worte ewigen Lebens" (Joh 6, 68). Jesus tut mit seinem Wort uns allen not: den Aktiven und den Kontemplativen, den Hörern und den Tätern des Wortes. Nur dieser Eine ist für unsere Seele notwendig, d. h. notwendend, und mit ihm ist etwas Absolutes da, demgegenüber alle äußeren Umstände an letztem Gewicht verlieren. Darum hat Maria „das gute Teil" für sich erwählt. Denn sie hat zwischen dem allein Wichtigen und dem weniger Wichtigen unterschieden. Das, was in Wahrheit wesentlich ist für einen Menschen, hilft ihr, daß ihre Seele nicht erstickt im Alltäglich-Nötigen - wie das Samenkorn unter den Dornen (Mk 4, 7). In Wahrheit aber hat nicht sie gewählt, sondern sie hat sich erwählen lassen: von Gott in Jesu Wort.

Sie hat - das ist ihr „gutes Teil" - sich zum guten Land gemacht, wo der Same des göttlichen Wortes auf fruchtbaren Boden fällt (Mk 4, 8). Ihr gutes Teil ist das bessere, sogar das Allerbeste: die „Perle", die wertvoller ist als alles sonst, die überaus kostbare Perle, für die man alles andere lassen oder relativieren kann (Mt 13, 46). Diese Perle schmückt sie in dieser Geschichte - wie eine Braut ihres Herrn. Sie gehört ganz dem an, der selber das Wort ist.

Dies, ihr bestes Teil, kann nicht wieder von ihr genommen werden. Speise und Trank vergehen, aber das Wort des Herrn bleibt ewiglich (Ps 119, 89).

Was Maria von diesem Gast empfangen hat, ist unverlierbar - unverlierbar auch für jeden, der Ohren hat zu hören wie Maria. Denn dieser unser Gast, er sagt zu jedem von uns: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, den wird nicht mehr hungern, und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten" (Joh 6, 35).

Amen

 

 

 



Abt Prof. Dr. Joachim Ringleben
Himmelfahrtsgottesdienst im Kloster Bursfelde
E-Mail: Regine.Pfau@theologie.uni-goettingen.de

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