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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Exaudi, 04.05.2008

Predigt zu Römer 8:26-30, verfasst von Eberhard Schwarz

26 Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich's gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen.

27 Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt.

28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluss berufen sind.

29 Denn die er ausersehen hat, die hat er auch vorherbestimmt, dass sie gleich sein sollten dem Bild seines Sohnes, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern.

30 Die er aber vorherbestimmt hat, die hat er auch berufen; die er aber berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.

 

Liebe Gemeinde,

Wissen wir, was wir beten sollen, wie es sich gehört? Drei kleine Anekdoten machen in Israel seit der Staatsgründung die Runde. Die erste betrifft den unerforschlichen Ratschluss Gottes. Sie handelt von einem Einwanderer der voller Hoffnung durch seine neue Heimat reist und sich schließlich fragt: „Warum hat Gott ausgerechnet Palästina ausgewählt? Im Norden Sumpf, im Süden Wüste. Hätte er kein besseres Land für uns finden können?"

 

Die zweite handelt vom nicht weniger rätselhaften Erwählungshandeln Gottes. Sie erzählt von einem Vater, dessen zwei Söhne während einer der vielen Auseinandersetzungen mit den arabischen Nachbarn an der Front stehen. Am Versöhnungstag geht der Mann in die Synagoge und betet. „Guter Gott, ich weiß, wir sind das auserwählte Volk. Ich bin dir auch dankbar für alles - aber könntest du mir nicht einmal einen Gefallen tun und statt unseres Volkes ein anderes auserwählen?"

 

Die dritte Anekdote schließlich handelt von der Erhörung des Gebets. Auch sie erzählt von einem Einwanderer, der zum ersten Mal israelischen Boden betritt und der dann vor sich hinmurmelt: „Lieber Gott, nun haben wir vergeblich zweitausend Jahre um Rückkehr ins gelobte Land gebetet - und ausgerechnet mich muss es treffen!"

 

„Ausgerechnet mich muss es treffen!" Wissen wir wirklich, was wir beten sollen, wie es sich gehört?

 

Jeder Mensch strebt zum Gebet, hat die russische Dichterin Zinaida Gippius behauptet. Vielleicht hat sie damit Recht: Jedes unserer Worte, das in die Weite geht, jedes Sehnen in die Zukunft, jede Ausschau nach Veränderung, nach Klärung, nach Schutz, nach Hilfe, ist ein Bruder des Gebets.

 

Aber zugleich ist all unser Beten auch ein Stammeln nach Dingen, von denen wir selbst nicht wissen, ob Sie uns gut tun oder nicht. Wir rufen nach Wohlstand oder nach Glück - aber wissen wir, ob uns diese Dinge wirklich reich und glücklich machen oder vielleicht sogar dumm und stumpf?

 

Wir rufen nach dem guten Leben - aber wissen wir, ob uns nicht gerade die Hindernisse unserer Wege reicher und reifer machen als aller Reichtum dieser Welt?

 

Was wissen wir über den Zusammenhang unserer Wege? Im Grunde weniger als Nichts. Wir alle rätseln immer wieder über Gottes Ratschluss. Wir alle fragen immer wieder, ob unsere eigenen, persönlichen Wege hineingehören in den großen Lebensplan des Himmels. Wir alle stoßen irgendwann einmal auf diese Frage, ob Gott denn unsere Gebete und unser Seufzen hört und annimmt. Wir alle suchen nach Gewissheit.

 

Liebe Gemeinde,

das 8. Kapitel des Römerbriefes handelt von der österlichen Freiheit der Kinder Gottes und vom neuen Leben im Geist. Im Grunde ist es wie gemacht für diese Zeit zwischen Ostern und Pfingsten und für Menschen, die sich einüben im Vertrauen.

 

Alles, was Paulus zuvor gesagt hat über die Rechtfertigung durch den Glauben, über die Freiheit vom Gesetz, über das Drama unseres Gutseinwollens und Nicht-Gutsein-Könnens und alles, was er dann im Anschluss über die Erwählung Israels, über Gottes Verheißungen und seinen ewigen Ratschluss sagen wird: hier in diesem 8. Kapitel wird es konkret im Thema des Gebets.

 

Oft denke ich an einen Trappistenabt, der sich selber Rechenschaft gegeben hat über sein Klosterleben und über seine Bemühungen um das rechte Beten. „Nach 14 Jahren im Kloster", schreibt er, „kann ich Ihnen von nicht sehr vielen anderen Erfahrungen berichten als von solchen, die Sie alle haben: nämlich von den Erfahrungen meiner Zerbrechlichkeit und Schwäche. Vielleicht hat mir das Kloster geholfen, damit ein wenig bewusster umzugehen, Ich habe im Grunde nicht sehr viel mehr erreicht, als zu verstehen, dass mein Zustand, dass mein Werden irgendetwas mit dem Schicksal Jesu Christi zu tun haben muss. Diese Ahnung allerdings ist mir mehr wert als alle Arten von „Erfahrung", bei denen ich mir nie sicher sein könnte, ob sie nicht das Produkt meiner eigenen Sehnsüchte oder Ängste sind."

 

Wissen wir, was wir beten sollen, wie es sich gebührt? Der Apostel Paulus geht in der Tat davon aus, dass unser Zustand und unser Werden etwas mit dem Schicksal Jesu Christi zu tun haben: Wir sollen, so schreibt er, seinem Bild von Gott her gleichgestaltet sein, damit er der Erstgeborene sei unter vielen Geschwistern. Was ist das für ein Bild?

 

Liebe Gemeinde,

wenn wir beten, dann erleben wir Beides: Jedes Gebet führt uns an unsere Grenzen. Jedes Gebet verweist uns auf die Horizonte, die wir nicht überblicken. Jedes Gebet bezeugt eine allumfassende gemeinsame Not, die die ganze Schöpfung mit einbezieht. Es ist die Sehnsucht, im Letzten nicht verloren zu gehen. Jesus war im Blick auf das Gebet von einem unerschütterlichen Optimismus erfüllt:

„Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan," sagt er zu seinen Jüngern. Und er selber hält daran fest noch im Karfreitag. Und dann - österlich - über den Karfreitag hinaus.

 

Aber beim Beten geraten wir nicht nur an unsere Grenzen. Beim Beten stoßen wir auch eine Tür auf: Beim Beten weitet sich unser Leben in einen Bereich, den wir nicht kennen. Wir nehmen dabei eine innere Haltung ein, die um die Freiheit Gottes und um die Unverfügbarkeit seines Handelns weiß. Und wir vertrauen darauf, dass Gott es in seiner Unerforschlichkeit mit unserem Leben gut meint. Wenn wir beten, dann gehen wir - und sei es noch so zaghaft - davon aus, dass Gottes Plan mit unserem Leben heilvoll ist. Dass auch die schwierigen Momente nicht ohne Sinn sind oder bleiben. Dass wir, unser persönliches Schicksal - so Paulus - vorherbestimmt sind, ausersehen, berufen.

 

Wissen wir, was wir beten sollen? Wenn es so einfach wäre! Wieder denke ich an den Trappistenabt, der erzählt, wie viele Mönche seiner Gemeinschaft in eine Krise geraten, in der alle bisherigen Vorstellungen von einem geistlichen Leben fragwürdig werden. Wir kennen das von Luther und aus dem Leben vieler anderer frommer Menschen. Dass solche Vorstellungen zerplatzen wie Seifenblasen. Wer meine, in seinen Frömmigkeitsübungen voranzukommen auf dem Weg zu Gott, erlebe buchstäblich das Gegenteil. Und irgendwann fände man sich wieder mit seiner ganzen menschlichen Armut. Aber dort ließe sich auch der Gott finden, der uns in unserer Armut begegnet und der uns in unserer Schwachheit aufhilft. Wie er uns begegnet?

 

„Desgleichen hilft auch der Geist unsrer Schwachheit auf" sagt Paulus. Was ist das für ein Geist? Paulus gibt uns eine einfache Antwort. Die, die der Geist Gottes bewegt, die sind Gottes Kinder. Ich meine, man wird das sehr wörtlich nehmen dürfen. Es ist der Geist, der uns dort, wo wir an unsere Grenzen kommen, sagen lässt: Abba, lieber Vater; der Heilige Geist, der uns mit Jesus, unserem erstgeborenen Bruder, beten lässt: ‚Vater unser im Himmel'; der Geist, der uns Mut macht, unser Leben, unser Vertrauen hineinzulegen in diese ‚familiäre' Beziehung zu Gott und der uns so zu Jesu Schwestern und Brüdern macht, mit dessen Worten wir ja beten können - auch dort, wo unsere eigenen Worte versagen:

 

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. ....

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



Eberhard Schwarz
Stuttgart
E-Mail: b-hack-schwarz@t-online.de

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