Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstmontag, 12.05.2008

Predigt zu Johannes 6:44-51, verfasst von Arne Simonsen

Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben- sagt Gott hier beim Propheten Hesekiel (11,19) von Menschen, die völlig in ihrem Eigenen erstarrt sind.

Ein Herz von Stein hat der Mensch, der nicht das geringste Gefühl hat und den nichts von außen beeinflussen kann. Ein Mensch, der unerschütterlich und nicht zu bewegen ist.

Der Mensch ist zu allem fähig. Der Mensch kann das Unglück anderer sehen, ohne eine Miene zu verziehen. Der Mensch kann selbst Leiden verursachen, ohne dass ihn das im geringsten anfechten würde. Der Mensch ist ohne Menschlichkeit und Moral.

Bilder von Stalin zeigen oft einen lächelnden Mann, gelegentlich auch mit einem Kind auf dem Arm, aber er hatte ein Herz von Stein, und Millionen Menschen mussten für seine Machtgier und Grausamkeit büßen.

Nichts kann diesen Menschen erreichen. Kein Leid, mag es auch noch so groß sein, vermag in dem steinernen Panzer auch nur einen kleinen Spalt zu öffnen. Überall standen Statuen des Despoten - aus Stein. Stumm und unnahbar. Aber eines Tages wurden alle diese Denkmäler umgestürzt - und entfernt, und der Bann war für eine Zeitlang gebrochen.

Denn Menschen mit Herzen aus Stein gibt es überall, und es geht immer um Macht, im Großen wie im Kleinen.

Der Henker mit toten, ausdrucklosen Augen war vielleicht einmal ein Mensch mit Gefühlen für andere, aber etwas geschah, und alles veränderte sich, und im Innern erstarrte das Ganze zu einer harten Masse.

Einmal war er ein kleines Kind, und eine Mutter wiegte ihn auf ihrem Arm. Jetzt ist er nur noch kalt und tut seine Arbeit, ohne eine Miene zu verziehen.

Was geschah mit den amerikanischen Soldaten, die irakische Gefangene gefoltert haben?

Was geschieht überhaupt mit den Menschen, wenn sie so etwas tun?

Wir wissen, dass es geschehen kann - überall, auch dort, wo wir es nie geglaubt hätten. Kann es auch uns selbst passieren?

Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben - sagt Gott von Menschen, die jedes Gefühl für anders Denkende verloren haben.

Sie sind sich selbst genug - so sieht es aus.

Ein fleischernes Herz dagegen - es pocht, es ist warm, und alles, was wir fühlen und erleben, verbinden wir mit dem Herzen. Wir können es merken, wenn wir uns freuen und wenn wir uns Sorgen machen. Immer schlägt es, manchmal heftig, wenn uns etwas ganz erfüllt und auf uns einwirkt, in Freude oder Angst.

Das Herz verbinden wir mit Gefühlen.

Mein Herz schlägt für dich! Mein Herz ist von Kummer niedergedrückt - sagen wir.

Er hat ein warmes Herz - und wir meinen damit, dass er ein netter und liebevoller Mensch ist.

Das Herz bedeutet all das, was uns bewegt und entzückt. Auch der Glaube hat mit dem Herzen zu tun:

Wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht! - schreibt Paulus (Rö. 10,10).

Grundtvig spricht von der Sprache des Herzens - im Gegensatz zur Sprache des Verstandes, die nur das anerkennt, was sie einsehen und was sie sich ausrechnen kann. Glaube und Gefühl gehören zusammen. Es geht um das, was wir nicht einsehen und voraussehen können, was uns aber bewegt, und ergreift und öffnet und uns "sehen" macht.

Und der hat nie gelebt,
der nur das verstanden hat,
was er nicht zuvor geliebt hat.

- schreibt Grundtvig (Folkehöjskolens sangbog Nr. 461) und meint damit, dass wir mit dem Verstand nur allzu wenig begreifen; nur wo Gefühl dabei ist und wo wir uns mit Leib und Seele (Herz) engagieren, "verstehen" wir etwas von uns selbst und vom Leben und von Gott.

Davon handelt Pfingsten doch auch: dass das Leben jetzt beginnen kann.

Der Heilige Geist ist nichts Fremdes. Er hat Fleisch und Blut in der Welt, denn es ist der Geist Jesu. Jesus lebte. Er setzte sich nicht einfach nur hin und wartete. Er hielt es für wert, in die Welt zu kommen, und er fand es wert, zu leben, ungeachtet, was ihm das Leben bot. Er war das Leben selbst, und wer zu ihm kam, den stieß er nicht von sich.

Sein Geist ist das Wort über ihn, das lebt und uns erfüllt.

Der Heilige Geist ist nicht etwas, was das Leben feiner machte - nein, der Heilige Geist macht das Leben möglich.

Der Geist - das ist, dass wir nicht einfach nur durchs Leben gehen mit platten, dummen Gesichtern und matten Augen, sondern dass wir erleben, sehen, lieben - dass unser Leben durch Worte bewegt wird, die wir hören, durch Schicksale, die uns anrühren. Dass wir nicht nur Staub sind, sondern Geist.

Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben! - sagt Gott hier bei Hesekiel, und die Worte gelten den landflüchtigen Juden in Babylon, und zwar im Gegensatz zu den Juden, die in Jerusalem zurückgeblieben sind, denn die Letzteren meinen von sich selbst, sie hätten den rechten Glauben und die anderen, d.h. die Landflüchtigen in Babylon, sollten bleiben, wo sie sind, und nie nach Jerusalem zurückkehren, denn dort gehören sie nicht mehr hin.

Aber Gott meint etwas anderes.

Ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen neuen Geist in sie geben! - und hier meint er die Landflüchtigen in Babylon.

Gott entscheidet sich für die eine Seite. Normalerweise würde Gott verlangt haben, dass sie bereuen, Buße tun sollten - aber nicht so hier. Hier handelt er ohne Weiteres selbst.

Die Frage ist dann: Wer sind die Auserwählten?

Darum dreht sich der Streit hier: Sind es die Juden in Jerusalem, oder sind es die Juden in Babylon?

Der Streit steht überall an - und allezeit, vielleicht auch in der Erzählung von der ersten christlichen Gemeinde in Jerusalem, die in völliger Einigkeit lebt und an dem festhält, was ihr überliefert ist. Sie feiern das Abendmahl und nehmen damit Jesu Wort, dass er sich selbst der Welt als das lebendige Brot gegeben hat, ernst. Und sie geben Gott die Ehre durch unaufhörlichen Lobgesang.

Aber! - hatte Petrus nicht in seiner Pfingstpredigt appellierend zu den Zuhörern gesagt: Lasst euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht! (Apg. 2,40) - und war es nicht das, was sie taten - sie sonderten sich ab von "den Anderen"?

Kann man eine Gemeinde bilden, ohne deutlich zu machen, wer sich darin befindet und wer außerhalb steht?

Dieser Frage kann man nicht ausweichen.

Alle Erfahrung zeigt, dass die Gemeinschaft dazu neigt, andere auszuschließen. Und was tun wir selbst?

Haben wir ein steinernes Herz oder werden wir von Gottes lebendig machendem Geist bewegt?

Sind wir offen für das, was wir nicht kennen, oder schließen wir uns in Selbszufriedenheit ein?

Aber: von der Gemeinde in Jerusalem hören wir auch, dass sie beim ganzen Volk Wohlwollen fanden und dass täglich Menschen zur Gemeinde hinzugefügt wurden. Sie grenzten sich also nicht in einer verfilzten Gruppe ab.

Und alles, was Jesus sonst noch in diesem Stück aus dem Evangelium sagt, spricht denn auch sehr dagegen. Jesus spricht doch von sich selbst als dem lebendigen Brot, das vom Himmel kommt und dass der, der davon isst, nicht sterben, sondern leben wird.

Das Brot ist ein Gleichnis für ihn selbst und für das, was wir unter Gottesdienst und unter der Teilnahme an der Feier des Abendmahls verstehen.

Er hinterließ uns eine Mahlzeit, die so erfüllt ist von all dem, was geschehen ist, und die nun für alle ist.

Nur durch den Geist kann das geschehen. Denn der Geist macht das Leben möglich.

Jesus spricht von sich selbst als dem lebendigen Brot - im Gegensatz zu dem Manna, das für die wandernden Israeliten in der Wüste vom Himmel kam. Das bot nur Nahrung für einen einzigen Tag - es war nur zum Überleben.

Hier spricht Jesus dagegen von sich selbst als dem "lebendigen Brot", und davon, dass es für alle ist. So viel Nahrung ist in dem Brot, dass der Mensch nie hungern wird, der davon gegessen hat, und niemals wird er sterben, sondern leben in Ewigkeit.

Das lebendige Brot - im Gegensatz zu all dem, was wir selbst einsammeln und worauf wir unser Leben bauen: zu dem geistlosen Materialismus, in dem wir nur für uns selbst leben und an uns selbst genug haben.

Wir können sehr wohl den "Vätern in der Wüste" gleichen, die Manna aßen und aufhoben, was sie nicht aßen, anstatt es fortzuwerfen, wie Gott es ihnen befohlen hatte. Sie wollten selbst handeln - sie wollten sich nicht mit dem begnügen, was Gott ihnen jeden Tag gab. Und am folgenden Tag zeigte sich ja denn auch, dass, was sie übrig gelassen hatten, verdorben war.

Sie gleichen Adam und Eva, die an sich zu raffen suchten, was Gott allein gehört: Allwissenheit und ewiges Leben - und sie erhielten dafür den Tod als eine Lebensbedingung. Indem sie vom Baum der Erkenntnis aßen, verloren sie den Zugang zum Baum des Lebens.

Seither ist es die grundlegende Lebensbedingung aller gewesen, aber der Taum vom Land der Lebendigen fuhr fort, in Menschen zu leben, bis der lebendige Gott auf die Erde niederstieg in der Gestalt von Fleich und Blut und schließlich den Tod starb, den wir alle sterben, aber dort, wo alles hoffnungslos aussieht, erhebt sich das Leben wieder von den Toten.

Der Lebensbaum sprieße aus der Wurzel des Kreuzes! - sangen wir heute (Den Danske Salmebog 291,5). Aus dem Tod wuchs das Leben. Das ewige Leben.

Jesus in die Welt geschickt vom Vater - das ist die Erkenntnis, die uns zu Jesus führen wird: Er opferte sein eigenes Leben für uns - dass wir nicht in versteinertem Hochmut über das Leben hinausreichen - als wäre das etwas, auf das wir ein Anrecht hätten und das nur für uns selbst wäre.

Er opferte sein eigenes Leben, um das lebendige Brot zu werden, das er selbst ist - und das wir selbst kosten, jedesmal wenn wir zum Abendmahl gehen und so tief niederknien, dass nur Gott uns sieht. Und wir wissen - und dürfen es nie vergessen - dass dieses Brot: Christus selbst, für alle ist.

Wir haben es ja vorhin gesungen, und zwar geformt wie ein Gebet:

Der Lebensbaum sprieße aus der Wurzel des Kreuzes!
Lass alle schmecken, dass unser Herr gut ist!

 

Amen



Pastor Arne Simonsen
Silkeborg (Dänemark)
E-Mail: asi(a)km.dk

Bemerkung:
Übersetzung aus dem Dänischen: Dietrich Harbsmeier


(zurück zum Seitenanfang)